Antwort auf: Harald Schmidt

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bullitt

Registriert seit: 06.01.2003

Beiträge: 20,633

fokaIch weiß einfach nicht, was mit bullitt los ist. Wutbürgertum, leider.

Leider nein. Wäre natürlich simpel. Aber ich poste eher vermeintlich untypisch als linksliberal sozialisiertes Weichei, das von seinem eigenen Umfeld genervt ist. Ich bin aber auch mit Al Bundy, den Ärzten, Parental Advisory-Stickern auf CDs und eben Harald Schmidt aufgewachsen. PC ist für mich seit jeher negativ konnotiert. Und aktuell bin ich bei dem Thema so in etwa auf einer Wellenlänge mit Leuten wie… ähm… Alice Schwarzer. Fühle mich also total unverdächtig.

 

herr-rossi Du wurdest gefragt nach Beispielen für die von Dir konstatierte „Anpassung und Bereinigung von Kunst gemäß den Ansprüchen des jeweils vorherrschenden Zeitgeistes“ und da fiel Dir nur ein: „Mir reichen derzeit schon Kleinigkeiten wie Maik Brüggemayers seltendämlichen Artikel zu toxisch männlichen Gitarristen, um im Strahl zu kotzen.“ Wenn man den Kommentar von Brüggemeyer liest, dann enthält er aber gar keine Forderungen nach „Anpassung und Bereinigung von Kunst“, der Begriff „toxische Männlichkeit“ fällt auch nur im Titel [edit: stimmt nicht, kommt auch im Text vor]. Brüggemeyer beschreibt eine schlichte Entwicklung, die den virilen Gitarrenhelden klassischer Rockschule hat hinfällig werden lassen. Der ist irgendwo zwischen „Use Your Illusions I+II“ und „Nevermind“ kollabiert (und das weißt Du doch auch). Als Gegenmodelle nennt er Grateful Dead und Neil Young und er erläutert das auch schlüssig. Hier ist nichts von einer fiesen pc-Verschwörung „bereinigt“ worden, sondern es hat sich einfach etwas überlebt. Wenn das Dein Beleg für „überbordende“ Political Correctness ist, tja dann … Eine der Lieblingsthesen der Anti-PC-Fraktion ist ja, dass die junge Generation der „snow flakes“ sich viel zu schnell „getriggert“ fühle und unangenehme Wahrheiten nicht wahrhaben wolle. Die sollten doch endlich mal alle die „red pill“ nehmen und der Realität ins Gesicht sehen. Aber dann geht doch bitte mit gutem Beispiel voran und nehmt selbst schlichte Wahrheiten hin, die Euch nicht gefallen. Statt dessen wird über harmlose Artikel „im Strahl gekotzt“. Anti-PCs sind eben auch nur Schneeflöckchen wie Du und ich. (Da Du das Thema immer wieder ansprichst, nehme ich Dich einfach mal etwas vereinfachend als Vertreter der „Fraktion“. No offence.) Im übrigen zeigt doch der von Dir geschätzte Böhmermann, wie Fernsehsatire nach Schmidtschem Vorbild heute funktionieren kann. Habe ich etwas verpasst, fordert die „überbordende“ Political Correctness seinen Kopf?

Stimmt, das Beispiel war unpassend, weil es auch gar keins sein sollte, wie ich aber auch vorangestellt hatte. Die Frage nach Beispielen hielt ich für rethorisch. Was soll ich da alles aufzählen? Ich poste gerade aus venezianischen Bars und Hotels übers Smartphone und habe nicht die Zeit groß ins Detail zu gehen. Debatten wie die über Eugen Gomringer hat doch jeder hier mitbekommen und Kritik daran gab es von allen Seiten. Und was ist mit der Cartoonistin Franziska Becker? Was mit Rolf Kalmuczak, der gerade posthum von den neunmalklugen Millennials von bento, ze.tt und co zum verkappten Nazi degradiert wird. In Wittenberg soll ein 700 Jahre altes Relief von der Kirche geholt werden, obwohl es längst kontextualisiert dargestellt wird. Und so weiter und so fort. Alles keine mysteriöse Geheimnisse. Und ja, auch da könnte ich jedes Mal im Strahl kotzen. Jetzt hier jeden Einzelfall aufdröseln muss trotzdem nicht sein.

Zu Brüggemayer wurde ja inzwischen schon einiges gesagt, was mir aufgestoßen ist. Die Überwindung der männlich dominierten Geschichte des Rock ist doch ein nahezu genauso alter Hut wie die männlich dominierte Geschichte des Rock selbst. Das jetzt plakativ mit ein paar zeitgeistigen Schlagworten anzureichern, Klischees einfach auf links zu drehen, damit es sich im Heft gut zwischen den Ergüssen von Sophie Passman macht, ist schon etwas armselig. Seine skizzierte Gegenwart, in der sich angesichts vermeintlich antiker Posen jeder in Grund und Boden schämen müsste, mutet indes einigermaßen grotesk an. Gitarrenlastige Alte weiße Männer-Combos haben gerade reihenweise Hochkonjunktur. Ganz unabhängig übrigens davon, wann sie ihren künstlerischen Zenit überschritten haben.

Böhmermann funktioniert für mich nur gut mit dem Katalysator Schulz. Seine Sendung schaue ich nicht mehr und das Konzert neulich war auch schlimm.

Ansonsten sehe ich mich keiner „Fraktion“ zugehörig.

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