Re: Jazz Domino

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gypsy-tail-wind
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FriedrichAch ja, West Coast gegen East Coast, Beatles gegen Stones … Dabei sind es doch gerade die Unterschiede, die die Musik interessant machen. Ich hatte jedoch immer den Eindruck, das West Coast oder Cool durchaus seine Anhänger hatte und hat, von Chet Baker und Mulligan über Brubeck, Shelly Manne, Shorty Rogers und all die anderen. Vielleicht waren die dann aber doch beim breiten Publikum zu erfolgreich, um Kultstatus zu erreichen? Ich mag beides.

Ich mag auch beides – ganz klar! Und auch vieles anderes, von New Orleans über Chicago und Detroit, Philadelphia, Baltimore bis zu Paris … und klar sind es die Unterschiede, aber noch mehr die Verbindungen. Shelly Manne wurde z.B. als er an die Westküste kam (bei Kenton spielte) als Ostküstendrummer wahrgenommen, sein Spiel war zu frei-schwingend, als dass es den gradlinigeren Westküstenmusiker (den Weissen zumal, und ja, das spielt hier wohl wirklich eine Rolle, Kalifornien war in den Vierzigern wie es scheint noch sehr streng segregiert, die Schwarzen spielten an anderen Orten als die Weissen) ins Konzept gepasst hätte.

Aber:
Chet Baker: Yale, Oklahoma
Gerry Mulligan: Queens, New York
Dave Brubeck: Concord, CA
Shelly Manne: New York City
Shorty Rogers: Great Barrington, Massachusetts
die anderen: von hier und da (sogar von Edgware und Wien)

und:
Howard McGhee: Tulsa, Oklahoma
Jimmy Giuffre: Dallas, Texas (das kann man sogar hören, wenn man mag!)

es gibt aber neben Brubeck schon noch andere genuine Kalifornier: Chico Hamilton, Buddy Collette, Charles Mingus (in Arizona geboren), Hamp Hawes, Bud Shank (in Ohio geboren), Bob Cooper (in Pittsburgh geboren), Bill Perkins, Jack Sheldon (in Forida geboren), Teddy Edwards (in Mississippi geboren) …

Der Punkt ist: ebensowenig wie all die „New Yorker“ von da waren, waren die „West Coast Jazzer“ wirklich aus Kalifornien (Mulligan verbrachte z.B. nur fünf – frühe, daher prägende, wenn man will „entscheidende“ – Jahre da, McGhee noch viel weniger und verabscheute es, zeitlebens als „West Coast Jazzer“ gebrandmarkt zu werden). Während man bei „Jazz“ primär mal an die Szene in New York denkt (gut, wer sich für die 20er und 30er auch interessiert, denkt zuerst an New Orleans, dann an Chicago und dann an New York udn vergisst auch Kansas City nicht), so ist „West Coast Jazz“ nicht „Jazz“ sondern ein recht kleiner Teil, eine kleine Unterabteilung oder Schublade von „Jazz“ – und das ist daher eben: falsch.

FriedrichDu spielst auf Stan Kenton an? Ich kenne kaum etwas von ihm. Der klang immer ziemlich steif, oder? Umso besser, wenn es Shorty Rogers gelingt, dessen Leuten Swing beizubringen.

Kenton ist für sich gesehen schon sehr toll und seine Verdienste gross – aber ja, eine gewisse Steifheit, oder eher: ein grosses Mass an Organisation, harrte seiner Musik stets inne. Rogers leitete seine Giants, nahm 1953 eine Reihe toller Sessions auf, von denen die erwähnte eine ist, in denen er Kenton-Leute hinzuzog, und diesen einen anderen Rahmen bot – ich mag gar nicht sagen „weniger ambitioniert“ und „swingender“ oder gar „freier“, denn er ist ja am Ende doch nur: anders.

FriedrichKeine Ahnung! Wann gibt es die Auflösung?

Die erwarte ich auch noch, bin leider nicht in Laune für Ratespiele.

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