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Spannende Diskussion, bei der ich auch zwei Herzen in der Brust habe.
Die eine ist geneigt zu sagen, dass die Wörter über viel zu lange Zeit zu viel Schaden und Leid angerichtet haben und es so viele Statements gibt, anhand derer mir Betroffene glaubhaft aufzeigen, dass sie schon beim Hören innerlich zusammenzucken, letztlich unabhängig davon, in welchem Kontext die Wörter verwendet werden. Empfindungen sind eben oft gerade nicht rational, sondern ein Ding von Gefühlen, Erfahrungen und Assoziationen. Ich kann auch den Punkt verstehen, dass es seltsam anmaßend ist, wenn Weiße darüber diskutieren, ob die Wörter verwendet werden sollen.
Der andere Teil in mir wehrt sich dagegen, sich buchstäblich selbst zu muten, wie es in linksidentitären Kreisen üblich ist. Es gibt das N-Wort, das Z-Wort, das S-Wort, das M-Wort, das F-Wort und noch viele mehr. Und es werden noch viele kommen. Zum einen bin ich unsicher, ob das in dieser Entwicklung Sinn der Sache ist – für unsere Generation is das in Teilen verständlich, aber ich bin zunehmend unsicher, ob das für künftige Generationen gilt, die den Kontext irgendwann gar nicht mehr verstehen. Zum anderen gibt es Wörtern auch immens viel Gewicht, vielleicht zu viel. Ich bin entschieden nicht der Aufassung, dass Wörter allein Traumata erschaffen oder reproduzieren – das wird oft als Grundlage einfach hingeworfen, aber solche Kausalketten gibt es in der Psychologie nicht. Ein weiterer Punkt: Das Geusenwörter etwas fundamental anderes sind, als offene Diskriminierung, ist klar, gleichzeitig sind manche Wörter aber auch buchstäblich Teil der Popkultur. Ich finde die Vorstellung ganz seltsam, wenn interkulturell gemischte Freundesgruppen dann auf Konzerten sind, die einen dürften mitrappen oder singen, der Rest nicht. Es gibt ja Teile der Community, die sich rigoros dafür aussprechen, dass niemand die Wörter verwenden sollte (also auch Betroffene nicht), das wäre zumindest konsequent, wenn man die Wörter aus der Zukunft radieren will. Aktuell hat man eher einen halbseidenen Kompromiss: Die Wörter sind Teil der HipHop Kultur und schallen täglich durchs Radio, aber weiße Leonies (oft mehr als Betroffene) bekommen vermeintlich spontane Heulkrämpfe, wenn der Professor das Wort in Geschichte ausspricht – das wirkt dann auch irgendwie unglaubwürdig.
Ganz allgemein glaube ich aber auch, dass der viel wichtigere Aspekt die realen Bedinungen sind. Wörter kommen und gehen und werden neu besetzt, siehe dazu die Euphemismus Trettmühle, die wirtschaftlichen Verhältnisse zu verbessern, hat viel mehr Gewicht.
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Hold on Magnolia to that great highway moon