Re: Ry Cooder

#2121789  | PERMALINK

annamax

Registriert seit: 08.07.2002

Beiträge: 4,597

Klingt bzw. liest sich vielversprechend:

27. September 2013

Erzählband von Ry Cooder

Alterskluge Barmänner

Von Christoph Dallach

Der Gitarrist Ry Cooder wurde als Produzent des Buena Vista Social Clubs weltberühmt. Nun überrascht der Veteran mit einem erstaunlichen Livealbum und noch erstaunlicheren Kurzgeschichten.

„Ich zählte drei Paare auf der Tanzfläche und fünf Leute drüben an den Bowlingbahnen. Die Tänzer waren dabei, sich zu betrinken, die Bowler waren schon betrunken, und jedes Mal, wenn sie einen Kegel trafen, hüpften und jodelten sie. Harry Spivak hatte uns angewiesen, die Charts zu spielen, und das waren ausnahmslos Standards, so dass ich auf der Bühne ein bisschen schlafen konnte. Der Trick dabei ist, immer weiter zu lächeln.“

Das schreibt Ry Cooder in seiner Kurzgeschichte „Töten sie mich, bitte“. Genau der Ry Cooder, den der „Rolling Stone“ auf Rang acht der „Hundert besten Gitarristen aller Zeiten“ führt, und der zur stetig anwachsenden Gang der super umtriebigen Rock-Veteranen zählt. Neben seinem neuen „Live in San Francisco“-Album überrascht der 66-Jährige nun mit der Kurzgeschichten-Sammlung „In den Straßen von Los Angeles“.

Gewöhnlich sind Musiker, die sich als Literaten versuchen, eine Plage. Cooder ist eine der raren Ausnahmen dieser Regel. In acht Erzählungen lässt er ein lange versunkenes Los Angeles wieder auferstehen. Ein von Mythen umwehter Ort, den er in seiner Kindheit erlebte und den er in trockenem, lässigem, angemessen von Franz Dobler ins Deutsche übertragenem Ton zelebriert. Ein schattiges Los Angeles, das er mit altersklugen Barmännern und sich abrackernden R&B-Musikern zu einem Leben erweckt, das immer wieder an Geschichten von Raymond Chandler erinnert.

Mexikanische Mariachis und Soul alter Schule

Ry Cooder wuchs im dauersonnigen Santa Monica auf und hat eine der eindrucksvolleren Biografien der Branche vorzuweisen. In den Sechzigern musizierte er mit Captain Beefheart, Randy Newman, Neil Young, The Monkeys und Van Dyke Parks. Sein Slide-Gitarrenspiel veredelte „Sister Morphine“ von den Rolling Stones. Wesentlich abenteuerlicher ging er seine eigenen Alben an. Lustvoll jonglierte er mit allerlei Weltmusik-Genres, mixte Mexikanisches mit Hawaiianischem und reicherte das dann gerne mal mit Blues und Soul an.

Einen globalen Renner landete er mit den von ihm produzierten kubanischen Rentnern vom „Buena Vista Social Club“. Von all seinen vielen Soundtracks waren es wohl die flirrenden Gitarrenklänge, die er für seinen Kumpel Wim Wenders und dessen Film „Paris Texas“ einspielte, die besonders in Erinnerung bleiben.

So lebendig wie seine besten Platten klingt auch sein neues Album „Live in San Francisco“, auf dem er mexikanische Mariachis mit Soul alter Schule kombiniert, und der sich allein für die spektakuläre Version des Soul-Standards „The Dark End Of The Street“ lohnt.

Bei allem, was Cooder angeht, zelebriert er letztlich seine große Leidenschaft für Musik. Genauer genommen für Traditionen, die er zunehmend bedroht sieht, und die er deshalb umso euphorischer feiert. Egal ob in Songs oder in Kurzgeschichten. Dabei versteht er sich auf die Kunst, Althergebrachtes so virtuos zu arrangieren, dass es klassisch und zugleich zeitlos daherkommt. Das belegen sein neues Album und erstaunlicherweise auch sein Buch.

http://www.spiegel.de/kultur/musik/neue-cd-und-erzaehlband-von-ry-cooder-a-924700.html

--

I'm pretty good with the past. It's the present I can't understand.