Antwort auf: Enja Records

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gypsy-tail-wind
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Mal Waldron – Hard Talk | Vamp-Time mit „Snake Out“ zum Einstieg – zumindest auf der CD, die mit „Hurray for Herbie“ einen Bonustrack enthält und das fast zwanzigminütige Titelstück in die Mitte zwischen die beiden kürzeren Stücke setzt, die auf der LP die A-Seite bildeten. Ich nehme an (hoffe!), für die CD wurde die Konzertreihenfolge wiederhergestellt, wie das Quintett es am 4. Mai 1974 in der Meistersingerhalle zu Nürnberg beim Jazz Ost-West Festival gab. Vamp-Time also, mit dem dunkel schwarzen Bass von Isla Eckinger, den kantigen aber leichten Drums von Allen Blairman und dem Piano des Leaders, bis dann Steve Lacy und Manfred Schoof dazustossen. Doch irgendwie fesselt mich das gerade etwas weniger, als ich es erinnerte. In „Hard Talk“ legt Schoof (er spielt nur Kornett) dann los, über der kompakten Begleitung des Trios, das sich selbst schon genügen würde. Dann folgt Steve Lacy und unter ihm brechen die anderen drei den satten Groove von davor auf, die Time zerbricht, Lacy spielt zunächst tonal, aber doch recht frei, streut zunehmend überblasene Töne ein, die wie Vogelgezwitscher anmuten. Während Lacy immer freier wird, vollzieht Eckinger eine Gegenbewegung, fällt wieder in einen Beat – bis am Ende auf halbem Weg die Musik fast zum Stillstand kommt. Gehaltene Töne vom Sopransax, dann seltsam intonierte Laute, dazu eine langsame Kippfigur am Klavier, ganz leise … und so liest Waldron die Stücke auf, setzt sie neu zusammen. In der Dramaturgie der CD ist das der Kulminationspunkt, Waldron findet zurück zum Groove, ganz allmählich mit dieser ihm so eigenen Gelassenheit, die aber sehr viel Biss hat. Bis auch Blairman und Eckinger sich wieder in den Groove einfädeln, dauert es aber etwas länger Eckinger soliert eigentlich die ganze Zeit, aber mit angemessem reduktionistischen Vokabular … und eh man sich’s versieht, ist das komplett locked in. Doch dann zieht Waldron sich zurück und lässt Eckinger den Raum fü ein ausgedehntes Solo, das aber auch dank der lange mitlaufenden Begleitung von Blairman im Groove bleibt, den Waldron dann wieder aufnimmt, von Schoofs freischwebenden Linien sekundiert, um die sich bald Lacys Schlagenhorn windet. Die „Russian Melody“ – der LP-Opener – ist eine Art Scheinballade, moody, melodiös, doch bald scheppert Blairman wieder dahin, Eckinger lässt die Finger übers Griffbrett schlittern und Waldron fällt in seinen Groove. So geht das dann etwas rascher auch im Bonustrack, „Hooray for Herbie“ weiter. Ein feines Live-Set, dem die zwei Bläser Würze geben – aber ganz zu fesseln vermag es mich heute nicht. Eckinger allerdings höre ich als einen der idealen Waldron-Bassisten (neben Workman, Avenel und Woode) – schade hat er nicht öfter mit Waldron aufgenommen.

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