Antwort auf: Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)

Startseite Foren Kulturgut Für Cineasten: die Filme-Diskussion Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II) Antwort auf: Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)

#11532157  | PERMALINK

motoerwolf

Registriert seit: 25.10.2006

Beiträge: 6,160

So, hier sind schon mal Eindrücke zu dreien der letzten Kinofilme, die ich gesehen habe.

 

Fast & Furious 9 (F9, Justin Lin, 2021)

In meinen Augen ist das der bisher schlechteste Film der Reihe. Ich bin ja im Prinzip ein eher wohlwollender Kinogänger / Filmegucker, aber hier ist erstens langsam die Luft raus und zweitens sind bei F9 einige Sequenzen so übertrieben, dass sie selbst mir zu blöd sind (z.B. das Fahren über eine einstürzende Hängebrücke, später das Schwingen eines Autos mittels eines Trägerseils dieser Brücke über den Abgrund, siehe Trailer). Wenn das die Qualitätssicherung sein soll, die man sich von Lins Rückkehr auf den Regiestuhl versprach möchte ich nicht wissen, wie der Film ohne ihn ausgesehen hätte. Zwar gibt es auch ein paar ganz nette Szenen, aber die sind relativ rar. Am besten gefällt mir da noch, dass Brian (Paul Walker) noch immer in den Film integriert wird. Für mehr als 5/10 Punkten reicht das aber nicht, und schon die könnten unter Umständen zu hoch gegriffen sein. Allerdings könnte umgekehrt mein Eindruck auch etwas zu negativ sein, weil ich nie ein schlimmeres Publikum als in diesem Film erlebt habe. Dummes Gelaber ohne den Versuch, ein wenig Rücksicht zu nehmen, entsetzlich lautes Popcorn und Nachos, ständige Toilettengänge und haufenweise Menschen, die dauernd auf ihr Handy glotzen verderben natürlich jeden Film.

 

Monster Hunter (Monster Hunter, Paul W.S. Anderson, 2020)

Der Film ist laut, schnell, ohne Verschnaufpause und voll auf die Zwölf. Natürlich ist er auch dumm und belanglos, allein, das ist völlig egal. Wer hier Arthouse erwartet hat selbst schuld. Die Handlung ist mit dem Satz Menschen kämpfen gegen Monster erschöpfend erklärt. Die Umsetzung ist aber wirklich klasse, und es macht (nachdem das Hirn ausgeschaltet ist) einfach Spaß, diesen schörkellosen Actionkracher anzusehen. In diesem Sinne gebe ich die volle Punktzahl von 10/10. Das heißt, der Film leistet genau das, was er verspricht, verdammt solide und spaßige Unterhaltung. Die Punkte sollen ausdrücklich nicht bedeuten, dass hier ein ewiger Klassiker geboten wird, der neue und tiefe Erkenntnisse über das Leben, das Universum und den ganzen Rest bietet.

 

Bad Luck Banging or Loony Porn (Babardeală cu bucluc sau porno balamuc, Radu Jude, 2021)

BLBOLP will dagegen genau das, uns das Leben erklären. Dazu bedient sich Jude ungewöhnlicher Mittel. Am Anfang des Films steht der Hardcoreporno, den der Titel verheißt. Den hat die Lehrerin Emilia „Emi“ Cilibiu mit ihrem Mann für private Zwecke gedreht, doch dummerweise ist er auf PornHub gelandet und wurde von Emis SchülerInnen gesehen. Daher muss Emi nach dem dem Vorspann in Teil 1 des Films („Einbahnstraße“) durch Bukarest zu ihrer Vorgesetzten, der Rektorin, laufen. Im Grunde passiert hier weiter nichts, sie begegnet ein paar Menschen (Blumenhändlern, Falschparkern usw) und läuft und läuft. Die Kamera schweift dabei immer mal wieder von Emi ab um zum Beispiel die Fassaden von Ruinen gleichsam abzutasten, wenn Emi an ihnen vorbei läuft. Wirkliche Handlung gibt es erst, als sie bei der Rektorin eintrifft, aber viel passiert auch hier nicht. Es wird lediglich besprochen, dass bezüglich des Skandals ein Elternabend einberufen wurde. Trotz Corona übrigens, der Film setzt nämlich der Pandemie geradezu ein Denkmal. Masken überall, sowie Gespräche über Corona und die Coronadiktatur am Rande verorten den Film zeitlich sehr genau im Hier und Jetzt. Es folgt „Teil 2: Kurzes Wörterbuch der Anekdoten, Zeichen und Wunder“, ca 40 Minuten ohne jede Handlung. Es werden Begriffe genannt und oft sehr zynisch erläutert, von Blowjob über Vergewaltigung, oft mit Bezug zur Rumänischen Vergangenheit und Gegenwart. Dazu gibt es Archivbilder genauso wie extra gedrehtes Material zu sehen. Bilder von Kriegsopfern und Fotzen (sic!) wechseln sich ab, Betrachtungen über Nationalismus oder die Analogie zwischen Kino und der Sage um Perseus und die Medusa stehen gleichberechtigt neben einem gespielten Blondinenwitz. „Teil 3: Praxis und Anspielungen (Sitcom)“ schließlich zeigt den Elternabend, der ein Tribunal über Emi wird. Noch einmal zeigt Jude uns sämtliche widerwärtigen Fratzen der Moderne, Militarismus, Nationalismus, Antisemitismus, Heuchelei, Wichtigtuerei, you name it. So wie der Film drei Teile hat, hat er auch drei Enden. Einen Freispruch, einen Schuldspruch und einen Schuldspruch, in dessen Folge Emi zu Wonder Woman wird, mit einem Netz alle Eltern fängt und sie dann mit einen großen Dildo oral penetriert. Mit klassischem Kino hat das zwischendurch wenig zu tun, hier wird mit den Mitteln der Satire und der Groteske eher ein filmisches Essay zur Lage der (nicht nur rumänischen) Menschheit geliefert. Jude geht hier nicht ein Problem an, sondern alle. Das ist viel gewollt, aber überraschenderweise ist auch viel gelungen, wenn man denn bereit ist, sich darauf einzulassen. Das werden viele nicht sein. Als der Film losging, waren mit mir sechs Menschen im Kino, doch die ersten gingen noch vor dem Vorspann (während des Pornos), der Rest nach ca einer halben Stunde. Eine Wertung mag ich hier nicht geben, aber wer abseitiges Kino verträgt, dem möchte ich eine Empfehlung aussprechen.

 

PS: Danke für den immer wieder erfolgenden Zuspruch, den ich hier bekomme!

zuletzt geändert von motoerwolf

--

And all the pigeons adore me and peck at my feet Oh the fame, the fame, the fame