Re: Keith Jarrett

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kory

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vorgartenwelche farbe hat keith jarrett?

die kultur/“rassen“(traut man sich im deutschen ja aus guten gründen kaum zu schreiben)/traditionen-frage ist natürlich reine konstruktion – und trotzdem hat sie konsequenzen gehabt und den jazz immer begleitet. musik entsteht ja nicht im vakuum, sondern ist von sozialen, öknomischen, politischen fragen durchzogen und beeinflusst. segregation, vermarktung, ausbeutung, netzwerke etc. – man weiß das ja alles.
jetzt kann man das ganze fortschrittlich ignorieren und glauben, dass sich das letztlich nicht in der musik niederschlägt – oder aber hinsehen und untersuchen, wie und wann diese außermusikalischen diskurse in die musik einfließen oder ins spiel gebracht werden.
thomas meinecke hat über diese kostruktionen in der popmusik einen schönen roman geschrieben: HELLBLAU. da geht es – ähnlich wie im fall jarrett – auch um jemanden, der in den hautfarben-diskursen völlig uneindeutig ist: mariah carey.

Gut, das Musik (und Kunst ganz allgemein) „von sozialen, öknomischen, politischen fragen durchzogen und beeinflusst“ ist, steht ja völlig außer Frage. Und gerade weil das im Grunde selbstverständlich ist, nerven mich Diskussionen der „Doch!“ -„Nein!“ – „Do-hooooch“ -„Naa-haaaaain“ tierisch an. Ich verstehe Dein Interesse zu dem Thema, aber ich tausche mich – gerade in Internetforen – nicht gerne darüber aus. Du siehst ja, mit welchen haarsträubenden Vorwürfen man umgehend konfrontiert wird….

ECM: ich habe mir kürzlich endlich „Holon“ von Nik Bärtsch gekauft, der seine Musik ja seit 2 Jahren bei ECM veröffentlicht. Seine Alben sind gewissermaßen die Ausnahme, weil mich die auf dem Label sonst präsentierte Musik wirklich nicht mehr juckt. Das ist für mich alles eine Soße, angefangen bei der Coverästhetik (das kann doch mittlerweile echt keiner mehr gut finden oder auch nur auseinanderhalten, oder?), über den warmen, puren Eichner-Sound, bis hin zur generellen stilistischen Ausrichtung der Musik. Als ich angefangen habe, Jazz zu hören, also etwa vor drei Jahren, mochte ich das Label eigentlich ganz gerne, weil ich als Einsteiger sonst nicht viel kannte und ich mich erst mal an den Sachen entlanghangelte, bei denen es im Grunde klar war, was mich erwartete. Nach einer Weile wurde die Redundanz des ganzen Aufbaus aber so deutlich, dass ich praktisch schon einnickte, wenn ich nur die Albencover sah und seitdem bin ich mit dem Thema eigentlich durch.

Ich möchte damit niemandem zu nahe treten, ECM ist sicherlich ein großes und wichtiges Label, das auch ganz bestimmt toll für seine Künstler sorgt. Darum geht’s mir aber auch gar nicht…ich schreibe das lediglich aus der Sicht eines Hörers, der nach spätestens drei gleichklingenden Alben das Weite sucht. Gut, mit der Argumentation könnte man mich jetzt auch auf eine ausbleibende Antwort zu der Frage „Und was ist dann mit Blue Note, Purche?!“ festnageln, aber ich sehe nur wenig Zusammenhang zwischen der allgemeinen Präsentation von Musik bei ECM und bei Blue Note. Kann aber auch daran liegen, dass mir die Musik bei letztgenannten einfach, äh, besser gefällt. Ganz simpel.

„Holon“ ist trotzdem ein gutes Album. ;)