Re: Morrissey Tour 2009

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dennis-blandford
Jaggerized

Registriert seit: 12.07.2006

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First of all: Christoph, toller Bericht auf deiner Seite. Kommen noch Fotos?

Die location der ehemaligen Synagoge u. Zuhause des Tommy Musicals war wirklich famos. Vielleicht sogar der beste Konzert Tempel in dem ich bisher war.
Es war interessant im Vorfeld zu sehen, welche Leute heute ein Morrissey Konzert besuchen. Waren es 1999 im Kölner E-Werk noch zu gefühlten 70% Morrissey lookalikes, sind diese gestern Abend in Offenbach schwer unterrepräsentiert. Leute mit Tolle u. Mozstyle wurden begutachtet wie Ausstellungstücke einer längst vergangenen Zeit (ich kann ein Lied davon singen). Nein, es ist wirklich ein sehr bunte Mischung aus teils recht jungen Leuten, viele zwischen 30-40, den üblichen Dutch & UK Hardcorefans u. optischen freaks (dresscode anno 1992), die sich nur selten vor die Tür zu trauen scheinen.
Natürlich ist für den Eindruck eines Konzerts immer entscheidend wo man steht u. ich hatte mich dieses Mal, entgegen meiner Angewohnheit, entschlossen in der 2-3 Reihe zu stehen. Gut, man musste Doll & the kicks über sich ergehen lassen, die m.E. alles andere als toll waren. Die Attitude der Sängerinn wirkte aufgesetzt u. die Musik ein Ritt durch die aktuelle UK Poplandschaft (u.a. Bloc Party u. Konsorten) bei dem nichts hängen blieb. Macht aber nichts.
Die Interlude Filmchen danach kannte man noch vom letzten Besuch. Eine bunte Mischung aus freaks, Rockern u. Rockabillyheroen + „Lighten up, Morrissey“ von The Sparks, das ja eigentlich Bände spricht. Der circa 20-jährige Vollbartträger neben mir kommentierte die Bildzusammenschnitte von Jobriath mit einem stirnrunzelnden „AHA“!
Dann gings los u. die Stimmung bei „This charming man“ darf gerne mal als hochexplosiv bezeichnet werden. Hätte nicht gedacht, dass ich mit meinen 37 Lenzen nochmal mitgröhlend, schwitzend u. so-etwas-wie-pogend durch die Reihen geworfen werde. Sehr intensiv & wunderbar. Billy Budd hielt die Intensität fast, Black Cloud nicht ganz. Hier merkte man schon den Unterschied zu Smiths Klassikern oder Soloperlen. Aber schon bei Ask war die krude Mischung trendiger Teenies u. Morrissey- u. Smithsvergötterern wieder auf 100%. Es ist u. bleibt ein Geheimnis wie die Songs der Smiths auch heute noch so unheimlich eingängig daherkommen ohne auch nur einen Deut kommerziell zu sein. So ging es weiter Stück für Stück. „Paris“ wurde frenetisch gefeiert ebenso „Some girls are bigger than others“, bei welchem die Band die ursprünglichen Version ziemlich aufpeppte (viel rockiger).
Irgendwann der rituelle Gestus des Hemdwurfes, natürlich nicht bevor der Meister zuvor damit seine Stirn gewischt hat. Die Meute zerreißt sich fast gegenseitig um das Designerhemd. That’s entertainment.
Weitere highlights für mich: natürlich „I keep mine hidden“, das scheinbar nicht jedem geläufig war u. „Irish Blood“ sowie der sagenhafte Rockabilly stomper „The loop“ (die B-Seite von „Sing your life“, wer kennt sie nicht:-)?) bei denen die frontcrowd nochmal so richtig Gas gab. Das etwas grobschlächtige „I’m OK by myself“ schließt die setlist, bevor mit dem obligatorischen „First of the gang“ nochmal kollektives Austicken angesagt ist. Das wars.
Einziger Kritikpunkt natürlich die Songauswahl. Quarry u. Refusal (jdoch ohne die erhofften „Skull“ & „All you need is me“) sind massiv vertreten, während ROTT, Maladjusted u. leider auch Southpaw (kein „Best friend on the payroll“ oder „Reader meets author“) gar nicht stattfanden. Von Vauxhall spielt er regelmäißg nur „Billy Budd“ u. „Why don’t you find out for yourself“. Von den frühen Solojahren gar nicht zu reden.
Sagenhaft auch die Preise am merch Stand. 30-35 € für die T-Shirts u. schnöde 10 € für die 7″ von „Paris“.
Trotzdem:
Bisher mein pers. schönstes & intensivstes Morrissey Konzert. Er selbst ist in Topform, evtl. Sprays waren nirgendwo zu sehen. Es gibt wohl nicht mehr viele Künstler denen das Publikum so aus der Hand frisst wie ihm. Jede kleine Geste, jeder Witz, alles wird aufgesogen u. ist fast immer auch wirklich pointiert.
Viel Spass in Köln, Berlin u. Bremen

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"And everything I know is what I need to know and everything I do's been done before."