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Den Diskussionen hier im Forum und in Berlin über die „missratenen“ Stones-Alben nach „Exile“/“Some Girls“/“Beggars Banquet“/“Aftermath“ (Nichtzutreffendes streichen um sich persönlich angesprochen zu fühlen) möchte ich die folgenden Zeilen hinzufügen – Vorschlag zur Augenschonung: Ausdrucken und offline lesen – ich habe es auch offline geschrieben!
Im Januar 1979 beschlossen die Stones der 78er USA-Tour im folgenden Jahr doch keine Europatournee folgen zu lassen und statt dessen gleich die Arbeiten an einem neuen Album aufzunehmen. Aus den Pariser Sessions ’77/’78 waren noch einige Songs übrig, die nicht auf „Some Girls“ gelandet waren.Als Studio wählte man erneut die Pariser Pathé Marconi Studios, weitere Aufnahmen wurden in den Compass Point Studios auf den Bahamas und im New Yorker Electric Ladyland gemacht.
Und wie sah’s aus? Nun, die 70s waren so gut wie zuende, Keith einigermaßen über den Berg, trotzdem schwang Mick noch ganz klar das Zepter. Punk war schon wieder tot, Disco und New Wave, Reggae und Rock’a’Billy-Revival. Der Erfolg von „Miss You“ motivierte Jagger zu weiteren Schritten in diese Richtung. „Emotional Rescue“ wird nach „Black and Blue“ zum groovigsten Album der 70s, die stilistisch mit vom Country beeinflusstem Bluesrock angefangen hatten und im Verlaufe des Jahrzehnts mal mehr in die eine oder andere Richtung oszilierten.
Schau’n wir uns die Songs mal an:1. „Dance“ – ist in diesem Jahr auf den Theatre-Shows zum erstenmal live gespielt worden! Ein Snare-Schlag von King Charlie, die Band groovt los und Jagger erzählt erst mal einen… So hat noch nie eine Stones-Scheibe angefangen. „Get up – get out! Into something new! Oooh – and it’s got me mooving!“ Mehr Soulfloskeln als ein Songtext, aber als Einstieg toll. Musikalisch finde ich die Stones auf diesem Track noch besser als auf „Miss you“ Tolle Gitarrenlicks, funky Bassläufe von Wyman, Bläser, Orgeln – alles da. Leute, die die Stones lieber als Country-Bluesrock-Band mögen (68-72) werden damit nicht glücklich. Wer allerdings behauptet: „Das sind doch nicht mehr die Stones!“ – dem sei entgegnet, dass die Stones in den Mid-60s noch viel souliger waren und der ganze Country-Einfluss erst mit Beggars Banquet auftauchte. Soll ja aber Leute geben, die Country dem Soul vorziehen – Geschmackssache. Für die gibt’s jetzt was rockiges:
2. „Summer Romance“ – Ein Keefintro, der Bass (von Woodie gespielt) setzt wahnsinnig druckvoll ein und die Rock’n’Roll-Maschine rast los. Jagger gibt mal wieder den Frischfleisch verschlingenden Chauvi – „Stray cat blues“-revisited! Die Gitarren werfen sich die Riffs und Licks blind zu – das war es, was Keith ‚two guitars – one sound‘ nannte! Unverständlicherweise nie live gespielt, für diesen Song würde ich jede Liveversion von „It’s Only Rock’n’Roll“, „All down the line“ oder „Flip the switch“ jederzeit eintauschen. Ein Kracher!
3. „Send it to me“ – ein Reggae, poppiger als die beiden Songs auf „Black and Blue“, sehr eingängig das ganze. Jagger’s Chauvinismus wird hier in anderem Licht gebadet: „She won’t have to wash or scrape. She won’t have to relocate“ Er ist auch gar nicht wählerisch: „She could be Romanian/Bulgarian/Albanian/Hungarian/Ukrainan/Australian/the alien (!)“ (hier werden noch mal alle Nationalitäten, die er in „Some Girls“ ausgelassen hat erwähnt) – schickt sie nur alle zu mir! Na wenn’s sonst nix ist…
4. „Let me go“ – Chauvi-Rock, die Dritte! Dem Groovesong folgt ein Rocker, wie so häufig auf dieser Platte. Einer der zwei Tracks, die den Weg ins Liverepertoire fanden. Nicht so zwingend wie „Summer Romance“ aber aus ähnlichem Holz geschnitzt. „Maybe I’ll become a playboy, hang around in gay bars and moooooove to the west side of town.“ und später wird er richtig direkt: „Can’t you get it through your thick head? This affair is dead as a dodo!“
5. „Indian Girl“ – auf den ersten Blick eine Ballade im „Angie“-Stil mit schöner Pedal-Steel und Latino-Trompeten. Aber der Text ist kein Liebeslied. Stattdessen der politischste Song der Stones seit „Street fighting man“, das ja strenggenommen gar nicht politisch motiviert war. Aber hier wird’s ernst: „All the children were dead, ‚cept the one girl who said: Please Mr. Gringo, please find my father!“ und weiter: „Ma says got no food, there’s nothing left in the larder. Last piece of meat was eaten by the soldiers that raped her.“ Granada, ick hör dir trapsen. Country-Fans ziehen stattdessen „Far away eyes“ vor. Jedem das seine.
6. „Where the boys go“ – Rocker im Stil von „Lies“ oder „When the whip comes down“. Genauso verzichtbar wie die beiden Songs aus „Some Girls“.
7. „Down in the hole“ – der erste langsame Blues seit „Sticky Fingers“ als Moll-Blues sogar eine Premiere. Dass der Song sowohl ein- als auch ausgefadet wird, lässt ahnen, dass der Ur-Track sehr viel länger war. Wenn man von diesem stilistischen Manko absieht, hört man einen phantasievoll arrangierten Blues mit einer hervorragenden Harp von Sugar Blue, geschmackvollen Gitarren und einer grandiosen Gesangsdarbietung von Jagger.
8. „Emotional Rescue“ – der Titelsong, auch wieder von Jagger gezielt in Richtung „Miss You“ geschrieben, zeigt ihn erstmals als Falsettsänger. Er wurde dabei von Don Covay („Mercy Mercy“) inspiriert. Ob Jagger dann später Prince und Beck dazu inspirierte das gleiche zu tun, weiss man nicht. Sicher ist jedoch, dass viele Stones-Fans sich an diesem Stilelement gestossen haben. Ob man die Musik mag oder nicht, keiner wird jedoch bezweifeln, dass die Stones mit dieser Platte unterstrichen haben, dass sie nicht nur in Blues/Rock/Country/Soul eine gute Figur machen, sondern auch gechmackvolle Disco-Funk-Nummer produzieren können. Eine Sache bleibt noch ungeklärt: Wer spielte Bass? Die „Time is on our side“-Database (http://www.mlink.net/~ian/stones.html) wähnt Ron Wood am Bass, aber ich vermute, dass Woody, der auf anderen Tracks wie „Summer Romance“ eine sehr gute Figur macht, hier nicht am Werke ist, sondern Bill Wyman. Wer immer es war, der Basspart auf diesem Song verdient ein großes Lob!
9. „She’s so cold“ – Die zweite Single aus dem Album ist ein sehr straighter Rock’N’Roll-Song aus Keith’s Feder mit aufsteigenden Akkorden und vielen sich steigernden Wiederholungen im Text. Sicherlich keine Großtat im Werk der Stones, trotzdem war dies der andere Track, der ausser „Let me go“ seinen Weg in das 81/82er Live-Repertoir der Band fand. Insgesamt zu wenig abwechslungsreich hat der Song jedoch immer wieder reizvolle Momente. Zu „She’s so cold“ wurde ein lustiges Video gedreht, dass die Stones in einem vollig New-Wavig-karierten Raum zeigt. Ein tolles Zeitdokument!
10. „All about you“ – die Keith-Ballade zum Abschluß! Damals noch ein Leckerbissen, heute („Losing my touch“ – „How can I stop“…) nur noch albern. Wenn er diesen Song tatsächlich über Jagger geschrieben hat, sind das heftige Zeilen auf einer gemeinsamen Veröffentlichung: „I’m so sick and tired of hanging around with jerks like you!“. Live kam der Songs auf der Bridges-Tour 1997 zum ersten Mal ins Programm, da konnte Keith aber leider nicht mehr so schön bluesig singen…. Dafür widmete er den Song einige Male Elton John, mit dem er damals etwas Ärger hatte.
Alles in allem muss ich sagen, dass die 4-5 mal., die ich dieses Album in den letzten Tagen gehört habe, doch dazu geführt haben, dass die Platte noch besser wegkommt, als ich es vorhatte. Gebt dem Album eine Chance! Klar gab es 1980 eine Menge interessanter Veröffentlichungen neuer Bands, die vielleicht maßgeblicher waren als „Emotional rescue“. Aber wenn man die Platte mit dem vergleicht, was in der gleichen Liga veröffentlicht wurde („In through the outdoor“, „Saved“, „Face Dances“, „Double Fantasy“, „McCartney II“…) sieht die Platte gar nicht mal so alt aus!
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Werbungfinde diese platte beschissen, hat aber mit indian girl ein highlight
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Sehr schön geschrieben.Aber die Platte mag ich trotzdem nicht.
Der Nachfolger „Tatoo you“ist aber auch nicht sooo toll wie es Franz Schöler gerne hätte.--
A Kiss in the DreamhouseHabe gerade auf der 40 Licks gelesen, dass es doch Woodie war, der den Bass auf „Emotinal Rescue“ gespielt hat! Nicht schlecht Herr (Ex-Schluck-)Specht!
Vielleicht wäre das (mal kurz diskutierte) Modell, dass nach Bill’s Abgang Mick Taylor wieder zur Band kommt, und Woody Bass spielt, doch die perfekte Alternative gewesen!--
Staring at a grey sky, try to paint it blue - Teenage BlueJepp schön und informativ geschrieben aber die Platte gibt mir auch nichts….. nach dem Ausstieg hat M. Tayler meiner Ansicht nach seine alte klasse nicht mehr erreicht aber die Richards/Tayler Kombination war einfach unschlagbar @ Jan die Live 73 Version von Brown Sugar ist großartig !!!!
Heutzutage tingelt Mick Tayler durch die kleinsten Clubs und selbst diese sind noch zu groß……ist ne kleine Tragödie
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Schöner Bericht zur Platte !
Also damals nach Veröffentlichung fand ich die Scheibe schrecklich, mit Ausnahme von Summer Romance & All About You. Aber auch die gingen bald vergessen.
Mitte der 90er hab ich sie dann auf CD erstanden (eher aus Gründen der komplettierung) und festgestellt das doch einige gute Stücke drauf sind, und mit dem Falsett-Jagger hab ich auch meinen Frieden geschlossen.
:band: :)--
To be a rock and not a rollWegen Wölfer´s Jan :lol: sehr guter „Emotional rescue“-Kritik hörte ich diesen Output am Fr, Sa und heute 3mal. Eigentlich eher ablehnend eingestellt, aber wie immer mit offenem Ohr, war ich, ähem, positiv überrascht. Sooo schlecht wie immer (hier im Forum, bei Kritikern und anderen Stones-Fans) gemacht, kam sie mir bei weitem nicht vor. Insbesondere „Dance“, „Down in the hole“, „Indian girl“ und „She´s so cold“ gefielen mir, auch gleich beim ersten Hören.
Bei mir ist sie gewachsen (für Sternegucker: von ** auf jetzt ***, wobei ein halber evtl. noch drinne ist). Für Jan: Rein objektiv gesehen wird sie kaum ein Vernünftiger in seine „Stones-TOP10“ aufnehen wollen (höchstens sie ist/ war eine „Sozialisationsplatte“ :lol: )
Kritik: Noch zu sehr an „Some girls“ angelehnt (Disco-Mucke; es waren ja auch „Über-Reste von dieser noch da).
Ja und der Falsettgesang beim Titletrack. Hier klingt der Mick wie ein Kapauner…Gerade der :lol: Und 3-4 abfallende Songs.Und Wölfer´s Jan trifft es genau: Fast alle mochten die Stones mit ihrem Country beeinflusstem BluesRock (oder auch Rhythm ´n´Blues) wesentlich lieber als dieser „modische“ Wechsel.
1980 waren sie ja auch schon 18 Jahre dabei, z. T. verschlissen und fast alle Künstler können den hohen Standard nicht durchhalten.Man muss sie also keineswegs haben, aber als noch befriedigend kann man sie durchaus durchgehen lassen.
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Jetzt schon 62 Jahre Rock 'n' Rollmeines wissens besteht die emotional rescue aus stücken der some girls
und black in blue sessions.
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meines wissens besteht die emotional rescue aus stücken der some girls
und black in blue sessions.
Also „Summer Romance“ und „Where the boys all go“ stammen noch aus 78, der Rest wurde erst 79 aufgenommen!
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Staring at a grey sky, try to paint it blue - Teenage BlueEine der schlechtesten Platten die ich je gehört habe. Blöde Songs, schlampiges Songwriting, die Stones am Ende. Entstand zu einem Zeitpunkt, an dem sich die Stones wohl alles erlauben konnten. Soviel ich weiß war auch diese Ansammlung von Plunder ein No.1 Hit. Ab in die Tonne damit…
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Wann kommt Horst Lichter mit dem Händlerkärtchen und knallt mich ab?Hallo Jan,
ich sehe gerade, daß Du ‚Emotional rescue‘ mit ‚Saved‘ vergleichst. Das geht aber gar nicht, denn ‚Saved‘ mag zwar lau produziert sein, aber dieses Album bietet durchweg hervorragende Songs, nachzuhören auf diversen Bootlegs aus dieser Zeit.--
Wann kommt Horst Lichter mit dem Händlerkärtchen und knallt mich ab?@ sparch:
Sehe ich genau anders herum, aber stimmt, auf den 79/80er Dylan-Boots klingen die Saved-Songs besser als auf dem Album.--
Staring at a grey sky, try to paint it blue - Teenage BlueSind beides SEHR mäßige Alben…… ich würde Saved trotz dem religiösem Gewinsel jederzeit vorziehen…..
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Dann bin ich hier wohl tatsächlich der einzige, der dem Album ‚Saved‘ etwas abgewinnen kann.
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Wann kommt Horst Lichter mit dem Händlerkärtchen und knallt mich ab?Schreib‘ doch mal einen eigenen Thread über die „Saved“, sparch! Ich finde es sehr spannend, diese kontroversen Alben zu diskutieren (hätte nie einen Exile-Thread gemacht!) ! :twisted:
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Staring at a grey sky, try to paint it blue - Teenage Blue -
Schlagwörter: The Rolling Stones
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