Antwort auf: Frank Zappa – Hot Rats

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gruenschnabel

Registriert seit: 19.01.2013

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Entschuldigung: Nachdem ich kürzlich auf die „Hot rats“-Session-Box angesprochen wurde, habe ich obigen Text zu „Hot rats“ nochmals ergänzt. Und damit die User, die daran interessiert sind, das lesen können, hole ich den Thread nochmal nach oben. Bitte um Nachsicht wegen des Doppelposts mit gleicher Wertung und einigen Passagen, die wiederholt vorkommen.

1. Peaches en regalia *****-
2. Willie the pimp ****+
3. Son of Mr. Green Genes ****1/2-
4. Little umbrellas ***1/2-
5. The Gumbo variations ***+
6. It must be a camel ***1/2
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Gesamtwertung: ****-

Mit brandneuer 16-Spur-Technik und einer Riesenmenge an Overdubs erschloss sich Zappa in der 2. Hälfte des Jahres 1969 endgültig sein persönliches Jazzrock-Spielfeld. Auf diesem tummelte er sich dann intensiv bis ca. Ende 1972 (also einschließlich „The grand wazoo“ nebst entsprechenden Gigs in Bigband-Besetzung), bediente sich dieser Erweiterung seines stilistisches Arsenals aber hörbar bis zum Ende seines Lebens. Ein auffälliges Merkmal von „Hot rats“ und Indiz für die Zuordnung ‚Jazzrock‘ ist sicherlich die Tatsache, dass Improvisationen einen herausragenden Stellenwert auf diesem fast ausschließlich instrumentalen Album einnehmen. Zappa allein spielt gleich fünf Gitarrensolos – bei insgesamt nur sechs Tracks. Allerdings stellte er die Qualität der Solos 1982 in Frage und erwägte deren Neueinspielung: „I’d like to do it because I think I can play guitar much better now.“ Meines Wissens hat er diesen Plan nie umgesetzt. Ich selbst wäre geradezu erpicht auf eine derartige „Verbesserung“, denn ich finde einen Teil der Solos – äh: langweilig. Und deshalb kann ich es kaum nachvollziehen, warum „Hot rats“ bei vielen Zappa-Aficionados an der Spitze der Beliebtheitsskala rangiert und ihm der Ruf „Zappa-Scheibe für Leute, die Zappa nicht mögen“ (Ingo Meyer) vorauseilt.

Bei den Sessions 1969 dabei z.B. Jazzgeiger Jean Luc Ponty, der als Folge dieser ersten Zusammenarbeit 1970 selbst das Album „King Kong“ mit Zappa-Kompositionen herausbrachte. Dessen Titel gemahnt allerdings daran, dass Jazzrock auch schon zuvor immer mal wieder den Weg ins Schaffen Zappas gefunden hatte, denn „King Kong“ stammt ja vom „Uncle meat“-Album (April 1969) und bildet da eine Folge von Variationen solistischer Improvisation über ein eher dem zeitgenössischen Jazz nahes Thema.

Zeitgenössischer Jazz? Auch in der Jazzszene bahnte sich die Fusion-Welle ja erst an. Die großen Erfolge und Klassiker waren zu „Uncle meat“-Zeiten noch gar nicht da. „In a silent way“ (Miles Davis) z.B. wurde im Juli 1969 (zeitgleich mit Beginn der „Hot rats“-Aufnahmen) veröffentlicht, „Bitches brew“ erst 1970. Zappa sprang also hier auf keinen „Erfolgs-Zug“ auf. Die Vermischung von Jazz und Rock interessierte ihn schlicht – und lag ganz offenbar auch in der Luft.

Es gab für „Hot rats“ noch deutlich mehr Material, fast wäre es ein Doppelalbum geworden. Im Endeffekt hatte jede LP-Seite über 20 Minuten Spiellänge. Zappa nahm auf und bastelte, was das Zeug hielt. Heute kann man diesen Studio-Orgien kleinteilig auf der „Hot rats“-Session-Box mit einer Spielzeit von mehr als 7 Stunden nachspüren.

Highlight und erster Fünfsterner der Diskographie überhaupt ist für mich eindeutig der hinreißende Opener „Peaches en regalia“, das durch einen extrem natürlichen melodisch-harmonischen Charme in Verbindung mit einer aufwändig-farbigen Instrumentier- und Arrangierkunst beglückt – Arbeitszeit hierfür laut Zappa: etwa 100 Stunden! Zappa selbst konzedierte diesem Track Klassik-Status und war der Ansicht, es könne sich um seinen beliebtesten Titel überhaupt handeln: „It’s the only thing I’ve never heard anybody say they don’t like.“ Und so wurde „Peaches en regalia“ natürlich auch live über die Jahre hinweg mehrfach gespielt.

Ebenfalls ein Highlight für mich: „Son of Mr. Green Genes“, eine sehr gelungene Eigenadaption von „Mr. Green Genes“ (Album: „Uncle meat“). Zappa verlebendigt den Ursprungssong durch ein (dringend angebrachtes) verschärftes Tempo sowie deutlich agileres Drumming und lässt dessen langgezogen wirkende Vocals komplett weg. Stattdessen hört man erneut ein enorm aufwändig gestaltetes Feuerwerk Zappa’scher Instrumentierkunst in allen Farben. Witzig, spritzig, überschäumend. Seine Gitarrenimpro hätte er z.T. dennoch gern erneut einspielen dürfen.

Diese beiden von mir herausgehobenen Tracks haben übrigens genau das Charisma, welches Zappas Musik für mich zur „freundlichsten Musik der Welt“ macht. Isso.

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