Antwort auf: Die Violine im 20. Jahrhundert

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gypsy-tail-wind
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Ich mache mal weiter … neben Isaac Stern war Jascha Heifetz bei mir in den Anfängen wohl die wichtigste Station (gefolgt bald von Michael Rabin und dann David Oistrakh, Nathan Milstein, Arthur Grumiaux, Joseph Szigeti). Er bleibt für mich einer der Allergrössten überhaupt, drum darf auch das Bild ziemlich gross sein (je nach Auflösung am Bildschirm dürfte es fast der wirklichen Grösse entsprechen); dieses Bildchen zeigt den 2011 veröffentlichten Koffer mit seinen gesammelten Aufnahmen für RCA. Einige davon sammelten sich hier an, in billigen Boxen, und auch in der Icon-Box von EMI (da gab es Vertriebsdeals mit RCA, weshalb in Europa einige der Aufnahmen bei EMI herauskamen – und EMI anscheinend auch in den Nullern noch Rechte daran besass, so genau weiss ich das nicht). Als der Koffer 2014 noch einmal erschien, musst eich einfach zugreifen – ich hatte davor schon die noch grössere Rubinstein-Box gekauft, in der es ebenfalls viele Aufnahmen mit Heifetz zu hören gab … kühl oder kalt oder emotionslos sei er, hört man gerne mal, perfekt (was dann gerne ein negatives Attribut ist) – aber so empfinde ich das überhaupt nicht, eher scheint er mir an der Oberfläche mit der Film-Persona von Buster Keaton verwandt zu sein. Und er war auch privat, wie man allerdings nur selten hört, da er in der Tat ein sehr privater Mensch war, ein überaus humorvoller und oft zu einem Spass aufgelegter Kerl. Die Box ist natürlich längst auch wieder vergriffen, und auch die späteren Auskopplungen (die Box mit den gesammelten Heifetz-Piatigorsky-Konzerten und „The Complete Stereo Recordings Remastered“) sind längst weg bzw. mondpreisig, nicht mal die billigen Sets, die ich damals neben der Icon und den Konzerten mit Piatigorsky kaufte: „Plays Beethoven“, „Plays Great Violin Concertos“, „Plays Great Violin Sonatas“. In der Reihe folgte 2015 noch ein viertes Set, „Plays Favourite Recital Pieces & Encores“, das auch ziemlich guten Stoff enthält. Bei Naxos ist bestimmt noch einiges greifbar, aber ich möchte die grosse Box wirklich nicht missen, sie ist – wie die Rubinstein-Box – für vieles eine Art Grundstein hier.

Nathan Milstein – auch er ein perfekter Techniker, auch bei ihm hört man manchmal was von kühl oder emotionslos. Kann ich genau so wenig nachvollziehen, denn da ist ein innere Glühen, das auch seine berühmte Bach-Aufnahme für DG durchzieht. Eine kleine Box mit seinen DG-Aufnahmen ist wohl immer noch erhältlich, ich habe den Bach in einer gemischten Box von Universal/DG und im Plattenregal steht auch noch was, hab beschlossen, dass das reicht – denn bei aller Faszination ist er dann doch keiner, bei dem ich möglichst viel haben möchte. In der Box finden sich aber diverse tolle Einspielungen, u.a. mit dem Pittsburgh Symphony Orchestra unter William Steinberg. Und da ist auch die EMI-Einspielung des Solo-Bach. Was bei meiner Art des Einkaufens/Sammelns noch hinzukommt: in verschiedenen Label- oder Dirigenten-Boxen tauchen die Geiger, um die es hier geht, auch wieder auf – Milstein z.B. mit Walter, Barbirolli, Munch oder Jochum. Von Milstein gibt es auch eine CD in der feinen Lucerne Festival-Reihe von Audite – mit einem so dunkel schimmernden Mendelssohn-Konzert, wie man es gerade von diesem sonst doch eher ohne doppelten Boden aufspielenden Meister nie erwartet hätte – faszinierend! (Die Reihe dürfte weiterhin komplett erhältlich sein, Schneiderhan und Stern sind die anderen bisher vertretenen Geiger.)

Von Max Rostal habe ich gerade mal eine CD da (er taucht noch mit Monique Haas und Paul Tortelier auf) – aber die hat es in sich. Die Empfehlung kam – wie so viele! – von @clasjaz, und sie war wertvoll. Die „Kreutzer“ mit Franz Osborn am Klavier ist ebenso hervorragend wie das Bartók-Konzert mit dem LSO unter Sargent. Da dürfte ich wohl mal die Documents/Membran-Box holen (die frecherweise einfach das Cover einer Testament-CD kopiert).

David Oistrakh – der erste Russe, der nicht aus einer exilierten Familie stammt … auch auf ihn stiess ich früh, damals gab es noch einige der Brilliant-Boxen aus der Reihe „Historic Russian Archives“, in der Regel 10 CD umfassend. Von Oistrakh hatte ich bald drei im Regal: eine mit dem Oistrakh Trio mit Sviatoslav Knushevitsky (vc) und Lev Oborin (p), eine mit Konzerten und eine mit Kammermusik. Die Box mit seinen EMI-Aufnahmen war auch bald da, und später auch noch die DG-etc.-Box (oben). Interessanterweise weiss ich aber bis heute gar nicht so recht, was ihn ausmacht – oder was ihn für mich ausmacht. Aber seine Mozart-Einspielungen sind z.B. sehr schön (EMI, er leitet selbst die Berliner Philharmoniker, in KV 364 wechselt er an die Bratsche und Sohn Igor spielt die Geige), unter den russischen Aufnahmen finden sich (bei manchmal ziemlich schlechter Klangqualität, das ist bei den Brilliant-Boxen in Kauf zu nehmen) einige Werke, die nicht gerade oft zu hören sind … und natürlich tauchen an seiner Seite die legendären russischen Taktstock-Dikatoren auf: Kondrashin, Mravinsky, Eliasberg, Rozhdestvensky, Sanderling. Auch die Westler sind eine illustre Gruppe: Karajan, Cluytens, Szell, Klemperer usw. Unter den Kammermusikpartnern finden sich u.a. Richter, Badura-Skoda, aber vor allem Vladimir Yampolski und natürlich Oborin.

Gioconda de Vito – die Italienerin ist heute ziemlich vergessen. Was ich wie bei Morini auch sehr bedauerlich finde. Die Box oben ist zweite meiner südkoreanischen Schätze (es folgte dann noch eine vierte von Christian Ferras – von der gab es dann aber im Gegensatz zu den Damen eine internationale Erfolgsausgabe in der „Icon“-Reihe von EMI/Warner). Sie hat mit Fricsay, Raucheisen, Furtwängler und anderen gearbeitet, mit Edwin Fischer, Kubelík, Sargent usw., und gemäss Hartnack („Grosse Geiger“) ist ihre Einspielung des Doppelkonzerts von Brahms die einzige halbwegs tolerierbare (1952 mit Amadeo Baldovino und dem Philharmonia Orchestra und Rudolf Schwarz – in der obigen Box enthalten). Es gibt auch von ihr eine Membran-Box, vermutlich mit mehr oder weniger allem drin, was auch in der koreanischen Box zu finden ist … ich habe mir nie die Mühe gemacht (die Membran-Boxen kommen ja mit minimalen Infos, neben den Mitwirkenden in der Regel nur eine Jahreszahl, die eher Veröffentlichung als Aufnahme verzeichnet).

Tossy Spivakovsky – ihn kenne ich bisher nicht, ein paar wenige Aufnahmen sind da (mit Munch, Monteux, Leon Kirchner, Firkusný), aber angehört habe ich sie noch nicht. Das abgebildete 4-CD-Set von Doremi ist aber sehr verlockend … und günstig ist es gerade auch (was bei Doremi gar nicht immer der Fall ist, allzu viel mag ich für die CDs aber nicht ausgeben, dazu sind sie oft wirklich nicht gut genug, s.o.).

Und doch möchte ich nicht ohne meinen kleinen (zwei-drei Dutzend dürften es sein, einzelne CDs, aber auch ein paar Doppelte und kleine Boxen) Stapel von Doremi sein, denn sonst hätte ich auch Henri Temianka nie entdeckt. Mit Leopold Shure führte er 1946 in der Library of Congress die zehn Sonaten von Beethoven auf, und Doremi hat sie 2011 auf dem abgebildeten 3-CD-Set (wieder einmal, nehme ich an?) herausgebracht – ein wunderbarer Zyklus (klanglich natürlich nicht besser als der ebenso feine von Szigeti mit Arrau (der 1944 ebenfalls in der LOC mitgeschnitten wurde). Temianka taucht bei mir ansonsten nur mit wenigem auf: mit Reiner und Piatigorsky hat er in Pittsburgh den „Don Quixote“ aufgenommen, mit Eileen Joyce und Antoni Sala (vc) das Klaviertrio von Arensky.

PS: das Spivakovsky-Set ist bestellt :-)

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