Antwort auf: Umfrage: Die besten Studio-Alben von Bob Dylan

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wahr

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jesseblue Natürlich erklärt der Erstkontakt vieles, dennoch bin ich überrascht, dass „Modern Times“ deine No.1 ist. Ich hätte vermutet, dass die vielen Bluesstandards auf diesem Werk eine Spitzenposition für dich verhindern würden.

Modern Times war nicht mein erster Kontakt mit Dylan, der war ein paar Jahrzehnte davor, aber es war der erste, bei dem es vollständig gefunkt hat. Ich glaube nach wie vor, dass Dylans Stimme der Knackpunkt ist – und sein wichtigstes Instrument, mit dem er seine Kunst beschickt, auch um dahinter zurückzutreten. Als ich mir seine Stimme erobert hatte, war der Zugang geschafft. Und das passierte eben über den Dylan von Modern Times. An Modern Times begeistert mich neben der Stimme auch die große Eleganz, mit der seine Band durch die tief eingegrabenen Muster der Traditionen des amerikanischen Songbooks gleitet. Wie der Zitatenschatz in der Summe von allem – dem Zusammenspiel von Texten, Stimme und Musik – miteinander verschränkt und zu etwas eigenem wird.

Hätte man die Aufgabe, ein einziges ikonisches Bild wählen zu müssen, das den persönlich am meisten geschätzten Dylan unter den vielen Dylans am ehesten chrakterisiert, würden viele vielleicht den jungen Pete-Seeger-Adepten nehmen. Oder den Dylan mit der riesigen elektrischen Glühbirne. Oder den Dylan mit Wuschelkopf und Sonnenbrille, wie er von Cate Blanchett dargestellt wurde. Vielleicht auch den Dylan mit Kreide im Gesicht zu Rolling Thunder-Zeiten: Totenmaske und antiker griechischer Schauspieler in einem. Vielleicht auch den Dylan mit Pelzkragen und Hut zu Desire-Zeiten, oder den Mustache-Dylan. Mein Dylan-Bild wäre der Dylan, wie er im Kreis zusammen mit seinen Musikern sitzt, alle freudig gespannt, sich tief hinein in die Traditionen amerikanischer Musik zu versenken, Schätze zu heben – und sie an anderen Orten wieder zu verstecken. Denn das ist Dylan für mich auch: Schatzgräber und Schatzvergräber in einem. Dylan ist eben nie nur das eine, er ist auch immer etwas anderes. Ich bin froh, dass ich dann doch noch den Zugang gefunden habe. Es macht einfach sehr viel Spaß und kann unheimlich inspirierend sein, sich mit ihm und seinen Masken zu beschäftigen.