Antwort auf: Vorsicht, Ansteckungsgefahr! Der Zombiefilm-Thread

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motoerwolf

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The Night eats the World (La nuit a dévoré le monde, Dominique Rocher, 2018)
Dieser französische Beitrag zum Genre ragt in mancher Hinsicht aus der Masse der Zombiefilme heraus. Er untersucht nicht die Kinetik einer Apokalypse, sondern deren Dynamik in Bezug auf den Menschen. Dazu bedient er sich über weite Strecken der Mittels eines Kammerspiels, er wird lediglich von seinem Protagonisten Sam (Anders Danielsen Lie) getragen. Daraus ergeben sich weitere genreuntypische Eigenheiten des Films. Dem Charakter der Figur wird hier ein großer Raum geboten (nur nicht im wörtlichen Sinne, da ist der Raum sehr begrenzt). Seine Einsamkeit verändert Sam, destabilisiert seine Psyche und treibt ihn schlussendlich aus seiner abwartenden, den Status Quo bewahrenden bis rückwärts gewandten Haltung hinaus. Gleichzeitig bleibt er sich gleichzeitig grundsätzlich treu. Er bleibt human in einer völlig entmenschlichten Welt. Das zeigt sich zum Beispiel an seinem Umgang mit einem gefangenen Zombie, aber auch an seinem Bedürfnis nach Musik. Er spielt nicht nur Schlagzeug (was zu einem schönen Seitenhieb auf Fantum führt), sondern er entwickelt aus der Not heraus eine Musik, die nur mit Alltagsgegenständen erzeugt wird. Das Grundbedürfnis nach Ästhetik treibt Sam also auch in dieser Ausnahmesituation an, nachdem seine physiologischen Bedürfnisse, sein Bedürfnis nach Sicherheit, nach Sozialkontakt (wenn auch extrem eingeschränkt) und seine kognitiven Bedürfnisse (durch Bücher) so weit wie möglich gestillt sind. Selbst Transzendenz bleibt ihm wichtig, wie man an seinem Umgang mit Toten erkennen kann. TNETW ist also ein recht nachdenklicher Beitrag, sehr reflektiert und trotzdem mit ein paar harten Szenen aufwartend.

Dead and Deader – Die Invasion der Zombies (Dead and Deader, Patrick Dinhut, 2006)
DAD schlägt in eine ganz andere Kerbe. Hier ist nichts poetisch. Der Film ist einfach eine Buddy-Komödie, die ihren Reiz nicht zuletzt aus den vielen popkulturellen Anspielungen bezieht. Dazu gibt es hübsches Gesplatter, meist gemildert durch comic relief. Und nicht alltäglich ist der Umstand, dass die Hauptfigur Lt. Bobby Quinn untot ist. Noch kein klassisch seelenloser Zombie, aber durchaus getrieben vom Hunger nach Menschenfleisch. Auch wenn man dem Film jederzeit anmerkt, dass er für das Fernsehen produziert wurde, er hat genauso viel Charme wie wenig Tiefgang und unterhält mit dieser Mischung bestens.

Dead Set – Reality Bites (Dead Set, Charlie Brooker, 2008)
Dead Set ist eigentlich kein Film, sondern eine Miniserie, die aber von der Gesamtlänge das Filmformat nicht überschreitet. Produziert wurde die Serie für das britische Fernsehen. Neben den wirklich tollen handgemachten SFX besticht die Serie vor allem durch ihr Setting. Die Apokalypse bricht hier nämlich über England herein, während die Protagonisten im Big Brother-Haus sind. Dieses schützt sie zunächst eine Zeit lang, doch interne Zwistigkeiten und gelebter Egoismus lassen schnell die äußere Hölle nach innen vordringen. Schön ist auch, dass die Serie mit der Realität durch echte TV-Figuren verknüpft ist. Die BB-Moderatorin in der Serie ist nämlich Davina McCall, die diese Rolle auch im realen Leben hat.

Die Rückkehr der Zombies (Le notti del terrore, Andrea Bianchi, 1980)
Objektiv gesehen ist der Film ziemlicher Müll. Aber Freunde des Genres wie ich haben ja oft eine gewisse Affinität zum Trash, und Bianchis Film bietet bei aller Billigkeit, aller Unlogik und der Ausbeutung ödipaler Beziehungen eine gewisse Atmosphäre, der ich mich nicht entziehen kann. Damit ist er Filmen wie Zombie III (Zombi 3, Lucio Fulci / Bruno Mattei / Claudio Fragasso, 1988), Zombie 4 – After Death (Oltre la morte, Claudio Fragasso, 1989) oder Die Hölle der lebenden Toten (Virus, Bruno Mattei / Claudio Fragasso, 1980), um ein paar andere italienische Produktionen zu nennen, weit voraus. Dennoch ein typisches guilty pleasure.

Foltermühle der gefangenen Frauen (Les Raisins de la Mort, Jean Rollin, 1978)
Auch bekannt als Zombis geschändete Frauen und Pestizide – Stadt der Zombies. Rollin schafft es hier, (zufällig?) einen wirklich atmosphärischen, ja beinahe poetischen Film zu präsentieren. Ähnlich wie im weiter oben genannten Das Leichenhaus der lebenden Toten von Jorge Grau geht es auch hier um eine durch Schädlingsbekämpfungsmittel verursachte Katastrophe, bei der allerdings keine echten Zombies, sondern (wie man heute sagen würde) Infizierte über die Menschheit hereinbrechen. Typische Elemente von Rollins Werk sind auch hier zu finden, der Film ist sehr langsam erzählt, hat starke erotische Momente neben sehr brachialen Goreszenen. In dieser Hinsicht ähneln seine Filme ein wenig denen von Jess Franco. Von beiden kenne ich leider noch immer viel zu wenig.

zuletzt geändert von motoerwolf

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And all the pigeons adore me and peck at my feet Oh the fame, the fame, the fame