Antwort auf: Enja Records

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gypsy-tail-wind
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Bobby Jones – Hill Country Suite | Ein ganz grosses Lieblingsalbum, auch seit den späten Neunzigern (die CD stammt von 1997 – und ich glaub das war in etwa die 25th Anniversary Series – die von 1991 wurden einfach um ein Papp-Dingens ergänzt, den ich bei Norris noch habe und da steht dann auch 1997 drauf – wie in Japan mit den doppelten OBI-Strips: einfach umverpacken, was noch am Lager ist bzw. nachpressen ohne ausser einer zusätzlichen Schicht Verpackung was zu ändern). Das hier ist für meine Ohren wirklich eine Art Wunder. Ein Trio-Album mit ts/cl, b und d, der von Mingus geadelte Bobby Jones als Leader mit George Mraz und Freddie Waits, ein paar Tage nach Norris in den Trixi Studios – im Gegensatz zur Norris (Winckelmann) ist das hier eine Weber-Angelegenheit (auf der LP standen noch beide Namen) und er schreibt auch selbst die Liner Notes fürs CD-Reissue, blickt etwas zurück, lobt Jones und sich, schreibt zwar keinen schlechten Satz über den Leader, aber doch genug, dass man sich denken kann, dass dieser ein schwieriger Mensch war (Krach mit den anderen Bandmitgliedern der Gruppe, die er in München, wo er nach einem Gig im Domicile hängen blieb, mit Dusko Goykovich leitete, weil er eine „strange theory how the salary should be split up“ gehabt habe). Die „Hill-Country Suite“ in drei Teilen nahm Seite A der LP ein und die einzige Referenz – auch für gewisse Elemente in Jones‘ Komponieren und Phrasieren – ist für mich das Jimmy Giuffre Trio mit Jim Hall: eine Art ruraler funky Jazz, leicht, beweglich, und doch nie leichtgewichtig. Mingus spielt beim Umgang mit Tempi rein, dünkt mich … und bei der wichtigen Rolle, die Mraz am Bass einnimmt (souplpope legte ja stets gerne ein kritisches Wort zu Mraz ein, aber ich finde ihn auf diesen beiden in so kurzer Zeit entstandenen und so unterschiedlichen Alben wirklich ohne Fehl und Tadel).

In der Suite greift Jones auf die traditionelle Musik seiner Leute zurück, „the mountain-people of Kentucky, Tennessee and West Virginia … and their lives.“ Im ersten Teil werden die Schafe zusammengetrieben, „Old Jack Daniels“ kommt dann räudig tanzend an der warmen Klarinette daher (da besonders nah bei Giuffre, auch Jones bevorzugt das tiefe und mittlere Register), dann folgt der lange „Weddin‘ Dance“. Und irgendwie, nachdem ich gerade die fabelhafte Slow-Motion-Version von „I’m an Old Cowhand“ von Hino/Sauer („Vibrations“) im Ohr habe, bietet sich hier zumindest der Opener von „Way Out West“ von Sonny Rollins hier schon auch als Referenz an. Der zweite Teil besteht aus drei weiteren Originals von Jones. Dieser blieb wie gesagt in München hängen – Jacques Pelzer war der erste Musiker, den Weber anfragte, als er das Booking im Domicile übernahm und der brachte Jones mit, woraus sich dann auch die Plattenproduktion ergab – und starb doch 1980 mit 51 Jahren an einem Lungenemphysem. Die letzten Jahre konnte er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr spielen, die Diskographie blieb schmal, umfasst neben ein paar Aufnahmen mit Woody Herman, einem Sax-Solo auf Amon Düüls „Made In Germany“, einem halben Muse-Album mit Jimmy Raney (kenne ich wie Amon Düül nicht) vor allem zwei Alben bei Cobblestone (eins als Sideman mit Bobby Pierce, das andere als Leader) und zwei mit Mingus (plus ein paar Live-Aufnahmen in der Philharmonic Hall mit den vielen „Friends“ war er auch dabei) aber immerhin dieses grossartige Kleinod, das ohne Horst Weber tatsächlich nie entstanden wäre.

PS zum LP-Cover: das lässt sich nicht mehr allein mit vergilben erklären, oder? In diesem Fall finde ich das LP-Cover echt nicht so gelungen, auch wenn die Fotos von Basie und Ella (?) im Hintergrund hübsch sind … die Cover-Credits gehen bis dahin stets an Weber/Winckelmann gemeinsam – und da die CDs (mit teils präzisierten bzw. einfach veränderten Credits) meist andere Cover-Gestaltungen haben, weiss ich nicht, ob es da was auszudifferenzieren gäbe? Hatte z.B. einer der beiden ein Faible für Typographie? (Das Foto vom Baum auf dem CD-Cover stammt von Winckelmann, obwohl die CD bei Enja/Weber erschien – das Schisma war wohl nie so komplett, dass alle Brücken abgebrochen worden wären.)

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