Antwort auf: Ich höre gerade … klassische Musik!

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Heute früh endlich das jüngste Album von Gidon Kremer – sehr, sehr schön. Er hat eine Art musikalischen Zeitkommentar – oder eher: Kontrapunkt – zusammengestellt. Eine knapp einstündige, fast wie eine Suite anzuhörende Abfolge, die geographische (und biographische Räume durchmisst. Zwei etwas längere Stücke von Raminta Serksnyte („This too shall pass“ für Violine, Violoncello, Vibraphon und Streichorchester) und Jekabs Jancevskis („Lignum“ für Streichorchester, Svilpaunieki, Glocken und Windspiel) umrahmen Blöcke mit Musik von Giedrius Kuprevicius (zwei Passagen aus der Kammersymphonie „The Star of David“, das Kaddish-Prelude und Penultimate Kaddish) sowie von Mieczyslaw Weinberg (Nocturne für Violine und Streichorchester, Aria Op. 9 für Streichquartett, drei der Jüdischen Lieder Op. 13 und „Kujawiak“ für Violine und Orchester). Neben Kremer an der Violine sind Vida Mikneviciute (Sopran), Magdalena Ceple (Cello), Andrei Pushkarev (Vibraphon) und natürlich die Kremerata Baltica dabei.

Jetzt bin ich bei den Hautbois in der Kammer des Königs – das Vorgänger-Album „Fastes de la Grande Écurie“, in dem die Entwicklung der Blasinstrumente in diesem Gebäude in Versailles nachzeichnet (der dritte Absatz im Wiki-Eintrag erwähnt die dortigen musikalischen Tätigkeiten), kenne ich bisher nicht. Hier liegt der Fokus nun auf der Oboe, das sich in der Zeit (Louis XIV) in die Kammerensembles einfügte, die in der Chappelle du Roi und eben der Chambre du Roi spielten. Dabei war die Herausforderung, diese schrillen, lauten, bisher v.a. fürs Spiel unter freiem Himmel konzipierten und auch viel höher gestimmten Instrumente (das Fagott gehört auch dazu) für den intimen Rahmen tauglich zu machen: länger und dünner wurden sie, um mit den Gamben, den Violinen zusammenzupassen, fast einen Viertelton tiefer mussten sie gestimmt und ihre Fähigkeiten zum chromatischen Spiel erweitert werden. Jérôme Lejeune, der die Veröffentlichungen von Ricercar seit langem kuratiert, hat wie üblich ausführliche Liner Notes beigesteuert. Er bedankt sich bei Jérémie Papasergio für die Unterstützung, dieser leitet zusammen mit Elsa Frank das hier zu hörende Ensemble Syntagma Amici (sie spielt Oboe, „taille de hautbois“ und flûtes à bec, er Fagott, basse de cromorne, flûtes à bec und flageolet d’oiseau). Zwei weitere Oboen-etc.-Spielerinnen sind dabei (Sophie Rebreyend, Anaïs Ramage), dazu eine Geige (Hélène Houzel), eine Gambe (Manon Papasergio), einmal umhängbare Saiten (Gabriel Rignol an Theorbe, Gitarre und einem Percussionsinstrument namens chapeau chinois) und einmal in Holzkästen gespannte Saiten (Brice Sailly an Cembalo) und Pfeifen (Sailly auch an der Orgel) – und bei ein paar Stücken ist der Sänger Romain Bockler (basse-taille) dabei. Nach einem Intro von Lully (die Ouvertüre zu „L’amour malade“) geht es durch den Tag mit dem König: Le Lever du Roi (Musik von François Couperin), La Messe du Roi (M-A Charpentier, Campra – mit Bockler), Un Concert pour le Roi (das Onzième concert von F. Couperin, eine Sonate en quatuor von Antoine Dornel), Musiques de bal dansées chez le Roi (Stücke von den Philidor, Marais, La Barre, Visée), und mit Le Coucher de Roi endet der Tag dann (die zweite Suite c-Moll von Hotteterre und ein air von Lully nochmal mit Bockler, und zuletzt ein Stück von Lalande).

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #152: Enja Records 1971-1973 – 14.05., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba