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Adrian Daub stammt aus Köln und ist Literaturprofessor an der Stanford Uni, er kennt also das angeblich von der politischen Korrektheit verseuchte amerikanische Uni-System. Er schreibt für die NZZ, die FAZ, die Welt, die SZ, die Zeit und den Merkur.
„Der Begriff «Cancel Culture» ist erst ein paar Jahre alt, aber aus dem Vokabular des deutschen Feuilletons nicht mehr wegzudenken. Wenn es Cancel Culture nicht gäbe, hätte das deutsche Feuilleton sie erfinden müssen. Gewissermassen hat es das auch. In der deutschsprachigen Presse ist um diese Schauergeschichten für die Boomerseele ein regelrechtes Ökosystem entstanden. Da lohnt es sich zu fragen, warum. Gewiss sind solche Formen der Panikmache Ausdruck konkreter Ängste. Aber sie werfen auch ein Schlaglicht auf Verschiebungen in der deutschsprachigen Publizistik und im europäischen Selbstverständnis.
Cancel Culture reiht sich in ein Muster ein: Aufregung unter Rechten in den USA wird Futter fürs liberale deutschsprachige Feuilleton. Man fühlt sich an den alten Marx-Satz erinnert, Deutschland habe die Restaurationen gehabt, selbst wenn es die Revolutionen übersprungen habe. Europa mag Entwicklungen unter US-Campus-Linken – wie die Gender Studies und Critical Race Theory – zwar verschlafen haben. Für die Ängste seitens Konservativer über Gendern ist es aber hellwach.“
WOZ vom 4.11.21: „Der kurze Weg von der Lappalie zur Cancel Culture“ (frei zugänglich)
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