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bullschuetz Er belegt recht gut, dass es überhaupt keinen woken Amoklauf gegen Winnetou gab, sondern in Wahrheit die Bildzeitung einen Popanz aufgeblasen hat.
Ein recht dürftiges Manöver, das ich jetzt schon öfter gehört habe. Die Selbstzensur von Ravensburger durch aktivistischen Druck hat sich jedoch nicht die BILD ausgedacht und die Debatte um „kulturelle Aneignung“ schon gar nicht. Karl Mays Winnetou ist ja gerade auch nur ein deutscher Platzhalter, der jetzt in ähnliche Fahrwasser gerät wie z.B. u.a. Dr. Seuss in den USA im vergangenen Jahr. Das Problem jetzt zu einem „Popanz der BILD“ runterzuspielen, ist daher ziemlich albern.
Der Podcast von Jule und Sascha Lobo argumentiert in seiner aktuellen Folge aber sehr ähnlich und gibt dabei interessante Einblicke in eine woke Gedankenwelt. Die BILD hat eine Kampagne angezettelt, die die „hard feelings“ von „Boomern“ triggert, die sich – „igitt, auf eklig deutsches Kulturgut“ (sic) beruft (was per se für die Moderatorin einen nazimäßgen Beigeschmack hat). Argumentiert wird dann anhand von Tweets von Sigmar Gabriel und Uschi Glas, denn, so lernen wir, auch Frauen beherrschen das „Old White Man“-Ding. Cowboy und Indianer ist „Völkermord als Kinderspiel“, was von Karl May propagiert wird. Lustig wird es dann, wenn Julu Lobo über „kulturelle Aneignung“ referiert und Sascha Lobo anschließend seinen irokesenschnitt rechtfertigt.
Zum Glück differenziert er das Geschwafel seiner Frau ein wenig und gibt zu Bedenken, dass die Idee von “ kultureller Aneignung“ sich sehr nah an der vom Ethnopluralismus bewegt, einem rechtsidentitären Konzept, nach dem sich Kulturen nicht vermischen dürfen. Dass es letztendlich aber überhaupt nicht um „Boomer-Nostalgie“ geht, sondern darum, was Kunst darf, haben leider beide nicht kapiert.
Soweit mein kleiner Podcast-Tipp
bullschuetz Und im Karl-May-Fall wurde wohl obendrein eine durchaus sinnvolle und differenziert argumentierende kritische Auseinandersetzung um die Frage, was Winnetou heute noch taugt, umgedichtet zu einer sogenannten Verbotskampagne.
Wo gab es denn eine differenziert argumentierende Auseinandersetzung? Über die Rezeptionsgeschichte von Winnetou und deren generationsübergreifende Auswirkung, die zu einem positiv verklärtem Indianerbild in Deutschland geführt hat, habe ich nicht viel gehört. Ich habe am Wochenende mal den Selbstversuch gemacht und war mit meinen Kindern im Kino und habe mir den Film angeschaut. Es war eigentlich recht einfach, danach über plump dargestellte Klischees und die positive Grundmessage des Films zu sprechen, die noch vor vor kurzem als Leuchtturm für Völkerverständigung getaugt hätte, mit divers besetztem Cast und weiblichen Schlüsselfiguren.
latho Und dann stolpert der Autor gleich noch in das nächste Fettnäpfchen, dass man es kaum fassen kann: Die Kritik an Ravensburger und May (denn, let’s face it, May steht ebenfalls im Visier) war vollkommen berechtigt, denn wichtige Fakten müssen in Winnetou-Produkten auftauchen: kolonialistische „Cowboys“, die Genozide begehen und von May „aus gut gemeintem Rassismus“ verherrlicht wurden (was ist „gut gemeinter Rassismus“?), Indianer die zwar „gut und edel“ dargestellt werden, aber das nicht sollen? Letzten Endes seien – the kicker – ja 6 Millionen (anscheinend eine frei erfundene Zahl) „Indianer“ umgekommen, „so viele wie tote Juden im Nationalsozialismus“. Er fällt auch ohne das Lesen von Baddiels Buch Jews Don’t Count auf, der Antisemitismus, der sich bei Linksidentitären hartnäckig hält. Wobei ich mich immer frage, wie denn ein Winnetou-Buch aussehen soll, das den Twitterati gefällt?
Sehr guter Einwand, das frage ich mich auch immer. Man bekommt bereits einen Eindruck, dass man Karl Mays Märchen durch das nächste ersetzen möchte, das dann nur leider nicht mehr so leicht als solches zu erkennen ist. Das Narrativ der kolonialistische „Cowboys“, die Genozide begehen, scheint ja gesetzt zu sein. Dass genau das bei Winnetou eines von vielen Klischees ist, entbehrt in der Debatte nicht einer gewissen Komik. Die Verkürzung von historischen Ereignissen über mehrere Jahrhunderte ist dabei bemerkenswert. Als hätte es je eine homogene Gruppe von Kolonialisten und eine von Natives gegeben und heute stehen stellvertretend alle „Weißen“ für eben jene Kolonialisten“ und irgendein „Indigener“ für alle Natives.
Absurd, wenn sich – wie im oben genannten Lobo-Podcast – eine Indigene zum Sprachrohr für alle indigenen Völker von Nord- und Südamerika geriert. Eigentlich „kulturelle Aneignung“ par excellence. Gerne würde ich mir von so jemandem mal z.B. den Britisch-Amerikanischen Krieg und das Massaker am Horseshoe Bend erklären lassen und wann welcher Stamm mit welchen weißen Kolonialisten gegen welchen verfeindeten Stamm kollaboriert hat und wie man alle Massaker so zusammen addieren kann, um daraus einen großen, einheitlichen Genozid zu konstruieren.
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