Antwort auf: Wetten, dass

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latho
No pretty face

Registriert seit: 04.05.2003

Beiträge: 37,712

Jetzt mache ich doch wieder mit…

slow-trainEin Sticker ist erstmal mehr in-your-face, würde ich sagen. Texte geben mehr Raum zur Kontextualisierung. Dein Beispiel zeigt ja auch, dass solche Kennzeichnungen gar nicht die Regel sein müssen. Arethas Musik lässt sich ja für sich schon als Kommentar auf gesellschaftliche Missstände lesen. Da nehmen begleitende Texte ja eh oft das Befreiungsnarrativ auf, das ihre Musik beinhaltet. Das wäre dann ja eh ein klassischer Fall, wo es gar keinen Zeigefinger braucht, oder? Wirklich explizit sind ja beispielsweise Minstrel Songs, da würde ich schon eine Kontextualisierung verlangen – in dem Fall dann gern mit deutlicher Kenntlichmachung, dass es sich um rassistische Sterotypisierungen handelt, die auf Leute auch heute noch beleidigend wirken können. Für mich würde auch ein gutes, zeitgemäßes Reissue der Arbeiten von Phil Spector einer Kommentierung bedürfen. Ob da dann der Zeigefinger erhoben ist, ist ja eher eine Formulierungsfrage als ein Diktat des Zeitgeistes. Eine nüchterne Einordnung seines Schaffensprozesses kann für mich jedenfalls seine gewalttätige Art nicht ausschließen – und wenn das dann eben zeitgeistig ist, so what? Die Werke und die Personen dahinter haben in der Gegenwart einfach eine andere Wirkung als in ihrer Entstehungszeit.

 

Hinweistexte wären, egal wie formuliert, nur eine weitere Inkarnation von Tipper Gores Parental Advisory-Stickern. Und hätten (damit bist du nicht gemeint) im übrigen denselben Effekt wie diese Sticker: Kenntlich zu machen, was dem Establishment nicht in den Kram passt und den Schutz von Kindern als Vorwand.
Natürlich stellt sich die Frage nach dem Umfang. So ziemlich jeder Film vor 2000 müsste Hinweise auf Raucher enthalten, jeder zweite Film vor 1990 Hinweise auf „Gewalt gegen Frauen“ oder „Nichtrepräsentanz“, wenn man das nur weit genug fasst.
Mein Problem ist nach wie vor (wie zuvor an diversen Ecken des Forums geäußert), dass es ja auch eine Instanz für diese Warnungen geben muss und wer wäre das? An Freiwilligen (Bewerbungsschreiben sind die Twitter-Profile mit Followeranzahl) würde es nicht mangeln, die ganze „Bewegung“ kommt ja aus der Aufmerksamkeitsökonomie und ist am Beispiel der „Critical Race Theory“ gut zu beobachten: was es ist, kann keiner definieren (ja, angeblich gibt es das nicht mal), aber mit Büchern und Vorträgen zu dem Thema verdienen einige Leute gut daran. Es können aber auch nicht die Gremien aus Millenials mit ihren PISA-Geschichtskenntnissen und ihren Freunden aus den Medien sein, denn dann würde jeder Film, jedes Album, jedes Buch mit einem Beipackzettel herauskommen, der länger ist als jede medizinische Beilage. Denn Sinn und Zweck ist es ja, sich in der Frage der Aufmerksamkeit gegenseitig zu überbieten. Und da schämt man sich auch nicht, allen anderen zu erklären, dass zB. das 19 Jhd. frauenfeindlich war (grundsätzliches Problem der Postmoderne, stating the obvious). Und bevor es heißt, „das müssten Vernünftige, Ausgebildete“ machen – die gibt es in dem ganzen Thema nicht und sie würden auch gar nicht akzeptiert werden.

zuletzt geändert von latho

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If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.