Startseite › Foren › Fave Raves: Die definitiven Listen › Die besten Alben › Umfrage & Ergebnis: Die besten Miles Davis Alben › Antwort auf: Umfrage & Ergebnis: Die besten Miles Davis Alben
Anonym
Registriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
@gruenschnabel: Meine versprochene Antwort.
Ausgangspunkt der Diskussion war die Aussage von @pinnball-wizard, dass Edgar Froese Miles Davis` “In a silent way” in und auswendig kenne, sprich, dieses Werk sei eine Art Blaupause oder enthielte die Grundsubstanz für das Tangerine Dream Album“Phaedra”.
Das möchte ich gerne widerlegen. Tangerine Dream waren in den End 60er/70er Jahren eine der wichtigsten Gruppen im Genre der “Elektronischen Musik”. Diese Musikrichtung ist mit der Entwicklung der modernen klassischen Musik (Europa/Russland) verknüpft. Miles Davis experimentierte mit Errungenschaften aus der elektronischen Musik und baute sie in den “Jazz” ein, während z.B. Tangerine Dream eine der einflussreichsten Bands im Gebiet der elektronischen Musik darstellten.
In den 20er/30er Jahren bagann man natürliche Geräusche in die Musik einzubauen. Die Methodik des Komponierens wurde verändert. Die Manipulation dieser Geräusche geschah mit Hilfe von elektronischen, elektro-akustischen und elektromechanischen Mitteln. Das Zeitalter der experimentiellen Musik (“Music Concrete”) begann. Auch das Experimentieren mit Geschwindigkeiten gehörte dazu. Das 1939er Werk “Imaginary Landscape No 1” von John Cage gehörte zu dieser Gattung. Allerdings waren die technischen Möglichkeiten noch beschränkt und sehr kost- und zeitspielig.
Bis in die 1950er Jahren machte die technische Entwicklung große Fortschritte, so dass die ersten reinen elektronischen Tonstudios errichtet werden konnten. Köln wurde zu einem Zentrum, u.a. mit dem Visionär Karlheinz Stockhausen. Das strikte tonale System wurde immer weiter aufgebrochen. Neben den Manipulationen der natürlichen Geräusche, wurde auch z.B. mit “White Noise” experimentiert, Filter eingesetzt etc.. Dadurch wurde die “Elektronische Musik” zu einem Werkzeug, um neuartige Musik zu komponieren.
Der Bezug der “Elektronischen Musik” zur “Modernen Klassik” ist vorhanden. Der russische Komponist J.M. Schillinger schrieb bereits im Jahre 1932 sein Essay “Electricity, a Liberator of Music”. Damit bekam das Wissen um die technischen Möglichkeiten eine höhere Bedeutung als Talent. Es ging um die Reduktion einer Komposition durch mathematische Berechnungen und Algorithmen als zentrales Thema. Komponieren durch Berechnungen war eine Schluesselthese.
Schillinger ging es auch um den Ansatz Maschinen zu entwickeln, die einen Automatismus während des Komponierens ermöglichten.
Interessanterweise wurde Schillinger in Amerika populär, allerdings eher auf dem Gebiet der Massenproduktionen. Arrangeuere des Broadway oder aus Hollywood sowie Jazzmusiker (die oft mit eine Art Fließband-ähnlicher Geschwindigkeit, bedingt auch durch finanzielle Gründe, eine große Anzahl an Alben produzierten) fanden an seinen Theorien gefallen. Bekannte Namen, die sich auf Schillinger berufen sind z.B. Tommy Dorsey, Benny Goodman, Glenn Miller, Gerry Mulligan, Quincy Jones oder John Lewis (Modern Jazz Quartet). Auch George Gershwin baute diese Theorien in seine Musik ein.
Doch Hauptzentrum für “Elektronische Musik” blieb jedoch Europa. Hier waren vor allem Mailand (“Radio Televisione Italiana” und Künstler wie Berio oder John Cage) oder Köln mit z.B. Karlheinz Stockhausen Inovatoren. Ein wichtiges Werk Stockhausens stellte der “Gesang der Jünglinge” da.
Ich möchte jedoch auf das 1959er Werk “KONTAKTE” verweisen.
In diesem Werk wurden sämtliche Klänge, auch jene, die naturalistisch klingen, wie z.B. Holzblöcke, Metall Becken, Almglocken oder Maracas, elektronisch erzeugt, also synthetisch, und zwar aus Impulsen. Dies war 1959 noch ein sehr aufwändiger Prozess, der Modulare Synthesizer, war noch nicht soweit. Aus Impulsen wurden Rhythmen erstellt. Diese Rhythmen wurden auf “KONTAKTE” in mehreren Räumen laufen gelassen, als Schleifen. Durch Beschleunigung konnte man die Tonhöhe auf z.B. 8 Oktaven erhöhen oder ebenso gut absinken lassen. Ziel war es, eine Klangfarbe zu erzeugen, die zu einem wesentlichen Merkmal der “Elektronischen Musik” wurde. Um auf “KONTAKTE” eine Klangfarbe von ca. 8 Sekunden Länge zu erzeugen, benötigte Stockhausen ca. einen Tag.
Hier ein Soundbeispiel aus dem Werk “KONTAKTE”.
Somit spielte Karlheinz Stockhausen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der neuen Musikrichtung “Elektronische Musik”. Mit der Entwicklung des modularen Synthesizers, der die Vorprogrammierung eines Synthesizers in dessen individuelle Teile auseinander brechen konnte, kam der Durchbruch. Je nachdem, wie die Inputs und Outputs der elektronischen Spannungen verbunden wurden, konnten eine fast unüberschaubare Vielfalt an Klangfarben erzeugt werden, die dann ein wichtiges Merkmal des Komponierens wurden.
Miles Davis verwendete Merkmale der “Elektronischen Musik”, in dem er die Jazz Musik aufbrach. Doch die Innovation, die dies ermöglichte und eine neue Musik kreierte, kam aus Europa.
Und noch kurz zu “Mysterious Semblance at the Strand of Nightmares” von Tangerine Dream. Das ist auch klar europäischer Natur. Stockhausen ist hier einer der Wegbereiter, was die Entwicklung der “Elektronischen Musik” anbelangt. Die Harmonien, das Mellotron, erinnert an z.B. “Watcher of the Skies”, das erste Crimson Album oder “A Saucerfull of Secrets” von Pink Floyd. Und diese kannten viele Werke aus der “Spät-Romantik” oder “Moderne Klassik” (Stichwort: Holst “The Planets”). Vielleicht manchmal noch in Verbindung mit LSD 😉.
Auf dem Gebiet der “Elektronischen Musik” gibt natürlich noch weitere Techniken, auf die ich nicht speziell eingegangen bin (“Tape Editing”, “Tape Loops”, “Changing Tape Direction” etc.), die zwischen 1930 bis 1950 entwickelt wurden.
--