Antwort auf: Wetten, dass

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slow-train

Registriert seit: 25.09.2008

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bullitt Ist das wirklich dein Ernst? Für mich eine wirklich gruslige Vorstellung, auf einen Stones-Reissue Linernotes zum Thema „problematische Geschlechterbilder der Sixties“ zu lesen. Und wer sollte dafür zuständig sein, das zu definieren? Ein Comeback von Zensurbehörden? Die Bücher von Charles Bukowski erscheinen dann fortan als kritisch kommentierte Auflagen? Bei erwachsenen Menschen geht meiner Meinung nach gar kein Weg daran vorbei auf Selbstbestimmung und Eigenverantwortung zu setzen. Alles andere ist für mich niemals akzeptabel. Das hier überhaupt in Zweifel zu ziehen, schockiert mich gerade einigermaßen. Bestätigt allerdings, dass bei mir nicht zu Unrecht bei dem Thema so oft die Alarmglocken schrillen..

Ich glaube, wir reden aneinander vorbei oder wir haben einfach konträre Freiheitsbegriffe. In meinem Beispiel ging es mir gerade darum, dass es für mich gar nicht zwangsläufig Triggerwarnungen oder ähnliches in Form von Stickern oder Aufdrucken braucht. Die Liner Notes/ können ja gerade dazu dienen, problematische Inhalte oder tradierte gesellschaftliche Positionen aufzudecken und nein, das muss gar keine ganze Critical Whiteness-Seminararbeit sein, sondern dafür reichen auch mal ein oder zwei Halbsätze, die einfach auf bspw. mögliche rassistische Labelstrukturen hinweisen oder erwähnen, dass sich es zu einem bestimmten Track Kritik verschiedener Aktivist:innengruppen gab. Warum sollte man den Kund:innnen so ein Wissen nicht zugänglich machen? Und warum soll da die Selbstbestimmung aufhören? Würde die Perspektiverweiterung nicht eher dazu führen, dass man eine breitere (Wissens-)Basis für Wertureile hat?

Wie so etwas stattfinden kann? So wie alles, wofür sich ein Markt findet. Labels/Verlage Fragen bei Hochschullehrenden, Menschen aus dem Journalismus oder semiprominenten Leuten an und dann entsteht ein Text und wenn sich eine Kundschaft findet, dann ist das schön, wenn nicht, wird man die Sache halt wieder überdenken – dafür braucht es gar keine Behörden und ich sehe das eher entspannt.

Wie oben angedeutet, geht es mir hier ja hauptsächlich um die Perspektiverweiterung und ich empfinde es auch gar nicht als moralisch betreut, wenn ich vor einem Film darauf hingewiesen werde, dass in den nächsten Minuten oder Stunden Gewaltdarstellungen, rassistisches Vokabular, Vergewaltigungen oder meinetwegen auch Raucherszenen folgen. Ich kann mir vorstellen, dass Betroffene, das zu schätzen wissen und die Filmsichtung dann auch mal auf einen Tag verschieben, an dem sie da darauf vorbereitet sind. Und wenn ich gerade auf Rauchentwöhnung bin, dann entscheide ich halt, das Werk ein paar Monate später anzuschauen und mir jetzt nicht meinen Helden beim Raucherblasen durch die Luft pusten zuzusehen.
Wie gesagt, vielleicht haben wir da unterschiedliche Freiheitsvorstellungen, aber ich finde schon, dass Warnhinweise und das Herausarbeiten unterschiedlicher Perspektiven auf Kultur(-produktion) eher dazu dienen können Eigenverantwortung zu übernehmen.

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