Re: Paul Weller – Hamburg 19.09.07

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marbeck
Keine Lust, mir etwas auszudenken

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Review aus den Kieler Nachrichten:

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An der Seite des Modfathers

Zwischen Wirbelsturm und flauschiger Eleganz: Paul Weller. Foto Schwarz

Hamburg – Drei Männer demonstrieren an einem Abend, wie belanglos Frisuren sein können. Dirk Darmstädters Pisspott-Schnitt macht ihn im Vorprogramm in der Hamburger Laeiszhalle als Ex-Jeremy-Days-Sänger wieder erkennbar, sein akustisches Œuvre dadurch nicht spannender. Dann brandet Jubel unter den 1000 Anwesenden auf und Paul Weller (Zotteln, Strähnen, unmöglich) und Gitarrist Steve Cradock (Typ Pub, Kurzhaar) betreten die Bühne.
„Variations On A Dream – An Acoustic Evening Of Varied Music“ heißt das Motto des Abends, Wellers Fransen wehen und mit Savages von Wellers jüngstem Solo-Album As Is Now (2005) gibt das kongeniale Duo die Richtung vor. Der 49-jährige Ur-Ahn des Britpop und sein langjähriger Weggefährte Cradock (Ocean Colour Scene) bringen die Nuancen von Wellers Songs zum strahlen, akzentuieren mehr, als den kraftvollen Stücken das Rückgrat aus dem Leib zu reißen. Dabei übernimmt Weller an der Akustikgitarre den Rhythmus-Job, während Cradock an Akustik- und E-Gitarre atemberaubende Arbeit leistet – nie aufdringlich, in Anschlag und Timing adäquat, im Improvisationsdrang dem Gegenüber stets blind vertrauend.
Selten kulminiert das Spiel so synchron und auf schöne Weise harsch zu einem Gebilde wie Into Tomorrow, ein Song wie ein Wirbelsturm. Um dann wieder in flauschiger Eleganz ( The Start Of Forever) zu prickeln. Wellers Solo-Werk, im Schwerpunkt As Is Now, bildet den Kern, umso mehr werden Lieder von The Jam gefeiert: Shopping, English Rose oder die famos hallende B-Seite The Butterfly Collector. An Mellotron und Klavier macht das Gespann eine nicht ganz so gute Figur wie an den Saiten, was den coolen Hund Weller nicht davon abhält, Cradock anschließend für einen Song das Feld zu überlassen und sich rauchend am Bühnenrand des Lebens und womöglich auch der anwesenden Frisur-Epigonen zu erfreuen.
Weller bleibt der Modfather, dessen Understatement auch im dunklen Vierknopf-T-Shirt nicht verblasst. Einer, der einen heimlichen Star neben sich duldet: Cradock, der bei I Wanna Make It Alright per E-Bow auf der Elektrischen den Charme von Streichern entwickelt. Der zupft und zürnt, klopft und drängt, zurücksteht und tröpfeln lässt. Out Of The Sinking, dieser göttliche Britrock, den sich Gallagher eins und zwei später mit Oasis zum Vorbild nahmen, um ihn dann gegen den Baum zu fahren, und das abschließend rockige Come On/Let’s Go bilden nach 90 Minuten die Höhepunkte von insgesamt sechs Zugaben. Im gediegenen Auditorium stehen sie dann einfach auf. Rob beispielsweise, der extra aus Birmingham kam, nach Amsterdam reiste und sein Idol auf der Tournee weiterverfolgen will. Rob, der aussieht wie ein Banker in Bügelfalte, der Wellersche Fransen auf dem Kopf trägt. Er reißt die Arme hoch und schreit: „Paul Welleeeeeer!“. Und dann ist wieder einmal alles gesagt in Zeiten, in denen Bands wie die Arctic Monkeys zur Zukunft des Britrock erklärt werden.
Von Tamo Schwarz

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