Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Eine Frage des Stils › Blue Note – das Jazzforum › Clark Terry › Re: Clark Terry
1975 trat Clark Terry mit Jazz at the Philharmonic in Montreux auf. Die Band bestand aus Terry und Roy Eldridge (t), Benny Carter (as), Zoot Sims (ts), Joe Pass (g), Tommy Flanagan (p), Keter Betts (b) und Bobby Durham (d).
Terry eröffnet die Solos auf „For You“, gefolgt von Sims. Sehr schön, wie Joe Pass begleitet, mit funky Licks oder weichen Akkorden, die er einstreut. Sims klingt muskulös, Durham begleitet ihn aktiv, verfällt hinter Eldridge dann in seine typischen (und auf die Dauer ermüdenden) Rim-Shot-Muster… das macht Pass aber locker wett! Nach Carter folgt Pass dann auch mit einem schönen Solo – sein Ton gefällt mir ausserordentlich gut, ist hier allerdings in der „heissen“ Live-Atmosphäre nicht perfekt eingefangen. Zuletzt folgt Flanagan, hinter sich die gewohnte Rhythmusgruppe des Trios, das lange Zeit Ella Fitzgerald begleitet hat. Den Out-Chorus führt Eldridge an, das ganze gerät reichlich chaotisch, macht aber Spass.
„Autumn Leaves“, das zweite Stück, dauert exakt 18 Minuten, Terry spielt hier Trompete (sonst Flügelhorn), die Rhythmusgruppe (inklusive Pass) scheint eine Art Arrangement zu spielen, die Bläser verhauen ihren Einstieg aber komplett, schleichen sich leise tastend rein… Eldridge bläst wieder den Lead, Sims umspielt seine Melodie. Carter übernimmt das erste Solo. Terrys Solo wird zunächst nur von Betts Kontrabass begleitet, er spielt mit einem Dämpfer, schnell, verspielt schlägt er Haken… dann folgt Sims, die Rhythmusgruppe kocht inzwischen, sein Tenorsolo beginnt langsam, aber wie immer macht es Freude, seiner Improvisationslust zu folgen. Eldridge fängt ruhig an, um sich – sein bewährtes Mittel – zu steigern, bis er eine Aufregung erreicht, die auf sein Mitmusiker und das Publikum übergreift. Es folgen Pass, Flanagan und Betts.
Eldridge eröffnet den Reigen auf „If I Had You“ mit einem rasanten Solo, zu weiten Teilen in Double Time. Sims folgt, trocken, swingend und doch lyrisch. Terry folgt, mit einem nachdenklichen Solo, dann Carter mit seinem wunderbar singenden Ton. Dann folgt Pass, schliesslich Flanagan mit einem sehr schönen Solo.
Das letzte Stück ist „I Never Knew (That Roses Grew)“, das schnellste und kürzeste des Albums. Terry eröffnet mit einem schönen Solo, gefolgt von Carter, Eldridge und Sims. Pass prägt wieder die Begleitung und flechtet auch mal kurze Linien ein, als Kommentar zu den Solisten. Es folgt ein letzter chaotischer Shout-Chorus.
Ein weiteres Stück, „Sunday“, findet sich auf der Montreux Collection mit diversen Aufnahmen vom Festival 1975. Terry eröffnet den Solo-Reigen, gefolgt von Sims, Eldridge, Carter… schöner Mainstream Jazz mit Platz für verschieden Stile – zum Ende die obligaten Fours mit Durham.
Eine ganz ähnliche Band trommelten Norman Granz und Count Basie im Mai 1976 zusammen, das Resultat waren Basie Jam 2 und Basie Jam #3. Clark Terry, Benny Carter und Joe Pass sind erneut zu hören, zudem Al Grey, Eddie „Lockjaw“ Davis, John Heard und Louis Bellson. Die Atmosphäre ist entspannt und es gibt ausführlich Gelegenheit, die Bläser zu hören, alles ausgeprägte Charakterköpfe und Individualisten. Auch Pass ist solistisch zu hören und dieses Mal ist sein klarer, singender Ton adäquat eingefangen.
„Doggin‘ Around“ (von Herschel Evans, die anderen drei Stücke entstanden wohl spontan im Studio) zieht das Tempo an, „Kansas City Line“ ist mit fast 15 Minuten das längste der Stücke und swingt langsam. Die letzte Nummer ist „Jjjjjump“. Auf dem zweiten Album gibt’s den schnellen „Bye Bye Blues“ mit einem mitreissenden Solo von Lockjaw, den alten Klassiker „Moten Swing“, die Ballade „I Surrender, Dear“ mit wunderschönen Soli, und zum Abschluss den „Song of the Islands“.
Von 1976 stammt dieses Album, von Terrys eigener Big-B-A-D-Band Live! At Buddy’s Place, in New York. In der Band sitzen Musiker wie Frank Wess, Ernie Wilkins, Charles Davis, Chris Woods, Paul Cohen, Richard Williams oder Eddie Bert, die Rhythmusgruppe besteht aus Ronnie Mathews, Ed Soph und Victor Sproles – erstklassig also! Solistisch zu hören sind neben Terry auch Mathews, Richard Williams, das ganze Sax-Register (inklusive des mir sonst unbekannten Saxophonist Dr. Ronnie Oldrich) und immer wieder Chris Woods, der Altsaxophonist, der auch mit Terrys kleinen Combos spielte in jenen Jahren.
Die Musik ist aufregender, moderner Big Band Jazz, irgendwo zwischen den 60er Bands von Woody Herman und Buddy Rich anzusiedeln. Drummer Ed Soph weiss zu überzeugen, er treibt die Band und liefert das Fundament, das jede Big Band braucht. Nach dem rasanten Opener „Modus Operandi“ (comp/arr Ernie Wilkins) folgt Ellingtons „Come Sunday“ (arr. Wilkins), Terry soliert wohl am Flügelhorn, im Ensemble sind auch Flöten zu hören (wohl Wess und Woods). Jimmy Heaths „Gap Sealer“ (arr. Heath) beginnt mit einem Sopransolo von Ernie Wilkins, dann folgt Terry und schliesslich ist noch kurz Charles Davis am Barisax zu hören.
Weiter geht’s mit „Jeep’s Blues“ von Johnny Hodges und Duke Ellington, Chris Woods schlüpft mehr als kompetent in die Rolle von Hodges, spielt mit sattem Sound und genug Eigenem im Spiel als dass das eine blosse Kopie wäre. Auf „Swiss Air“ sind als Soliten Frank Wess mit einem wunderbaren Sopransaxsolo und Richard Williams zu hören, Mathews spielt ein kurzes Piano-Intro, Terry übernimmt den Lead im Thema. Es folgt „Big Bad Blues“, ein neues Stück von Wilkins, in dem Mathews wieder mit einem Intro zu hören ist, später auch Wilkins und Terry, und die ganze Performance über sind Soph und Sproles prominent – eine wirklich hervorragende Rhythmusgruppe!
Das letzte Stück ist Walt Levinskys „Sugar Cubes (Gribbines)“. Mathews spielt ein ausgedehntes Intro, ziemlich Basie-like, nach Terry ist noch einmal Chris Woods zu hören, dann der Posaunist Eddie Bert (ein völlig unterbewerteter, viel zu selten zu hörender Musiker). Ihm folgt ein weiteres Trompetensolo, von Dale Carley. Im Out-Chorus gibt die Rhythmusgruppe nochmal richtig Gas, schöne Big Band Musik ist das, mit kreischenden Trompeten, treibenden Drums und fetten Sätzen, die nie allzu sauber klingen.
--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba