Re: Gustav Mahler

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napoleon-dynamite
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Na ja, mehrjährige Hörpraxis schafft eigentlich keine Dogmen, wohl aber Klangvorstellungen. Jede weitere Aufnahme (sind mittlerweile doch recht viele) ergänzt sich zu einem Bild von Mahlers Musik und schafft so etwas wie ein Idealbild, aber auf der Basis von immerwährendem Vergleich, nicht eigener fixer Vorstellungen. Sonst kann ich mir auch die Gesamtausgabe von Rattle (bald ist es soweit) kaufen und sie für „richtig“ halten. Der gängigen heutigen Hörgewohnheit wäre sie jedenfalls adäquat.

Walters Aufnahme hat einen tonal sehr runden Ton, besonders bei den Bläsern, das erinnert mich dann sehr wohl an eine Herleitung von Wagner. Was aber ihr fehlt ist das rhythmische Übermaß Mahlers. Alleine im ersten Satz brodelt es doch nur so über, das läßt sich dann doch nicht einfach so fein säuberlich aneinanderhängen. Bei Mahler irritieren sich Motivie gegeneinander, zeigen sich nicht mit sich selber und einander verträglich. Die „Auferstehung“ ist kein Schritt für Schritt in die Erlösung, sondern bricht schon mal zwischendurch kräftig mit der Welt und den eigenen Gedanken. Was ist mit der Menge an Walzern und jüdischem Volkslied, die auch in der zweiten Symphonie auftauchen (und erst recht in der ersten, wo sie von Walter einfach nur ausgebürstet werden)? Was weiß Walter mit dem letzten Satz anzufangen? Ist doch auch gesanglich recht schwach. Für eine unaffektierte und unprätentiöse Aufnahme würde ich eher Scherchen empfehlen.

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A Kiss in the Dreamhouse