Re: Howard McGhee

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gypsy-tail-wind
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Fast elf Jahre nach den Aufnahmen von 1966, die auf Cookin‘ Time zu finden sind, hat Produzent Art Zimmerman von deren Existenz erfahren. Sie helfen ein wenig, das riesige Loch zu füllen, das zwischen 1962 und 1976 klafft.
1970 nahm McGhee zwei Stücke mit Joe Carroll auf, die auf der Spotlite Compilation Bebop Vocalists: Cool Whalin‘ zu hören sind, im selben Jahr trat er am Charlie Parker Memorial Concert in Chicago auf (irgendwo hab ich das eine Stücke, „Ornithology“, aber keine Ahnung wo – habe es vor über 10 Jahren mal vom Radio mitgeschnitten, mit McGhee spielten Vi Redd, Jodie Christian, Rufus Reid und Wilbur Campbell), und 1971 spielte er eine eine EP für das Label Stardust ein (mit Cecil Young-p, Doles Dickens-b und Jual Curtis-d).
Erst 1976 begann der kurze indian summer von McGhee, mit dem Sonet-Album Here Comes Freddy, das gemeinsam mit Illinois Jacquet entstand. Für Zim hat McGhee 1978 Live-Aufnahmen mit Charlie Rouse und Frank Wess gemacht – und bei Zim erschienen eben auch die Aufnahmen von 1966.
Und die haben’s in sich! Gemäss den Liner Notes von Art Zimmerman (s.u.) spielte die McGhee Big Band gleichzeitig in New York, wie die neue Thad Jones-Mel Lewis Big Band für Aufsehen sorgte. An diese – eine der besten und aufregendsten unter allen modernen Big Bands – kommt McGhees Band nicht heran, aber die Musik ist hervorragend: moderner Big Band Jazz mit einer Band, in der so tolle Solisten wie Norris Turney, Clifford Jordan, Bill Hardman und natürlich McGhee selber anzutreffen sind. Zudem sind ein paar vertraute aber selten gehörte Leute wie Kiane Zawadi, Elmer Crumbley und Andy Bey (als Pianist) zu hören, und am Bass findet sich Gene Taylor, wie immer mit riesigem Sound. Das Repertoire setzt sich auch Originals und Standards zusammen, da ist etwa Jordans „Highest Mountain“ (arr. Jordan), McGhees „Blues Duendi“, „Bless You“ und „Chronos“ (alle arr. McGhee), sowie „On Green Dolphin Street“ (arr. Zawadi), „Summertime“ und „Satin Doll“ (beide arr. McGhee) und mehr. Das einzige, was mir nicht sehr gefällt, sind die Beiträge von Sängerin Vicki Kelly auf „‚Round Midnight“, „Summertime“ und „Satin Doll“ (wobei letzteres tolle Soli von McGhee, Jordan und Hardman enthält). Bey ist auf „Bless You“ als Sänger und Pianist zu hören, McGhee begleitet ihn einfühlsam mit Obbligati, während Drummer Charles Simon einen relaxten Latin-Beat klöppelt.
Sehr schade, dass diese tolle Band keine weiteren Aufnahmen machen konnte und anscheinend überhaupt wenig Erfolg hatte. Eine richtige Entdeckung nach den äusserst mittelprächtigen Aufnahmen von 1962!

In den langen Jahren ohne eigene Veröffentlichungen als Leader hat McGhee einige Male als Sideman aufgenommen, so etwa 1963 mit Joe Williams am Newport Jazz Festival (ich kenne das RCA-Album noch nicht). 1967 enstand in Zürich ein Album mit Sonny Stitt (und Walter Bishop, Tommy Potter und Kenny Clarke – das muss ja Bebop in Reinkultur sein… habe es seit Jahren nicht mehr gehört, wird morgen ausgegraben!) und im Februar 1968 folgte das Album „Boppin‘ and Burnin'“ mit Don Patterson (dem pursten Bebopper unter den grossen Organisten, ja?).

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