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Metallica – Metallica (1991)
Das Jahr 1991 war für einen damals Dreizehnjährigen wie mich, der erst seit einigen Monaten Gefallen an Musik im Allgemeinen und drückenden Gitarren im Besonderen gefunden hatte, sicherlich ein tolles. Nirvana traten aus dem Schatten ins Rampenlicht und strichen mit „Nevermind“ innerhalb weniger Monate unzählige lustig bemalte Rock Bands aus dem kollektiven Gedächtnis der Musiklandschaft. Guns n’ Roses – die damaligen Idole vieler pubertierender Jungs – trieben ihre herrlich skandalträchtige Karriere mit ihren überambitionierten „Use Your Illusion“-Alben auf die Spitze, nur um kurze Zeit später zu implodieren. Und Metallica, eine der stilbildenden und beliebtesten Bands des harten Sektors, veröffentlichten mit ihrem „Schwarzen Album“ eines der schillerndsten Metal-Alben überhaupt. Trotzdem oder gerade aus diesem Grund ist es bis heute das kontroverseste und meistdiskutierte. Niemals zuvor und auch niemals danach hat ein Album die Metal-Szene derartig gespalten. Doch worin lag die Brisanz dieses Albums?
Nun, am Album selbst kann es eigentlich nicht gelegen haben. Sicher, als bekannt wurde, dass Metallica die Scheibe unter der Anleitung von Produzent Bob Rock, der sich bis dahin durch seine Arbeit mit Bands wie Mötley Crüe einen Namen gemacht hatte – einspielen würden, war die Skepsis groß. Doch als das Album erschien zeigte man sich angesichts seines perfekt gestylten, wuchtig-harten Sounds allseits angetan. Auch die Songs wussten, obwohl sie mit den verschachtelten und thrashigen Kompositionen der Vorgänger-Alben nicht sonderlich viel gemein hatten, durchaus zu überzeugen. Nummern wie das treibende „Enter Sandman“, das düster groovende „Sad But True“ oder das orientalisch angehauchte „Wherever I May Roam“ waren bei aller neu entdeckten Simplizität perfekt auf den Punkt komponiert und ebenso arrangiert. Auch Metallicas Ausflüge in das Reich der Balladen – häufig ein Stolperstein für all zu Pathos-Verliebte Metal-Bands – wussten zu überzeugen. Sowohl „The Unforgiven“ als auch das größtenteils mit cleanen Gitarren eingespielte „Nothing Else Matters“ umschifften elegant jeglichen Kitsch und offenbarten einmal mehr die herausragende kompositorische Klasse der Band. Mit dem vertrackten, auf einem eleganten Basslauf basierenden „My Friend Of Misery“ zeigte die Band außerdem, dass sie die vorangegangenen Alben nicht wirklich vergessen hatte. Bei all dieser Güte war es durchaus zu verschmerzen, dass sich ausgerechnet mit dem abschließenden „The Struggle Within“ ein doch vergleichsweise banaler Song auf dem Album versteckte. Qualitativ gab es am „Schwarzen Album“ also nichts zu meckern und trotzdem wollte eine nicht kleine Fraktion von Fans fortan von der Band nichts mehr wissen. Warum bloß?
Nun, Metallica erspielten sich mit ihren ersten vier Alben eine mehr als eingeschworene Fan-Basis und galten als eine der beliebtesten und – ganz wichtig! – ehrlichsten Bands der Szene. Hetfield & Co. pfiffen auf kompakte, offensichtlich eingängige Songs und verweigerten sich einem Großteil der gängigen Vermarktungsmechanismen der Musikindustrie. So drehte die Band beispielsweise für ihre ersten drei Alben keine Videoclips. Dies änderte sich erst mit dem auf dem vierten Album „…And Justice For All“ enthaltenen Song „One“. Doch angesichts der beklemmenden Thematik der Nummer und der entsprechend kargen Gestaltung des Clips durch nüchterne Schwarz-Weiß-Aufnahmen der Band und bedrückende Ausschnitte des Films „Johnny Got His Gun“ war der Flirt mit dem damals ungeliebten Medium Videoclip schnell verziehen. Umso größer dann das Unverständnis bei vielen Anhängern, als Metallica mit der Veröffentlichung des „Schwarzen Albums“ vermarktungstechnisch aus den Vollen schöpften und so routiniert wie keine Metal-Band zuvor die Medien-Klaviatur bedienten. Perfekt inszenierte Videos zu jeder Single und eine massive Präsenz auf MTV waren von nun an die Normalität. Mit einem Schlag war eines der wichtigsten Aushängeschilder der Szene, eine der wenigen Konsensbands, zu einem Bestandteil des verhassten Mainstream geworden und fand Unglaublicherweise auch noch Gefallen daran. Darüber hinaus witterten im Sog des gigantischen kommerziellen Erfolgs der Band auch andere Szene-Lieblinge wie Megadeth und Testament ihre Chance, entdeckten plötzlich ihr Faible für kompakte, eingängige Songs und versuchten so ebenfalls ein kleines Stück des großen Kuchens zu ergattern. „Verrat!“ und „Ausverkauf!“ hallte es dementsprechend sofort aus diversen Ecken der Metal-Szene, die sich immer wieder gerne selbst für ihre (angebliche) Ehrlichkeit auf die Schulter klopft. Noch immer sind diese Vorwürfe zügig zu vernehmen, wenn Metallica als Gesprächsthema aufkommen. Die Nachwirkungen des „Schwarzen Albums“ sind dementsprechend auch knapp 17 Jahre später noch deutlich zu spüren. Allerdings muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass die Band selber in der zweiten Hälfte der 90er mit ihren „Metal ist tot“-Tiraden zusätzlich Öl ins Feuer goss und so dafür sorgte, dass die Diskussionen nie so recht im Sande verlaufen wollten.
Für die Entwicklung der Band war das „Schwarze Album“ ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite beförderte es Metallica mit seinen über 35 Millionen verkauften Einheiten in kommerzielle Sphären, wie sie nur wenigen Künstlern vergönnt sind und machte die Band in der Folgezeit zu einer der größten der Musikgeschichte. Andererseits stürzte es die Band in eine künstlerische Identitätskrise, die sie bis heute nicht überwunden hat. Die insgesamt eher müden, vom Mitte der 90er angesagten Alternative Rock beeinflussten, Scheibchen „Load“ und „Reload“, das mäßig interessante Cover-Album „Garage Inc.“ und das als missraten zu bezeichnende Orchester-Experiment „S&M“ lassen zu jeder Sekunde das Feuer der ersten fünf Alben vermissen. Dieses ist erst seit dem letzten Studio-Album „St. Anger“ wieder zu spüren, doch was hilft wieder entdeckte rohe Energie, wenn die Kreativität fehlt, diese in tollen Songs zu bündeln? Es bleibt abzuwarten, ob die großspurig angekündigte Kooperation mit Produzent Rick Rubin dabei hilft, das neu gefundene Selbstbewusstsein in ein stimmiges Album zu überführen oder ob die Meinung all der Fans, die das „Schwarze Album“ als den Anfang vom Ende sehen, erneut bestätigt wird.
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