Heute erscheint „No Line on the Horizon“, das neue Album der Gruppe U2
von Jens Balzer
Über vier Jahre lang musste die Menschheit auf diesen Tag warten. Jetzt ist es endlich soweit. Heute erscheint das neue Album der berühmten irischen Gruppe U2. Es trägt den Titel „No Line on the Horizon“ und beinhaltet elf Lieder, die den Millionen von U2-Fans in aller Welt sicher wieder sehr gut gefallen werden. Das kürzeste von ihnen dauert 3 Minuten und 25 Sekunden. Das längste ist hingegen erst nach 7 Minuten und 24 Sekunden vorbei. Weil man im Radio von heute nicht gerne so lange Lieder spielt, haben U2 nicht das längste, sondern das kürzeste Lied zur ersten Radio-Single gemacht. Auf dem Cover des Langspielalbums sieht man eine Fotografie des japanischen Meisterfotografen Hiroshi Sugimoto, die einen Horizont zeigt, in dem sich keine Linie befindet. Im Booklet befinden sich hingegen drei Bilder der Band, die von dem niederländischen Meisterfotografen Anton Corbijn aufgenommen wurden. Das neue Album von U2 wurde wiederum zu größeren Teilen in Marokko aufgenommen. Es klingt allerdings keineswegs marokkanisch, sondern bewegt sich wieder stilsicher in jenem Genre, in dem U2 in den letzten zwanzig Jahren so mega-erfolgreich gewesen sind: nordatlantischer Kuschelrock mit sozialkritischen Texten. Während aber andere berühmte nordatlantische Kuschelrocker wie Jon Bon Jovi, Chris Rea oder James Blunt nicht nur niemals so sozialkritisch wie U2 waren, sondern auch musikalisch schon seit langer Zeit auf der Stelle treten, haben sich U2 mit ihrer neuen Platte, die allerdings nicht mehr so sozialkritisch ist wie die letzten, sondern auch viele private Probleme und Erfahrungen des Sängers Bono zum Thema macht, musikalisch noch einmal weiterentwickelt. So spielt der Gitarrist The Edge zwar in vielen Stücken immer noch in seinem markanten, schlittenglockenhaft klingenden Weihnachtsgitarrensound. Doch huldigt er etwa in dem Lied „Moment of Surrender“ mit einem sehr langsamen, verhallten Solo auch einem zu Unrecht vergessenen Gitarrenvirtuosen der Siebzigerjahre: Ricky King. Ältere Leser erinnern sich vielleicht noch an Ricky Kings Auftritte in Rainer Holbes Fernsehsendung „ZDF Starparade“. Rainer Holbe wandte sich in den Achtzigerjahren dann allerdings von der Starparade ab und der Erforschung von Ufos und Grenzerfahrungen zu; seine Sendung „Phantastische Phänomene“, die er mit einem Parapsychologen entwickelt hatte, floppte. Auch U2 behandeln auf ihrem neuen Album einige Grenzerfahrungen. In dem Stück „Magnificent“ versetzt sich sich Sänger Bono beispielsweise an den Ort zurück, an dem er nach eigenen Angaben zum ersten Mal ein Lied gesungen hat: nämlich in der Gebärmutter seiner Mutter. Ein weiteres wiederkehrendes Thema sind Stiefel. In der Single-Auskopplung „Get On Your Boots“ wird eine erotisch anziehende Frau aufgefordert, sich durch das Anziehen von Stiefeln noch erotischer zu machen. In dem Song „Unknown Caller“ heißt es hingegen: „Re-boot yourself“. Die elf neuen Songs sind auch als Doppel-LP mit zwei 180 Gramm schweren Vinylschallplatten erhältlich; die Doppel-LP wiegt also insgesamt 360 Gramm. Wie schon auf ihrer letzten Platte „How To Dismantle An Atomic Bomb“ aus dem Jahr 2004, fordern U2 ihre Hörer im Booklet auch diesmal weiterhin auf, die birmesische Nobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi bei ihrem Kampf für die Demokratisierung Birmas zu unterstützen. Im letzten Song des Albums, „Cedars of Lebanon“, versetzt Bono sich zu schwebenden Keyboardtönen in die Rolle eines Manns, dessen Privatleben über der intensiven Beschäftigung mit weltpolitischen Krisen ganz schön aus dem Tritt geraten ist. Dieser Mann hatte schon seit Jahren keine Frau mehr und ist abends so müde, dass er am nächsten Morgen voll bekleidet erwacht.
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