Re: Clark Terry

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gypsy-tail-wind
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Ich kann nicht drüber urteilen, wie Terry seine „mumbles“ und sein Spiel auf dem Mundstück live eingesetzt hat, aber die paar Mundstück-Soli, die ich auf meinen CDs habe, die machen durchaus rein vom Musikalischen her Sinn, da muss ich Dir also einigermassen widersprechen.

Ich kenne ja Deine Abneigung gegen Terry und habe sie lange Zeit auch geteilt, aber irgendwie hab ich seine Musik in den letzten Tage neu kennen- und schätzen gelernt (siehe Post #7 oben).

Was die Bemerkung zum Stil betrifft: was ich damit meine ist, dass unter Swing-Musikern (oder wie immer man sie nennen will) eine sehr viel grössere Bandbreite an persönlichen Stilen und Ausdrucksformen zu finden ist. Man denke an Buck Clayton, Harry Edison, Terry, Ray Nance, Roy Eldridge, Vic Dickenson, Dicky Wells, Benny Morton, J.C. Higginbotham, Johnny Hodges, Benny Carter, Willie Smith… bei den Tenoristen fang ich jetzt gar nicht an mit auflisten… nur so viel: Pres, Hawkins, Webster, Chu Berry, Byas, Bud Freeman…

Das änderte sich mit der Ankunft des Bebop, z.B. am Altsax gab’s zum Beispiel bis Ornette kam keinen, der einen eigenen Stil neben jenem von Parker entwickeln konnte – mal bewusst etwas extrem ausgedrückt und durchaus auch so gemeint, dass Dolphy letzten Endes Parkers tollster, begabtester und eigenwilligster Schüler war. Beim Tenor ist die Lage etwas anders, auch Leute wie Moody, Gordon oder Gray bewegten sich noch irgendwo zwischen Swing und Bop, Lester Young war der prägende Einfluss. Sonny Rollins und wenig später Coltrane haben dann aber einen ähnlich grossen (und wir hatten das schon: teilweise fatalen) Einfluss ausgeübt.

In Kürze ist es wohl, dass das hohe Tempo der Musik die Ausdrucksmöglichkeiten einschränkt, was die Variationen des Tons betrifft etwa (das kann ich auch selber von meiner bescheidenen Spiel-Erfahrung nachvollziehen… wie Bennie Wallace es etwa schafft, mit seinem riesigen, altmodischen Sound Linien zu blasen, die so verworren und sprunghaft sind wie jene Dolphys, das verblüfft mich zum Beispiel immer wieder).

Man kann es wohl auch umdrehen und sagen, dass im Bebop eine Reduktion aufs Wesentliche stattfand, dass die Musik verschlankt und entschlackt wurde. Das würd ich nun auch nicht bestreiten wollen. Aber die grosse Fülle an persönlichen Tönen, die war jedenfalls weg, das Spektrum wurde schmaler. Im Free Jazz brach es dann nochmal auf, aber nicht für sehr lange. Und was danach so kam, das kennen wir ja, die meisten jungen Mainstream-Jazzer sind bis heute noch einigermassen in der Bebop- und Postbop-Orthodoxie gefangen.

Das wär nun wohl alles fürs Jazz-Philosophicum… :-)

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