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Wann immer Basies Band nach New York zurückkehrte, trat sie für 14 Tage im Birdland auf. So auch im Juni 1961. Roulette schnitt am 27. und 28. mit – das dritte ausführliche Live-Dokument dieser Band nach den Aufnahmen aus dem Crescendo und den ersten von Roulette im Americana Hotel in Miami in den Jahren 1958 und 1959. Vom ersten Abend sind vier, vom zweiten drei Sets dokumentiert, die Band ist zwar nicht mehr die ganz tolle Ausgabe, die manche für Basies beste Band überhaupt halten, aber immer noch hervorragend: neben der beständigen Rhythmusgruppe (Basie, Freddie Green, Eddie Johns und Sonny Payne) sind das Thad Jones, Sonny Cohn, Lennie Johnson und Snooky Young an den Trompeten (und mit Young noch dabei, ist die Frage der Lead-Trompete noch geklärt – Joe Newman als wichtigster Solist fehlt, aber den hatte Basie seltsamerweise auch in Miami nur wenig gefeaturet), Quentin Jackson, Henry Coker und Benny Powell an den Posaunen (die Veränderung ist die von Al Grey zu Quentin „Butter“ Jackson – ein mehr denn würdiger Ersatz), Marshall Royal (as/cl), Frank Wess (as/ts/fl), Frank Foster (ts), Budd Johnson (ts) und Charlie Fowlkes (bari) an den Saxophonen (der Wechsel hier ist von Billy Mitchell zu Budd Johnson, und der verdient es echt, gehört zu werden! Ich dachte, Foster speilt in den Sections hie und da auch mal Klarinette, aber live wohl nicht, die Bassklarinette von Fowlkes fehlt hier ebenfalls – die Arrangements, in denen er sie spielte, gehören nicht zu den Live-Staples der Band). O.C. Smith ist zudem dabei, der Nachfolger von Joe Williams, der im Studio zu kurz kam (gar nie gehört wurde) und als Gäste schauen Sarah Vaughan und Jon Hendricks vorbei. Smith singt am ersten Abend in Sets 1, 2 und 4 je zwei Stücke mittendrin, im dritten pausiert er, am zweiten Abend singt je drei Stücke zu Beginn des zweiten und am Ende des dritten Sets. Vaughan kommt am ersten Abend zum Abschluss vorbei und singt „Teach Me Tonight“ im Duett mit Smith (siehe weiter oben für ihre Version mit Joe Williams), Hendricks singt am Ende des zweiten Sets am zweiten Abend „Whirly Bird“.
Im ersten Set geht es mit den Posaunen los: „A Little Tempo, Please“ – die Rhythmusgruppe lässt nicht lange bitten, Henry Coker spielt ein gutes Solo auf seine nonchalante Art. „To You“ ist dann ein romantisches Feature für Quentin Jackson. Dann folgt Budd Johnson in „Blues Backstage“, dem ersten Arrangement, das Frank Foster 1953 in die Band brachte – und das ist ein erstes wunderbares Solo, das seine immensen Qualitäten demonstriert, Coker ist dann auch wieder dabei, und Snooky Young sorgt am Ende für die Highnotes. In der langen „Segue in C“ von Wess (je nach Version hier 8-9 Minuten, was für Basie sehr ungewöhnlich ist, auch live dauern die Stücke eher 3-5 Minuten) sind dann erneut Johnson und Jackson zu hören, bemerkenswert sind auch die gedämpften Posaunen und natürlich das tolle Arrangement für Flöte/Trompete (der Komponist und Lennie Johnson). „So Young, So Beautiful“ ist eins der besten Features für das cremige Altsax von Marshall Royal, finde ich. Die gedämpften Trompeten – schon im im Intro- , die Posaunen und die Sax-Section spielen eine perfekte Begleitung, hier passt wirklich alles – und nichts ist übertrieben. Das kurzen Trompeten-Intermezzo stammt wieder von Johnson. Im Gegensatz zu den Angaben von Mosaic singt Smith hier noch nicht, doch der tritt dann in „Gee Baby, Ain’t I Good to You“ und „Don’t Push, Don’t Pull“ auf. Ihm fehlt das Charisma von Williams, aber er macht seine Sache dennoch ganz gut. Das Set endet mit „Basie“, einem Stück von Ernie Wilkins (von dem auch das Arrangement von „Don’t Push“ stammt): Ein paar Takte Trompete im Thema, Basie am Klavier und Johnsons Tenor mit ein paar von Lester Young inspirierten „false fingerings“ führen zu einem rasanten Abschluss (vor dem üblichen kurzen Set-Closer „One O’Clock Jump“, in dem die charakteristische Stimme von Pee Wee Marquette zu hören ist).
Budd Johnson einige Jahre später mit Zoot Sims (hinten).
Das zweite Set öffnet dann mit „Corner Pocket“, einem der Basie-Staples. Lennie Johnson spielt wieder das Trompeten-Solo, danach kommt endlich auch mal Frank Foster zum Zug, ist aber halb off-mike. „I Needs to Be Bee’d With“ ist ein einfaches, reduziertes Quincy Jones-Arrangement mit etwas Piano und Quentin Jacksons wunderbarer Posaune – er ist auf diesen Aufnahmen sofort als würdiger Nachfolger von Al Grey zu erkennen – aber leider blieb er ja nur kurz Zeit (wie beide Johnsons, Lennie und Budd, auch). Dann folgt Ocie Smiths Auftritt mit einer alten Lunceford-Nummer, in der er die Lyrics nicht ganz zu kennen scheint, „Pretty Eyes“, und dann mit seiner Version von „Smack Dab in the Middle“, die er mehr auf den Beat singt als Williams in Miami, was die Band dazu bringt, härter zu swingen. Budd Johnson ist in „Whirly Bird“ noch einmal zu hören, dann schliesst das Set wieder mit „One O’Clock Jump“.
Set 3 öffnet mit „The Song Is You“ und einem sehr lyrischen Henry Coker, zurückhaltend, mit fein dosiertem Vibrato auf den langen Tönen – und einer hart swingenden Band hinter sich (arr. Billy May). Dann folgen Fosters „Easin‘ It“ mit „chases“ der Posaunen (Coker/Jackson, Jackson/Powell) und Trompeten (Cohn/Johnson/Jones/Young), Wilkins‘ Arrangement von „Moten Swing“ mit Foster und – endlich einmal, aber nur kurz – Thad Jones. Fosters „Discommotion“ ist dann das Highlight des Sets, ein Feature für die Trompeten-Section, sein Tenor und die Posaune von – erneut ein ist ein „endlich!“ angebracht – Benny Powell. Das war eins von Fosters liebsten Arrangements, das aber sehr lange auf sich warten liess (diese Live-Version erschien damals ebensowenig wie die Studio-Version, siehe dazu weiter oben – beide mussten auf die teuren Boxen von Mosaic Records warten). In „Jumpin‘ at the Woodside“, dem „warhorse“ der Old Testament-Band, hören wir erneut Jones und Foster – und fast kann man den Eindruck kriegen, dass Basie in den ersten zwei Sets des Abends die neuen Solisten (Lennie Johnson, Quentin Jackson und Budd Johnson) präsentieren will, bevor dann im dritten die ältere Garde auch zum Zug kommt. Wobei Jones ja immer ein seltener Solist war, aber Foster gerade nicht. Jedenfalls ist das vermutlich das beste Set vom ersten dokumentierten Abend, aber ganz so wie in Miami und im Crescendo in West Hollywood sprühen die Funken nicht.
Das letzte Set des Abends beginnt mit Ernie Wilkins‘ „Red Hot Mana“, das im Studio bei derselben Session wie „Discommotion“ aufgenommen wurde. Thad Jones und Budd Johnson sind nach Basies Klavier zu hören. „Discommotion“ folgt danach gleich auch noch einmal – und klingt etwas anders, v.a. weil Budd Johnson ein anderes Solo spielt, in dem mehr Lester Young steckt, während Powells Solo dem vorigen ähnelt. Dann folgt das Vokalsegment der zweiten Hälfte des Abends: Ocie Smith singt „Every Day I Have the Blues“ in einer aufgeräumten Version, die wie bei Williams früher eine gezielte Klimax anstrebt, aber ohne die Antworten der Bläser auskommt, dann „Person to Person“ (Foster am Tenor) und schliesslich Sarah Vaughans Gast-Auftritt im Duett mit Smith in „Teach Me Tonight“, ein Höhepunkt dieses ersten Abends. Ein ausgewachsener „One O’Clock Jump“ beschliesst den Abend, Foster und Powell sind die Solisten, letzterer mit glänzend-feinem Ton. Dieser Closer ist denn auch die einzige Nummer vom ersten Abend, die auf der LP damals berücksichtigt wurde. Neun Stücke und weniger als 36 Minuten dauerte die LP. Für ein CD-Reissue von 2007 wurde der Umfang auf 17 Stücke erweitert, und dieselbe Auswahl gab es 2020 auch als Doppel-LP bei Pure Pleasure wieder (das japanische CD-Reissue von 2015 beschränkte sich – wie fast immer in Japan – wieder auf die neun Stücke der einstigen LP).
Quentin Jackson, ca. 1951 im Shrine Auditorium (Foto: Bob Willoughby) (damals gehörte Jackson zur Band von Duke Ellington)
Vom zweiten Abend gibt es nur drei Sets, die allerdings länger ausfallen (und teils unvollständig sind). Los geht es mit „Lullaby of Birdland“, Frank Wess an der Flöte und Thad Jones an der Trompete sind in Ernie Wilkins‘ Arrangement des Stücks von George Shearing zu hören. In „Little Pony“ (arr. Hefti) übernimmt Foster den einstigen Spot von Wardell Gray und treibt die Temperatur hoch – das rasante, kurze Stück war der Opener der LP. „Li’l Darlin“ (auch Hefti, klar) folgt als Ausgleich – schneller als üblich und ohne die Arpeggi von Freddie Green, die stattdessen Basie am Klavier übernimmt. Das Solo an der gestopften Trompete stammt von Sonny Cohn, den wir am Vorabend kein einziges Mal gehört haben. Warum die Band danach „Jingle Bells“ spielte, wusste später niemand mehr – das Stück ist 1990 auf der CD „Yule Struttin‘ (A Blue Note Christmas)“ erschienen. Dann tritt Marshall Royal für Quincy Jones‘ „Midnite Sun Never Sets“ nach vorn und glänzt auch hier wieder mit einer tollen Performance, in der er Elemente von Johnny Hodges‘ Spiel mit dem von Benny Carter zu vermählen scheint. Royal ist dann auch gleich in Ernie Wilkins‘ Arrangement von „How High the Moon“ zu hören – für einmal in einem ganz anderen Rahmen Das Tempo ist rasant, das Arrangement typisch für Basies New Testament-Ära, Royal spielt ein Solo voller stechender Phrasen, denen das „Blumige“ zwar Ansatzweise angehört werden kann, aber eben auch sein vorhandenes Potential als Solist jenseits der süssen Balladen. Henry Coker folgt im Spot, der einst Thad Jones gehört hatte, bei den paar Takten Tenor würde ich auf Foster tippen (halb off-mike und etwas in der Band verschwindend), Snooky Young spielt dann am Ende die hohen Töne.
An dieser Stelle besteht leider eine Lücke, die Bänder des Endes dieses und des Anfangs des zweiten Sets gingen leider verloren. Weiter geht es mit dem Gesangs-Segment von Set zwei, Ocie Smith in „There Will Never Ben Another You“ (arr. Buddy Bregman), „Make Me a Present of You“ und „Alright, OK, You Win“ (beide arr. Foster). Solos finden sich hier keine, aber in „Alright“ gibt es eine Art Dialog mit Drummer Sonny Payne. Danach folgt das Segment, das mehrheitlich den Inhalt der LP von 1961 ausmachte: der zweite instrumentale Teil des mittleren Sets (dieser „Teil“ bestand am ersten Abend nur aus einem Stück, hier folgen ganze vier und das kurze „One O’Clock Jump“, das Seite 1 der LP beschloss.
Dieses Segment hat sich dann tatsächlich gewaschen und es ist klar, warum Roulette hier zugriff, als es um die Auswahl des Materials für die LP ging. „Basie“ – damals fälschlich als „Discommotion“, was den Frust von Foster gewiss verstärkte – öffnet, noch bevor Ocie Smith die Bühne ganz verlassen hat. Basie und Budd Johnson sind zu hören, letzterer hervorragend aufgelegt. In „Good Time Blues“ ist dann der Leader zu hören – und das für die LP gekürzte Klavierintro wurde wiederhergestellt. Als „Secret Service pianist“ bezeichnete Frank Sinatra Basie einst – und was er damit gemeint hat, wird hier klar: so vieles bleibt im Verborgenen – und die Aussparungen weisen zudem ziemlich direkt auf Thelonious Monk hin (klar, 1961 war Monk längst aktiv, aber Basie hatte diesen Stil ja bereits in der zweiten Hälfte der Dreissigerjahre entwickelt). Jackson ist dann an der Posaune zu hören, eloquent wie üblich. Dann folgt „Segue in C“ mit einem packenderen Solo von Johnson, der fokussierter und bissiger klingt als am Vorabend, aber mit einem gelockerten Jackson für maximalen Kontrast. In „Whirly Bird“ tritt dann Jon Hendricks auf die Bühne und übernimmt den Solo-Platz, der sonst einem der Tenorsaxophonisten gehörte, singt auch im Ensemble eine eigene Linie mit. „One O’Clock Jump“ und dann weiter mit dem letzten Set aus dem Birdland – dem letzten von diesem vierzehntägigen Gig zumindest.
Los geht es mit Fosters „Blues Backstage“ und „Blee Blop Blues“ (arr. A.K. Salim), den beiden letzten Stücken der LP (das erste hiess dort „Backstage Blues“). Auch hier wurde ein längeres Klavier-Intro wiederhergestellt, während dem das Publikum noch ziemlich laut ist. Das Tenorsolo ist dann wohl vom Komponisten selbst und die Posaune vermutlich von Benny Powell, die Trompete am Ende dann von Snooky Young. Das kurze Salim-Arrangement ist ein Holdover aus der Zeit der alten Band, es stammt aus dem Jahr 1947 und hiess damals „Normania“ – Lennie Johnson ist an der Trompete zu hören, Foster erneut am Tenor: „It was exciting to play. It was short, and as a flagwaver it generated tremendous audience response because of all the screaming“ (zitiert aus Chris Sheridans Liner Notes zur Mosaic-Box). Foster und Thad Jones sind die Solisten in den folgenden zwei Stücken, „Corner Pocket“ und „Moten Swing“ – wobei in letzterem die Reihenfolge andersrum ist als am Vorabend. Dann folgt das Segment von Ocie Smith, hier wieder am Ende des Sets. Smiths bis dahin bester Auftritt blieb ebenfalls unveröffentlicht. „It Won’t Be Long“ (arr. Budd Johnson), „Don’t Worry ‚Bout Me“ (arr. Edgar Sampson) und nochmal „Don’t Push, Don’t Pull“. Budd Johnsons Arrangement wurde erst ein Jahr später im Studio aufgenommen – mit Irene Reid, aber auch die Aufnahme erschien erst in bei Mosaic. Anscheinend drängte danach die Zeit: Der instrumentale Closer fehlt und die abschliessende Version von „One O’Clock Jump“ ist nur wenig länger als üblich.
Auch wenn hier nicht ganz so sehr die Funken sprühen wie im Crescendo und in Miami, ist das ein schöner Mitschnitt – besonders auch für Fans von Budd Johnson, der zu Beginn des ersten Abends immer wieder zu hören ist, später ist dann eher – wie üblich – Frank Foster der Hauptsolist. Und Frank Wess geht leider fast komplett leer aus, was generell bei den Live-Auftritten so war, wohingegen er im Studio hie und da ein modernes Altsax-Solo einstreut (das einzige aus dem Birdland stammt ja atypischerweise von Royal), auch mal für eine Chase zum Tenor, und natürlich auf diversen etwas abenteuerlicheren Arrangements zur Flöte griff. Das sind dann halt die Stücke, die live eher nicht aufgeführt wurden.
Eins von nur zwei bei Discogs zu findenden alternativen Cover für das Album kam 1970 in Deutschland zum Einsatz.
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