Re: Lieder ohne Worte – Delias Kreis der Davidsbündler

#5893927  | PERMALINK

claraschumann

Registriert seit: 04.01.2007

Beiträge: 3,860

15. Felix Mendelssohn Bartholdy – Violinenkonzert in e-Moll Op. 64

Doch, doch, der Thread lebt noch.

Letzten Samstag haben die stone.fm-Hörer dieses Werk gehört, heute nun endlich der Text dazu. :-)

„Die Deutschen haben vier Violin-Konzerte. Das großartigste, kompromissloseste ist das von Beethoven. Das von Brahms wetteifert mit jenem bezüglich der Ernsthaftigkeit. Das reichhaltigste, das verführerischste wurde von Max Bruch geschrieben. Doch das inwändigste, das Juwel des Herzens, ist das von Mendelssohn.“

So sprach Joseph Joachim an seinem 75. Geburtstag über das letzte große Orchesterwerk seines bereits knapp 60 Jahre zuvor viel zu früh verstorbenen Mentors Felix Mendelssohn.

1838 hatte dieser seinem engen Jugendfreund Ferdinand David versprochen, ihm ein Violinkonzert zu widmen, doch die Arbeit daran sollte sechs Jahre verschlingen und erst 1845 kam es zur Uraufführung. Weil Mendelssohn zu dieser Zeit schon von Krankheiten gezeichnet war, konnte er nicht selbst dirigieren und der dänische Komponist Niels Gade übernahm diese Aufgabe.
Vom Aufbau her klassisch dreisätzig und einer durchschnittlichen Spieldauer von einer halben Stunde war das Konzert ein sofortiger Erfolg beim Publikum und behält seinen Ruf als beliebtestes und meistgespieltestes Violinkonzert bis heute bei.
Mittlerweile gilt es nun als Standardwerk, dessen sich jeder ambitionierte, angehende Starviolinist mit Freuden annimmt, was dann zu folgendem führte:

„Es wurde von so vielen Leuten niedergemetzelt und falsch gespielt, dass es Zeit wird, dass sich jemand für den Komponisten stark macht“, erklärt Violinist Vincent Skowronski, „dies ist kein Fußball- oder Hockeyspiel. Es ist ein sehr schönes Stück Musik. Mendelssohn war ein sehr feiner, gelehrter Komponist, kein Zerstörer oder Schläger. Selbst sein Körperbau war fein. Alles was er schrieb war fein. Warum also dieses Werk so verrohen?“

*

Der geflügelte Satz „Diese Musik wurde ermordet“ kam jedoch in einem weitaus schlimmeren Zusammenhang auf, als der Ruf des Musikers trotz oder gerade wegen seines Erfolges bereits zu Lebzeiten und besonders posthum Diffamierungen ausgesetzt war.
Von Robert Schumann als „der Mozart des 19. Jahrhunderts“ betitelt, von Ferdinand Hiller als „Lichtgestalt“ und selbst von Wagner noch anfänglich für seine Hebriden-Ouvertüre bewundert (später dann beneidet), unterlag seine Reputation doch einem stetigen Wandel bis im November 1936 in einer Nacht und Nebelaktion seine Gedenkstatue vor dem von ihm selbst einst gegründeten Leipziger Konservatoriums abgerissen wurde.

Von Anfang an unterschied Felix Mendelssohn sich klar von den anderen Vertretern der Romantik, alleine schon durch die bereits von Skowronski hervorgehobenen Merkmale.
In seiner Musik zeichnet er sich vorallem in einer formalen Klarheit und Hinwendung zur Harmonie aus, seine Melodiösität steht im zeitgenössischen Kontext klar in Opposition zu der Sturm und Drang-Phase des jungen Schumann und den revolutionären Bestrebung etwa von Chopin oder Berlioz und den Neudeutschen im Allgemeinen.
1851 erschien das Pamphlet „Das Judentum in der Musik“ und an einer Stelle wird direkt auf Mendelssohn Bezug genommen. Was „der gebildete Jude” auszusprechen habe, „wenn er künstlerisch sich kundgeben” wolle, könne „nur das Gleichgültige und Triviale sein, weil sein ganzer Trieb zur Kunst ja nur ein luxuriöser, unnötiger” sei.
Langsam begann die Demontage indem die Musik des Komponisten als seichte Salonmusik ohne Tiefgang, die Weichlichkeit und Sentimentalität ausdrückt, eine Rezeption, die in den Gründerjahren des jungen Kaiserreiches und dem aufkeimenden Nationalismus „natürlich“ auf fruchtbaren Boden fiel.

Was nun am Ende des Irrsinns übrigbleibt, ist einzig und alleine die Musik.
Wie es um sie steht?
Die Musik Felix Mendelssohns ist von erhabener Schönheit und Größe, die nur Taube mit Befindlichkeiten verwechseln. Sie war für die Spätphase des 19. Jahrhunderts nicht gemacht, genauso wie sie für überhaupt keine Zeit und ihre wie auch immer gearteten kulturellen Präferenzen steht.
Sie bleibt ein Individuum, das für nichts anderes als sich selbst steht, und genauso wie schlichtere Gemüter dies als ihren Schwachpunkt ansehen müssen, durch den sie zum blosen „schönen Zwischenfall“ degradiert würde, wird sie in eben dieser Position tatsächlich immer wieder oben auf bleiben.

In diesem Sinne auf den bevorstehenden 199. Geburtstag am 3. Februar! :-)

Als Aufnahme habe ich eine mit Emmy Verhey und dem Budapest Symphony Orchestra unter Arpad Jóo, die auf einem Best-Of-Mendelssohn erschienen ist.

Mit drauf sind auf diesem 2-CD-Paket auch noch die Italienische Sinfonie, das Pianokonzert Nr. 1, das Pianotrio Nr. 1, das Streicheroktett op. 20 und das Te Deum.

Erster Satz:
Teil 1
Teil 2
Gesamt:
I. Allegro molto appassionato, Teil 1
Teil 2
II. Andante
III. Allegro molto vivace

--