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gruenschnabel …dass der Vorverkauf nicht gut läuft, obwohl das Festival mit großem Aufwand beworben wird. Dazu passt, dass z.B. die aktuellen Programme des NDR Elbphilharmonie Orchesters tendenziell wieder weniger Neue Musik beinhalten – offenbar weil der Zuspruch des Publikums nachgelassen hat.
Die Beobachtung, dass Neue Musik weniger in den Programmen der Orchester (in meinem Fall in Berlin) auftaucht, mache ich auch. Als Teil des Publikums empfinde ich einen Unterschied vor/nach Pandemie. Ich würde erstmal nicht sagen, dass es eine Entscheidung des Publikums, sondern das Ergebnis einer Entwicklung ist. Die Neue Musik ist irgendwie nach dem ersten großen Lockdown herausgefallen; in der Zeit, in der es kürzere Konzerte (ohne Pause) gab; in den mit Lockdowns unterbrochenen Spielzeiten 20/21 und 21/22. Da wurde sicher auf Bekanntes zurückgegriffen, weil die Anzahl (u. bestimmt auch Dauer) der Proben reduziert werden sollte/musste und auch um das Publikum in den Saal zurückzuholen. Außerdem gab es später wg. Erkrankungen viele Programmänderungen… da war ja Flexibilität gefordert und Planungssicherheit gab’s erstmal nicht. Im Programm 22/23 war zu beobachten, dass die groß besetzten symphonischen -oft auch umfangreichen- Werke offensichtlich den Vorzug bekamen. Ich habe mich auch gefreut, z.B. Mahler 3, Schostakowitsch 4 oder Schuberts Große C-Dur (sah ich zuletzt 2019 im Programm) zu hören.
Ich hoffe eigentlich immer noch, dass sich das wieder zurechtruckelt und die Neue Musik ihren Platz im vormals üblichen Konzertprogramm findet. Dies würde auch wieder zu Erstbegegnungen führen, mit denen man nicht so gerechnet hat. Egal ob 2011 oder 2021 entstanden…
Es kann aber auch sein, dass sie abgetrennt wird und via Schwerpunkt, Fokus, Festival, Verbindung mit aktuellen Themen o.ä. stattfindet. Dann entscheidet sich das Publikum bewusst für die Neue Musik. Das Thema streiften wir schonmal im Faden zu den Konzertimpressionen. Hier könnte es sein, dass eine andere Form der Ansprache, vielleicht auch Wechsel der Spielorte (z.B. in die Foyers) oder neue Wege in der Preisgestaltung gewählt werden sollten. Ich fände einen mittleren Preis bei freier Platzwahl tatsächlich attraktiv und ging auch in dieser Spielzeit gern zu den Veranstaltungen (für die Philharmonie mit meist höheren Ticketpreisen finde ich dieses Angebot sehr gut). Im Konzerthaus Berlin gab’s einen Testlauf zum „Erlebnispreis“. Hier erhielt man das Ticket erstmal so und zahlte nachher den für sich persönlich passenden Preis. Ich habe das auch mal ausprobiert: online reserviert und Ticket erhalten und nach der Veranstaltung gab es eine wirklich gut formulierte E-Mail mit Link zur Zahlung/Überweisung unter Angabe des Preises des Tickets im regulären Verkauf als Richtwert. Psychologisch ist das interessant. Nach dem Haas-Konzert mit den 6 mikrotonal verstimmten Flügeln habe ich mehr bezahlt als ich regulär gemusst hätte. Keine Ahnung, ob sich soetwas trägt; intern wird es ja ausgewertet worden sein… mal schauen, ob es nochmal zur Anwendung kommt. Für Teile des (evtl. auch potentiellen) Publikums könnte es schon interessant sein, nicht mehr Monate im Voraus zu bezahlen. Vermutlich müssen hierfür auch Tests über längere Zeit stattfinden; das ist ja noch sehr fragil (bzgl. Storno, No Shows usw.) und es braucht eine Vertrauensbasis. Ob das ein Rahmen für hörbar schwer zugängliche Werke sein kann, wäre auch die Frage. Kurzum: ich habe mich gefreut, dass sich das Konzerthaus im Rahmen des Festivals „Aus den Fugen“ Gedanken zur Programmentwicklung machte und das Terrain des bisher Gewohnten mit Konzeptkonzerten, manchmal auch im dunklen und völlig anders bestuhlten Großen Saal (ist natürlich in den Philharmonien nicht so möglich), verließ. Den Trailern entnahm ich, dass die Idee in der ersten Zeit der Pandemie aufkeimte; als eine Diskussion zu „Kann es wie bisher bleiben oder…?“ aufkam.
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