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Anders Gahnold Trio – Flowers for Johnny | Es gebe für ihn in Schweden keine Arbeit „except a trio with the saxophonist Anders Gahnold and Gilbert Matthews … As a South African musician, I’m still limited in my freedom. If you don’t go and play with Swedish musicians, they don’t come to meet you … There are Swedish musicians in my group but if they left I wouldn’t have work any more. What a strange system! Their government is strong and they know what they are doing. In South Africa, it’s different; I can’t say: you don’t want me to work in Sweden any more? OK, I’ll go and see my syndicate … It seems that we’ll have to beg for several years. South African musicians who play abroad are rare. We have to be and to keep cool … That’s what we do but it’s very hard because of political pressure. I suggest that people come and sit down by our side because this side is music and dance.“ – So äusserte sich Johnny Dyani im Gespräch mit Alain Chauvat (Europa Jazz Festival, Le Mans, April 1985 – zititiert nach dem Booklet des Gahnold-Doppelalbums).
Fünf Jahre war Dyani in London, spielte dort neben den Blue Notes auch mit Leuten aus dem Spontaneous Music Ensemble und anderen, in Paris spielte er mitt der Big Band von Archie Shepp (laut den Liner Notes von Philippe Renaud mit Frank Zappa am E-Bass). 1979 in Italien hatten wir schon (Clifford Jarvis, Joseph Jarman/Don Moye), die zwei Duo-Alben mit Dollar Brand hatten wir hier natürlich auch schon (Nr. 1, Nr. 2 – für die Texte anderer Fori zu den Alben guckt in den Index des Enja-Fadens). Und klar, auch aus Skandinavien hatten wir schon das eine oder andere: nicht zuletzt die Trios mit Don Cherry bzw. Mongezi Feza und Okay Temiz. Und dann wieder aus England und Frankreich die Versöhnung mit McGregor und den Blue Notes … Dyani kam herum und hat mit ähnlich vielen Leuten gespielt, sich als wenigstens so vielseitig wie Moholo und Miller erwiesen. Aber eben: in Skandinavien blieb es schwierig. Er stiess zum gestern schon erwähnten New Jungle Orchestra des dänischen Gitarristen Pierre Dorge – die Band mag ich wahnsinnig gerne, auch weil dort der aus Barbados stammende und von der Brotherhood of Breath und anderswoher bekannte Harry Beckett zu hören ist. Dyani: „Playing in Europe with this African sound and a Danish, viking guitarist, is quite special. I believe in folklore, in mixing cultures“ (aus demselben Interview mit Alain Chauvat).
Anders Gahnold also – wenn man die zwei CDs (ca. 1:40 Stunden) hier hört, verschwinden Gedanken, dass das quasi ein Notnagel-Job gewesen sei, schon in den ersten Sekunden. „I met Johnny Dyani when he was loading his bass into a car: I’m starting a group and I want you on bass. I expected excuses. Great fun! answered Johnny. Do you have a drummer?, he continued, and as I didn’t, he said: I know a good one. Suddenly I had a band“ (Liner Notes von Ph. Renaud, keine Angaben zur Quelle). Ausser, dass Gahnold wohl 1959 geboren wurde, weiss ich nicht viel mehr über ihn … aber es ist die Musik die zählt, oder um nochmal Dyani zu bemühen (auch aus dem Booklet, ohne Quelle den Liner Notes vorangestellt): „I feel we shouldn’t speak, we should just play music, because the minute we open our mouths we tell lies.“
Gilbert Matthews, den Drummer des Trios, habe ich im letzten Post schon etwas vorgestellt. Er war auch der letzte Drummer des Trios von Chris McGregor (mit Ernest Mothle am Bass, sie gingen 1989 in Europa auf Tour), er spielte in der späten Version der Brotherhood of Breath, lebte wie schon erwähnt lange in Schweden – wo er am 25. Juni 2020 auch starb (in seinem Wiki-Eintrag ist die Todesanzeige der Familie verlinkt). In Schweden spielte er u.a. mit dem Saxophonisten Christer Boustedt und gehörte zum Brus Trio, das mit Charles Tyler oder Roscoe Mitchell aufnahm (da gibt es je ein Silkheart-Album, kenne beide noch nicht, man kann sie hier und hier komplett streamen). Die Aufnahmen hat Lars Göran Ulander fürs Schwedische Radio gemacht (von seinem Trio mit Palle Danielsson und Paal Nilssen-Love habe ich kürzlich auch eine Ayler-CD gekauft, „Live at Glenn Miller Café“, 2004 aufgenommen und ein Jahr später erschienen – lief bisher noch nicht).
Dass Renaud im Booklet als Einflüsse von Gahnold – neben Charlie Parker und Paul Desmond – auch Mike Osborne erwähnt, finde ich nichts weniger denn offensichtlich: der Däne hat einen ähnlichen Hunger, einen irre schönen Ton, den er über das konventionelle (Parker/Desmond-Erbe) hinaus dehnt und biegt, übersättigt bis er fast bricht … da ist dann wohl McLean das zusätzliche Vorbild (auch bei Osborne natürlich). Vor allem aber schafft dieses Trio – und darum hole ich auch so weit aus (aber auch, weil mir diese Aufnahmen schon seit vielen Jahren verdammt lieb sind!) – eine Kunst der spontanen Interaktion. Das gestern erwähnte „creative playing“ von Dyani findet auch hier immer wieder Eingang, auch wenn das Gewand insgesamt etwas konventioneller ist: melodiös, mit fester Time. Die Offenheit dieser Musik, ihre beeindruckende Ausdruckskraft, haut mich auch nah 20+ Jahren immer noch jedes Mal um. Dass kein Klavier dabei ist, keine Percussion und auch keine Chants, kommt mir auch nicht ungelegen – obwohl das alles bei Dyani schon auch mit dazu gehört und mich per se auch nicht stört … aber am liebsten mag ich – natürlich! – sein beeindruckendes Spiel am Kontrabass, und das erhält hier sehr viel Raum. Matthews spielt ein helles, vom Klang und Gewicht her eher leichtes Schlagzeug, weniger auf den Punkt als Ntshoko, weniger aggressiv als Moholo, aber gerade so beweglich und flexibel – und swingend.
Die erste CD mit 67 Minuten stammt vom Umea Jazz Festival am 15. Oktober 1983, die zweite mit 33 Minuten aus dem Jazz Club Fasching in Stockholm, 12. September 1985. Veröffentlicht wurden die Aufnahmen 2003. Von „Summertime“ im zweiten Set abgesehen stammen die Stücke alle von Gahnold und sind zugleich catchy und gute Vorlagen für die Höhenflüge dieses Trios. „Summertime“ muss sich natürlich an einer anderen Version aus Skandinavien messen – und kann damit sicher nicht ganz mithalten … dafür hat Gahnold im Gegensatz zu Ayler echte Profis hinter sich, die eine schöne dunkle Stimmung schaffen – und wenn Dyani ins „All Blues“-Bass-Lick fällt wird das fast rollicking und lässt Gahnold einen Ganz höher schalten – und dann spielt Dyani ein tolles Solo, in dem er gegen Ende noch in Tijuana vorbeischaut.
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*) Ich hab leider keine Ahnung mehr, wann ich zuerst von Ayler Records hörte und bestellte, ich denke 2003, als das Jimmy Lyons Box-Set erschien … die Doppel-CDs von Gahnold und Feza/Rosengren) gehörten zu meiner ersten Bestellung, das weiss ich noch. „… and William Danced“, das andere bei Ayler Records als CD erschienen Trio-Album mit Gahnold als Teil des William Parker Trios (mit Hamid Drake) war damals noch ganz neu (2002 aufgenommen) – aber damals mochte ich William Parker überhaupt nicht und habe das erst viel später nachgeholt … dazu kommen noch zwei rein digitale Veröffentlichungen, Drake/Gahnold/Parker „The Last Dances“ auch 2002 aufgenommen und „Live at Glenn Miller Café“ vom Anders Gahnold Trio mit Erik Ojala und Johan Ståhlgren, 2008 aufgenommen). Dazu kommen bei Discogs noch zwei Tracks auf Compilation und eine Pop-Single mit Marie & Ulf und einem Saxophon (die B-Seite ist ohne Gahnold glaub ich, nur durchgeskippt):
Jan Ström, der Gründer von Ayler, hat auf YT ein paar Sachen hochgeladen, vom Trio mit Parker/Drake und auch ein Stück mit Gahnold am Barisax.
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