Antwort auf: Ich höre gerade … Jazz!

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gypsy-tail-wind
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Keith Jarrett / Charlie Haden – Jasmine | Du sollst keine Liner Notes von Keith Jarrett mehr lesen. Du sollst keine Liner Notes … das ist jetzt wohl so ein Fall. Die Kunst geht zugrunde, und die Kunst des Zuhörens natürlich mit ihr. Aber er und Charlie hätten diese Aufnahmen ganz oft angehört, meist spätabends … ich hör sie jetzt halt morgens, hoffe das ist gestattet. Den Einstieg finde ich stärker als erinnert (besonders der Opener „For All We Know“). Kann ja sein, dass die paar Jahre Abstand – und das dabei geschehene Entschwinden von Erwartungen – den zwei Duo-Alben gut getan haben. Was mir hier auffällt: Jarrett klingt sehr konventionell, ich möchte fast sagen: auswechselbar. Halt ein Jazzpianist, der im intimen Rahmen über Standards improvisiert. Was ich damit sagen will ist, dass mir bei den Solo-, aber auch bei den Trio-Aufnahmen, solche Gedanken fast nie kommen: Er klingt dort wie Jarrett – ich musste z.B. leer schlucken, als ich vor ein paar Wochen hier einen Bill Evans-Vergleich las (von @vorgarten, glaube ich?). Natürlich ist der nicht weit hergeholt, aber ich hatte ihn beim Jarrett Trio einfach echt nie. Die Vorstellung, dass Jarrett quasi von aussen (von woher überhaupt? irgendwo ausserhalb der Zivilisation zumindest) auf all das kommt, was er macht, scheint mir auch heute noch so absurd wie einleuchtend – ohne dass ich das genauer fassen könnte. Und das nehme ich hier nun völlig anders wahr. Nehmen wir die kleinen Zwischentöne, die „inflections“ im Thema von „Blue Moon“, die linke Hand – das klingt für mich dann nicht mehr nach diesem extraterrestrischen Überpianisten sondern eben nach „einfach ein Jazzer, der im intimen Rahmen ein wenig improvisiert“. Vielleicht ist dieses so andere Hören meinerseits auch der Grund, warum mir die beiden Duos mit Haden nie so wirklich gefallen mochten bisher? (Ich hab beide mit ***1/2 geführt bisher.)

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