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Das Faszinierende der Sinfonik Gustav Mahler’s besteht für mein Empfinden in der enormen Spannweite von der ‚Ersten‘ bis zur ‚Neunten‘. Fußt er in der
‚Ersten bis Vierten‘ pauschal gesagt noch ehrfürchtig in der Romantik des seinen 19.Jahrhunderts, bilden insbesondere die ‚Fünfte‘ und ‚Sechste‘ plötzlich nahezu damit abrechnende Monumente fatalistischen Ausmaßes in einer teils aggressiven Tonalität, die bis dahin in der Sinfonik unerhört war (siehe die 3-fache, niederschlagende Anwendung eines Hammers im IV. Satz der ‚Sechsten‘). Vom ‚Romantiker‘ wandelt er sich hier zum dramatischen, um Existenzfragen ringenden ‚Methaphysiker‘ (so sagte er selbst von sich) seiner Epoche, der keine Rücksicht mehr auf Wohllaute nimmt. Ich stimme allen zu, die nicht mit ‚allem‘ von Mahler etwas anfangen können. Hierzu gehört für mich die ‚Siebente‘. Von ihr bleibt mir bis heute nur der erste Satz wirklich schlüssig.
Die ‚Achte‘ einmal beiseite gelassen, zitiere ich zur ‚Neunten‘ am besten
Alban Berg (1912): „…der erste Satz ist das allerherrlichste, was Mahler geschrieben hat. Es ist der Ausdruck einer unerhörten Liebe zu dieser Erde,
die Sehnsucht im Frieden auf ihr zu leben, sie, die Natur noch auszugenießen,
bevor der Tod kommt. Denn er kommt unaufhaltsam……..“.
Erwin Ratz schrieb noch 1960 zu Mahler: „Er stand an einem entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte der Menschheit, die naturgemäß auch in der
Musik seine Wiederspiegelung fand……….“.
Man bedenke, daß Mahler 1911 im erst 51. Lebensjahr einer Krankheit erlag, die heute heilbar ist. Zum Fragment der ‚Zehnten‘ sagte Schönberg noch 1913: „Es scheint, als dürfe niemand über die ‚Neunte‘ hinaus, als könne uns
etwas gesagt werden, das wir nicht wissen sollen“. 1 Jahr später brach der
verheerende 1.Weltkrieg aus.
Zu Schostakowitsch: gänzlich anders als Mahler geriet dieser geniale Sinfoniker bekanntlich frühzeitig und ‚lebenslänglich‘ in die totalitären Mechanismen des Stalinismus, d.h. konnte mitnichten seine Kreativität als
„Freidenker“ entfalten. Seine komplex eingesperrte Sinfonik birgt in sich die Gewalten der geistigen Unterdrückung – und knüpft daher durchaus da an, wo Mahler aus dem Leben gerissen „endete“; nur eben ausgesetzt den unentwegten Mechanismen des Staatsterrors, den Mahler zu seiner Zeit (abgesehen die antisemitischen Ressentiments) so nicht erlebte.
Von nicht vergleichbaren, inneren Spannungen geladen, gehören Mahler und Schostakowitsch nicht grundlos zu den letzten und bedeutendsten Sinfonikern der Musikgeschichte des zurückliegenden 20.Jahrhunderts.:liebe_2:
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