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BullittAusgerechnet der Waitress Song? Den halte ich noch für den schwächsten des Albums, weil das Americana-Ding hier irgendwie zu aufgesetzt wirkt und die Textzeile „Say my name was Stacy“ ungefähr genauso doof kommt wie ABBAs „And your name is Harry“ in „Our Las Summer“. Was sollen diese Namen da?!
Mit der Wahl des Namens wird einem sofort das Bild eines amerikanischen Diners in den Kopf gesetzt, das Gedankenspiel also konkretisiert. Die Namenwahl ist damit sogar ziemlich clever gewählt, sie vermittelt ein Bild, mit dem man sich sofort im Song findet. Ansonsten ist das auf der LP weit und breit der einzige Track, der er schafft, eine Geschichte zu erzählen, ohne in triviale Alltagsweisheiten zu verfallen. Die meisten restlichen Songs wirken einfach nur wie Paraphrasierungen von My Silver Lining, musikalisch wie textlich.
Auch der Waitress Song behandelt die Suche nach dem Guten im Schlechten, die sich als roter Phasen durch die Platte zieht, aber er ist der einzige, der mich darin aufhorchen lässt. Mit jeder Strophe setzen First Aid Kit in den eskapistischen Fantasien der Verlassenen einen drauf, und mit jedem mal wird es weniger trostlos. Was mir am besten daran gefällt, ist, dass die erste Fantasie (die Kellnerin) recht banal ist, die zweite bestärkt diese Entwicklung dann gegenteilig dadurch, dass sie viel außergewöhnlicher und abenteuerlicher ist (die Zirkusartistin) und schließlich wird auch das letzte an Trostlosigkeit eliminiert mit etwas, das gar keinen Berufswechsel oder anderweitigen Umbruch im Leben benötigt: einem Besuch am Meer. Das ist so simpel und schön wie die Abschlusszeile „Our love would seem trivial and obscure / and I would never feel lost anymore“. Das ist gelungenes Songwriting und kein einziger der anderen neun Tracks erreicht das auch nur im Ansatz.
Und wenn wir uns schon in den Bereich „aufgesetzt oder nicht“ begeben wollen (fragwürdiges Terrain, aber ich begebe mich mal darauf, for the sake of argument), würde ich sagen, dass der Waitress Song durch sein konkretes, in sich geschlossenes Storytelling der einzige Titel der Platte ist, bei dem ich diesen Vorwurf so gar nicht nachvollziehen kann. Was soll da denn aufgesetzt sein? Ist dir ihr Herzschmerz nicht präsent genug? Oder stört es dich, dass sie hier bewusst Klischees verwenden, ein Stilmittel, das so alt ist wie der Pop selbst (und hier hast du mit ABBA bereits passenderweise ein gutes Beispiel erwähnt, die haben das quasi perfektioniert, wie sich auch in Rossis Post ablesen lässt)? Da besteht noch Erklärungsbedarf deinerseits, bevor ich versuchen kann, zu verstehen, was du damit eigentlich meinst.
BullittNiemand, der die Band jetzt live gesehen hat und die Alben nicht kennt, könnte bei den Songs Klassenunterschiede auszumachen. Zumindest nicht in die ein oder andere Richtung. Da gehe ich jede Wette.
Spekulation ist natürlich ein praktischer Weg, um Argumentationen unangreifbar zu machen. Bei Wetten auf Absolute zu setzen, ist allerdings meistens eine schlechte Idee.
BullittIm Schnitt nehmen sich die LPs nämlich gar nichts. Lion’s Roar punktete noch mit dem Wow-Effekt für Newcomer und natürlich vor allem mit „Emmylou“, der alles überstrahlte. Das war aber ein once-in-a-lifetime track, der auch bei mir die Erwartungshaltung anfangs unnötig viel zu hoch pepusht hatte.
The Lion’s Roar wäre Stay Gold auch ohne Emmylou um Längen überlegen. Als ob der Track das ganze Album getragen hätte. Das Songwriting ist dort fast durchgehend besser, Blue erzählt nicht nur ein nahegehendere Geschichte als alles auf dem Nachfolger, es funktioniert außerdem auch außerhalb des Folk-Kontextes als hervorragender Popsong. Dance to Another Tune mit seinem Spannungsaufbau und schließlich Spannungsauflösung (Der Taktwechsel!) veranschaulicht auch sehr gut, was dem Nachfolger fehlt: Kreative Arrangements. This Old Routine ist noch so ein Beispiel für das gelungene Verpacken von Melancholie in einen schönen Popsong, wie es ihnen auf Stay Gold nicht so Recht gelingen will. Vom Vorgänger blieb auch deswegen mehr hängen, weil die Melodien besser sind. Sorry, aber für mich ist die Sache ganz klar: The Lion’s Roar ist Stay Gold in quasi allen Bereichen überlegen.
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