Re: Mikkos LP Faves

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mikko
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Kid Loco – Kill Your Darlings (2LP, Yellow Productions, France 2001)

Ich muss zugeben, ich wurde auf dieses Album zunächst durch das Cover aufmerksam. Und dann landete die Single „A Little Bit Of Soul“ auf der Playliste meines Heimatsenders. Und ich mochte diesen Song, diese Single. Ich mag sie immer noch. Und auch das ganze Album bietet sehr entspannte, groovige Musik, zwischen TripHop und Mazzy Star, zwischen Velvet Underground und Lounge Pop. Das klingt merkwürdig, ich weiß. Ok, Louise Quinn (von der schottischen Band Quinn) hat nicht ganz die engelsgleiche Stimme von Hope Sandoval, doch ist eine Ähnlichkeit unüberhörbar. Louise singt allerdings auch längst nicht bei allen Tracks des Albums. Der Engländer Tim Keegan (u.a. Departure Lounge) singt etliche Stücke. Außerdem spielt er Gitarre. Louise singt dann die Backings. Die Platte hat eine überwiegend lethargische laid back Atmosphäre. Der Rhythmus wird gerne etwas verschleppt, die Orgel, die Gitar-ren und andere nicht so leicht identifizierbare Instrumente grooven dahin. Songtitel wie „Three Feet High Reefer“ oder „Gypsie Good Time“ sprechen für sich. Bei „Here Come The Munchies“ wird es sogar fast rockig. Wobei das eher so ein Rock ist wie in The Jesus & Mary Chain meet Canned Heat, komplett mit Mundharmonika und verzerrtem Bluesgitarrenriff. „I Can’t Let It Happen To You“ ist ein Song aus der Feder von John Maus und also ein Cover der Walker Brothers. „Going Round In Circles“ ist dann eher Club Musik mit einem gewissen Feeling von Rave und Psychedelia. Der letzte Track „I Want You“ führt zurück zu Singer / Songwriter Traditionen. Kid Loco heißt eigentlich Jean-Yves Prieur und ist ein französischer Elektronik Musiker und Produzent. Er hat unter seinem weiteren Pseudonym Kid Bravo die Songs zusammen mit Tim Keegan geschrieben, die Arrangements erdacht und die Platte produziert. Eine feine, eine abwechslungsreiche und sehr hörenswerte Platte. ****

Morgan – Organized (LP, Source, UK 2000)

Auf diese Platte wurde ich wieder aufmerksam gemacht durch einen Plattenladen Lobbyisten aus Bensheim. In dessen Liste seiner Lieblingsplatten, die im Forum des deutschen Rolling Stone veröffentlicht wurde, steht die LP ganz oben. Grund genug sie mal wieder aus dem Regal zu ziehen und aufzulegen. Dunkel konnte ich mich erinnern, dass mir die Scheibe schon bei ihrem Erscheinen im Jahr 2000 positiv auffiel. Irgendwie geriet sie dann jedoch in Vergessenheit. Wie das so ist mit Platten, die weder zum allgemeinen Kanon gehören, noch in der eigenen Wertschätzung soweit vorne liegen, dass sie ständig neben dem Plattenspieler stehen. So viel zur Einleitung. Die Musik hier ist zeitloser Sixties informierter Britpop, der trotzdem eher frisch und überhaupt nicht retro klingt. Hammondorgel, diverse Gitarren, einfallsreiche Perkussion, viel Groove und sehr schöne Melodien, sowie teils überraschende Arrangements machen das Ganze zu einem nie langweiligen Hörerlebnis. Morgan, das ist eigentlich Morgan Nicholls aus London, der Sohn von Billy Nicholls. Ja, dieser Billy Nicholls, der 1968 eine LP für Immediate aufnahm, die heute zu den seltensten und teuersten Artefakten der psychedelischen Ära gehört. Vater Nicholls ist übrigens als Gast bei ein paar Tracks hier dabei. Morgan Nicholls spielte in den Neunzigern jahrelang in der Band The Senseless Things, einer Britpunk und Rock Band, die sich an den Ramones, The Dickies und Mega City Four orientierte. Nach Auflösung der Band gegen Ende der 90er begann Morgan, allein im Studio an Songs und Songschnipseln zu werkeln. Dabei schlug dann auch sein musikalisches Erbe durch. Schließlich erstand er über Beziehungen die Hammondorgel von Pete Townshend, die fortan sein Hauptinstrument wurde. 1999 erschien eine Single „Miss Parker“, die Morgan noch ganz allein im Studio zusammengeschraubt hatte. Darin gesampelt ist ein Rap von Morgans Bruder William, der sich über seine Erdkundelehrerin Miss Parker auslässt. Eine weitere Single „Soul Searching“ erschien noch im selben Jahr. Sehr am Stax Sound orientiert, aber auch mit ein paar „modernen“ Facetten. Das Album wurde dann mit diversen Gastmusikern mehr oder weniger live im Studio aufgenommen. Die ganze Familie Nicholls (Vater, Bruder, Schwester, Kusine) ist beteiligt, aber z.B. auch Pete Townshend am Bass bei einem Stück. Gastsänger und -sängerinnen sorgen für Vielfalt und Abwechslung. Gegen Ende wird die Platte übrigens einerseits verspielter, psychedelischer, wenn man so will. Andererseits klingt manches auch recht modern, von Triphop inspiriert. Insgesamt ist „Organized“ sicher nicht die beste Platte aller Zeiten, aber ein durchaus kurzweiliger, inspirierender Hörgenuss. ****



Kari Peitsamo ja Ankkuli – Jatsin Syvin Olemus
(LP, Svart Records 2014 / Love Records 1977)

Das finnische Label Svart Records bringt nicht nur neue Platten junger Bands und Musiker in erstaunlicher stilistischer Vielfalt raus. Neuerdings erscheinen auch diverse Klassiker der finnischen Rock Geschichte remastert und in limitierter Auflage neu auf Svart. So auch das Debütalbum von Kari Peitsamo. Peitsamo wurde 1957 in Nokia, einer Kleinstadt westlich von Tampere, geboren. Damals stellte man dort noch Gummistiefel her, keine Mobiltelefone. Sein Debüt fiel zusammen mit dem Entstehen einer finnischen Punk und New Wave Szene. Allerdings zählte er sich selbst wohl nie dazu, und seine Musik hat auch mit Punk so direkt nichts zu tun. Eher schon kann man ihn mit Jonathan Richman vergleichen. Peitsamos Debüt enthält 20 Tracks. Alle recht kurz, schlicht instrumentiert, aber absolut auf den Punkt. Gleich der Opener war Peitsamos erster und größter Hit, „Kauppaopiston Naiset“ (die Frauen aus der Wirtschaftsschule). Ein absolut eingängiger Rock’n’roll Song, der auch heute noch in Finnland im Radio gespielt wird. In „Uskon Beatleksiin“ (Ich glaube an die Beatles) wird der Protagonist von seiner Freundin verschmäht. Aber es stört ihn nicht weiter, denn die Beatles werden eines Tages vom Himmel herabsteigen und der Welt den Frieden bringen. Im Titelsong des Albums „Jatsin Syvin Olemus“ geht es um die tiefe Bedeutung der Jazzmusik, die darin besteht, dass es keine gibt. Die Texte sind oft dadaistisch und von ironischen Wortspielen geprägt. Wer kein Finnisch versteht kann sich an den eingängigen Melodien und der schlicht prägnanten Rock’n’Roll Musik erfreuen. In Trio Formation werden Bass, Gitarre und Schlagzeug zum Teil auch ohne elektrische Verstärkung gespielt. Das erinnert tatsächlich sowohl an The Modern Lovers, aber auch an das deutsche Trio aus Großenkneten. Die Band hier besteht neben Peitsamo aus den Begleitmusikern des finnischen Sängers und Songwriters Juice Leskinen, der auch selbst als Backgroundsänger mit dabei ist. Und das Songwriting von Kari Peitsamo orientiert sich hier auch noch zum Teil am großen Vorbild Juice. Das Albumcover wurde vom in Finnland sehr bekannten Grafiker und Cartoonisten Juho Juntunen gestaltet. Trotz seiner 20 Tracks bringt es das Album nur auf eine Gesamtspielzeit von 36 Minuten und 14 Sekunden. Die Hitsingle „Kauppaopiston Naiset“ besitze ich seit Jahren. Dieses Album habe ich aus mir selbst unerklärlichen Gründen bisher immer stehen lassen. Das hat sich nun geändert. ****

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Twang-Bang-Wah-Wah-Zoing! - Die nächste Guitars Galore Rundfunk Übertragung ist am Donnerstag, 19. September 2019 von 20-21 Uhr auf der Berliner UKW Frequenz 91,0 Mhz, im Berliner Kabel 92,6 Mhz oder als Livestream über www.alex-berlin.de mit neuen Schallplatten und Konzert Tipps! - Die nächste Guitars Galore Sendung auf radio stone.fm ist am Dienstag, 17. September 2019 von 20 - 21 Uhr mit US Garage & Psychedelic Sounds der Sixties!