Antwort auf: Roger Waters – Us + Them 2018

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Manichäer

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Bin ebenfalls gestern im Kino gewesen – fast eineinhalb Jahre nachdem ich die Show in Köln selbst live erlebt habe. Ich finde, dass der Konzertfilm wirklich sehenswert ist. Musikalisch habe ich als Fan von Pink Floyd und Roger Waters Solowerk sowieso nichts auszusetzen – aber die Bilder und der Sound sind wirklich beeindruckend. Ich hätte mir vielleicht noch etwas mehr Aufnahmen aus der Totalen gewünscht, aber das liegt wahrscheinlich daran, dass ich das Konzert selbst eben aus genau dieser Perspektive erlebt habe. Regisseur Sean Evans mischt die sehr beeindruckenden Bilder von der Konzertbühne, die neue und für Konzertfilme oft auch ungewohnte Perspektiven bieten – zum Beispiel gibt es immer wieder sehr extreme Nahaufnahmen, dann wieder Bilder, die einzelne Musiker von hinten oder von oben seitlich zeigen – mit Filmmaterial, das auf den Shows auf dem riesigen Backscreen und dem längs in der Halle hängenden „Battersea Kraftwerk“ projiziert wurden. Es gibt schon auch Aufnahmen aus der Totalen, z.B. bei „Dogs“ und „Pigs“, nur kommen diese eher selten vor. Die beiden Stücke vom „Animals“ Album sind für mich schon in Köln die Höhepunkte gewesen und sie sind es auch im Film. Waters hatte eine glänzende Begleitband auf der Tour dabei. Insbesondere mag ich Jonathan Wilson ja sehr gerne, dessen Solowerke ich auch, der die Gesangspassagen übernimmt, die im Original von David Gilmour stammen. Als Gitarrist, gerade auch im Duo mit Dave Kilminster, ist der ebenfalls ein Lichtblick. Neben den schon erwähnten Filmaufnahmen gibt es übrigens auch immer wieder Blicke ins entrückte Publikum, wobei der Regisseur es vor allem auf die weiblichen Fans abgesehen hat. Dabei fällt auf, dass die Bilder aus der Totalen überwiegend ein sitzendes Publikum zeigen – die meisten Aufnahmen stammen wohl aus Amsterdam. Die close ups sind dagegen ziemlich sicher aus Südamerika und zeigen stehende Fans. Das ist ein wenig irritierend, aber schon der „The Wall“ Film war aus unterschiedlichen Locations zusammengesetzt, dort sogar aus Hallen- und Stadionshows. Die gut 120 Minuten lohnen sich auf jeden Fall, zumindest für alle die, die Show gesehen haben und wahrscheinlich auch für jeden Pink Floyd Fan, es sei denn er gehört zu den puritanischen Gilmour Fanboys. Den spektakulären Abschluss bildet „Eclipse“ mit den Bildern des gewaltigen Laserprismas, das wohl jeden, der auf einem der Konzerte war, beeindruckt hat. Der Film endet – anders als die Auftritte der Tour, mit einem kurzen Statement und Dank von Roger Waters. Zugaben, insbesondere „Comfortably Numb“, das bei jedem der 157 Auftritte den Abschluss bildete, hat man weggelassen, was aber nicht stört. Vielleicht gibt es diesen und weitere Tracks, die nur auf einzelnen Konzerten zu sehen waren, als Bonusmaterial auf der BluRay zu sehen.

Auch dieses Mal gab es vorher ja Diskussionen in einigen Medien betreffend der Unterstützung von BDS durch Waters. Es gab sogar eine Kinokette, die die Ausstrahlung deshalb wieder abgesetzt hat. Wie schon oben erwähnt wurde – ja, Waters stelle auch mir nicht als sympathischen Menschen vor. Ich glaube kaum, dass er etwas erreicht, wenn er z.B. Radiohead oder Nick Cave wegen ihrer Auftritte in Israel kritisiert. Andererseits wurden gerade in den letzten Wochen zwei Künstlern in Deutschland ihre Preise wieder aberkannt, weil sie Sympathien für BDS geäußert haben. Und im Fall der Autorin Kamila Shamsie gab es da auch Protest von jüdischen Organisationen, die in ihrem Statement u.a. sagen, dass es „sowohl dem palästinensischem Kampf für Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit als auch dem globalen Kampf gegen Antisemitismus“ schade, wenn man „antijüdischen Rassismus mit Kritik an Israels Politik“ vermische. Diese Vermischung bewahre Israel davor, sich an den Standards der universellen Menschenrechte und dem Völkerrecht messen zu lassen.“ Ich empfinde das als ein wichtiges und auch stichhaltiges Argument. Und der Film „Us & Them“ enthält m.E. keine antisemitischen Inhalte. Ich habe wirklich während der kompletten zwei Stunden darauf geachtet. Es fehlen ja auch (glücklicherweise) die etwas platten politischen Phrasen, die bei den Shows in der Pause eingeblendet wurden. Die waren zwar auch nicht antisemitisch, aber ähnlich wie bei U2 bevorzuge ich es doch, mit 51 Jahren meine eigenen politischen Überzeugungen zu bilden. Dafür brauche ich keinen Musiker, der da nachhilft. Oder wie heißt es doch: „Trau keinem Sänger…“

Waters ist kein Sympathieträger, aber ohne „The Wall“ wäre ich nicht der Musikfan geworden, der ich heute bin. Das Album, mehr als jedes andere, hat vor ziemlich genau 40 Jahren meine Faszination für die Rockmusik ausgelöst und dafür bin ich ihm bis heute freundschaftlich verbunden.

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