Antwort auf: Die Gitarre im Jazz

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friedrich

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gypsy-tail-wind

friedrich
Überhaupt: Der Einfluss von JB auf den Jazz!

Der ist natürlich interessant … aber so deutlich dann doch eher selten zu hören? Miles in den frühen Siebzigern, aber sonst? Wo gibt es diese pumpenden Bässe? Die sind ja auch bei Green oft etwas eingemittet und abgeschärft. Was die offene Form betrifft, hat JB (bzw. sein Mastermind Pee Wee Ellis) sich allerdings selbst wiederum beim Jazz bedient, „Cold Sweat“ ist ja quasi der Bastard von „So What“ – natürlich trieb JB die Reduktion an die Grenze und öffnete das Feld wohl noch weiter (andererseits war das Feld aber auch wieder deutlich enger abgesteckt).

Ich kenne nicht viele direkte JB-Covers im Jazz. Spontan fällt mir noch Iris Muhammad mit Super Bad ein (der btw auch bei GGs Ain’t It … an der Schießbude sitzt):

Klaro ist das nur grenzwertig Jazz, eher Funk mit jazzy Soli. Aber toll! Der Einfluss von Funk auf Jazz war aber in dieser Zeit sehr stark. Blue Note und Prestige haben viel veröffentlicht, bei dem man vielleicht nicht immer direkt JB raushört, aber indirekt schon. Oder andere Vorbilder aus dem Genre, The Meters etwa. Ich hätte da noch einen weiteren sehr guten populistischen Sampler anzubieten, der – wie der Zufall es will – nach dem gewissen trk von JB benannt ist – ohne dass dieser enthalten wäre.

Und natürlich sind die Einflüsse gegenseitig: Maceo Parker, Pee Wee Ellis, Fred Wesley – alles großartige, auch am Jazz geschulte Musiker. Das kann man besonders gut auf der The JB’s – Funky Good Time: The Anthology nachhören, die Dir, @gypsy-tail-wind, ja bestens bekannt ist.

Aber das führt off topic und gehört in den JB-Thread.

vorgarten

friedrich
Überhaupt: Der Einfluss von JB auf den Jazz!

also ich finde ja, dass der jazzversion alles fehlt, was die funkversion ausmacht. ein standardbeat mit langweiligen soli, es soll an sich cool sein und drängt dann richtung abwechslung, und hat damit überhaupt nicht verstanden, dass das tolle an james browns version die aufladung der monotonie ist (prince hat das dagegen super verstanden). nur so kommt diese bläser-bridge so erdrutschartig zur geltung und sorgt, gerade weil sich danach überhaupt nichts ändert, dafür, dass man merkt, wie aufregend das ist. was allein die beiden rhythmusgitarren mit ihren unterschiedlichen tonalitäten für eine grundreibung verursachen – das ist kratzigkeit aus prinzip, und genau die wird bei green formelhaft begradigt.

Ich kannte GGs Cover bevor ich das Original von JB kannte. Für sich genommen ist das toller Jazz-Funk mit tollen Soli. Das hat mich damals begeistert und ich höre das immer noch mit großer Freude.

Aber man kann absolut so argumentierten wie Du. Deine Beschreibung von JBs Ain’t It Funky bringt den trk auf den Punkt. Vielen Dank dafür! Spannung durch Monotonie und „erdrutschartige“ breaks. Kaum zu glauben, was die da machen: Der Gitarrenpart ist eigentlich eine Unverschämtheit, grenzt an stupide Arbeitsverweigerung, der Bass (?) ist nicht viel besser und der Bläser-Break geht einmal die Tonleiter rauf und wieder runter. Und die drums tuckern dazu wie aufgezogen. Zu den vocals von JB mag ich gar nicht erst was sagen. ;-) Und das Ergebnis ist fantastisch! Ganz toller anti-virtuoser, trotziger Minimalismus mit feinstem Gespür für Rhythmus, Dramaturgie und Spannung. Ein trk der einen festen Platz in meinem persönlichem Olymp hat.

GG geht demgegenüber mindestens einen Schritt zurück, nimmt sich zwar den Grundrhythmus, der aber bei ihm bei weitem nicht so dominant ist, und fällt in Jazz-Konventionen mit handwerklich gut gemachten Soli etc. ff. zurück. Da hat sich JB deutlich mehr getraut. Vielleicht trifft GG damit eigentlich nicht den Punkt, vielleicht ist er dafür zu sehr Jazzmusiker, der einfach nicht minutenlang die drei gleiche Töne wiederholen kann. JB ist verglichen damit ein Ikonoklast. Prince ist nochmal was anderes. Aber etwas so unkonventionelles wie Ain’t It .. kenne ich von ihm auch nicht.

Kanntest Du beide Stücke bereits, @vorgarten?

Vor meinem geistigen Ohr höre ich einen Remix von JBs Ain’t It Funky: Der rhythm track endlos geloopt, darüber nur JBs vocals „Ain’t It Funky?“ und ein gelegentliches Ächzen. Bläser-Break. Loop. Loop. Maceo-Solo. Loop. Ächzen. Loop. Bläser-Break. Loop. Schluss!

Aber auch das gehört in den JB-Thread.

Wes Montgomery höre ich mir später an.

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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)