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irrlichtDachte ich auch länger, aber die Geschichte ist wohl doch deutlich komplexer, als zwei unbedachte Tweets. Dieses Dokument kursierte die Tage in diesem Kontext.
Ich finde das Dokument nicht überzeugend, es wird verdreht, manche Vorwürfe kommen doppelt vor, werden übertrieben falsch gedeutet etc. Ich war auch schon von Contra Points seeehr langen Ausführungen zum Thema nicht besonders begeistert. Zum Beispiel der immer wieder wiederholte Vorwurf, Rowling würde in ihren Büchern den transsexual serial killer auftauchen lassen (was ihr gutes Recht ist, auf der „anderen Seite“ aber auch Leute verständlicherweise anpisst), ist ganz simpel nicht wahr. Und ich habe vielleicht nicht Harry Potter gelesen, aber die Detektiv-Bücher von „Galbraith“ (und sie im übrigen von lesbar bis sehr gut befunden).
Dass man mich da nicht falsch versteht, ich bin auch der Meinung, dass Rowling sich ebenfalls in den Twitter-Sog aus Beifallsheischung, überzogenen Statements und Likes für unpassende Personen hat hineinziehen lassen, aber das ist nicht das Gleiche wie zB. Russlands Anti-LGBTQ-Politik (zu dem Thema gibt es kaum überraschenderweise keine shitstorms). Aber sie hat sich eben auch wiederholt für die Rechte von Trans-Personen ausgesprochen und zwar ziemlich eindeutig.
Das Problem liegt wieder mal bei den sozialen Medien (denen ich im Gegensatz zu Sascha Lobo kaum noch redeeming qualities zusprechen kann). Unter einigen lautstarken Trans-Aktivisten machen sich mehr und mehr transhumanistische Vorstellungen breit, also dass der Mensch sein körperliches Gefängnis verlassen kann und quasi nur noch in einem virtuellen Raum lebt, allein durch Kraft seiner Worte (semiotisch „Text“). Das mag für ein unglückliches, isoliertes Seelchen in bumfuck, Oklahoma eine erlösende Vorstellung sein, der Rest der Welt sieht das eher mit Befremden (und nicht nur die Welt, auch ältere Transsexuelle fühlen sich da in gewisser Weise „beraubt“, wie ich gelesen habe). Auf social media, mit der zwangsläufigen Vereinfachung wird das ganze zum Slogan „trans women are women“. Das ist natürlich nicht verkehrt, aber der Satz „Deutschland ist ein Bundestaat“ erklärt auch nicht alle Feinheiten des Staatswesens. Natürlich sind Transfrauen Frauen (die Umkehr mit Transmännern immer mitgedacht), aber sie sind eben auch Transfrauen, also biologisch tragischerweise Männer und haben zB. deswegen spezielle Bedürfnisse (also zB Hormontherapien, die von der Krankenkasse gezahlt werden). Würde das Thema etwas komplexer diskutiert werden, wäre in meinen Augen schon einiges gewonnen. So ist es ein Slogan, dem man entweder zustimmt oder ablehnt (Rowling hat dazu ein „ja, aber“ geäußert, wenn ich mich richtig erinnere) und wenn ich nicht zustimme (oder die Umkehr in konservativen Kreisen, nicht ablehne) kommt die große Cancel-Keule, bzw eben vieltausendfaches Getöse plus Druck auf Verlage plus Morddrohungen. Ich kann Rowling zumindest insoweit verstehen, als dass ein ungeprüftes, einfaches Wechseln des geschlechtlichen Status zu Problemen führen kann. Das könnte man mit ihr diskutieren, allen Quellen zufolge ist sie ja nicht dumm. Stattdessen gab es einen Aufschrei (wie gesagt, dahinter steckt auch in meinen Augen die Enttäuschung über ein bis dahin vergöttertes Symbol) und der Versuch, Rowling und andere abweichende Meinungen aus dem Diskurs zu verstoßen. Und das war falsch.
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If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.