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Chiaroscuro Quartet – Zürich, St. Peter – 27.05.20187
Alina Ibragimova Violine
Pablo Hernán Benedi Violine
Emilie Hörnlund Viola
Claire Thirion Violoncello
BACH: aus „Die Kunst der Fuge“ BWV 1080 (Contrapunctus I, Contrapunctus III, Contrapunctus IX)
BEETHOVEN: Streichquartett G-Dur Op. 18/2
MENDELSSOHN: Streichquartett Es-Dur Op. 12
Das Konzert hinterlässt mich etwas perplex … die ziemlich hochkarätige erste Saison der Streichquartett-Konzerte, die Hochuli Konzert neben der „Neuen Konzertreihe Zürich“ in der Tonhalle (für die ich diese Saison zum ersten Mal ein Abo hatte und dieses auch verlängern werde) veranstaltet, startet im Herbst mit einem Konzert des Doric Quartet, zu dem alle Abonnenten eingeladen waren – ein feines Konzert, das mich darin bestärkte, mehr Kammermusik zu hören, wenn die Gelegenheit sich denn bietet. Gut möglich, dass ich das Kuss Quartett neulich sonst z.B. verpasst hätte … aber gut, von den sechs folgenden Abo-Konzerten der Serie lief heute das vierte und ich war neugierig, weil mir der Name des Chiaroscuro Quartets schon mehrfach begegnet ist, ebenso wie jener seiner Primgeigerin Alina Ibragimova (deren Mozart-Sonaten auf Hyperion ich nicht kenne, aber gerade die wurden mir mehrmals schon voller Lobes nahegelegt).
Los ging es mit Bach, drei Auszügen aus der „Kunst der Fuge“ – zwei kammermusikalische Einspielungen davon sind mir vertraut, von letztem Jahr die feine von Ottavio Dantone und seiner Accademia Bizantina und von vierzig Jahren davor jene des Juilliard String Quartets. Die Messlatte lag also hoch und das Chiaroscuro Quartet mochte im Mischklang der Peter-Kirche nicht mithalten – zuwenig bestimmt, zuwenig klar klang mir das, die Stimmen vermischten sich zu oft – wo ist die zweite Geige? wo bleibt jetzt die Bratsche wieder? Klar, einen feinen Gesamtklang kann das Quartett bieten, bei Bach aber wäre viel mehr Transparenz nötig.
Es folgte sehr beschwingt Beethovens in der Chronologie drittes Quartett, das als zweites seines Op. 18 herauskam, seiner ersten sechs Streichquartette. Der Eindruck bestätigte sich: feines Zusammenspiel, differenzierte Gestaltung, effektvolles Ausnutzen der vollen dynamischen Spannbreite – die ganz leisen Passagen waren betörend schön. Ibragimova glänzte an der ersten Geige mit einem geschmeidigen, beweglichen Ton, farbenreich und sehr schön anzuhören. Aber sie glänzte eben fast zu sehr. Cello und Bratsche – die beim Doric Quartet das Herz formen, von dem aus die Musik entsteht, das pure Gegenteil zum Chiaroscuro Quartet also – waren oft zu leise, die Bratsche fand manchmal überhaupt nicht statt, dünkte mich, sie wirkte nur mit im Gesamtklang, war aber melodisch komplett unhörbar. Dass das bei Beethoven so angelegt ist, bei Bach, auch bei Mendelssohn, mag ich nicht glauben, hatte doch das Cello immer wieder kleinere Momente im Rampenlicht oder griff Melodien auf, die dann zur ersten oder auch mal zur zweiten Geige weitergingen. Dass der Gesamtklang passt, ist dann irgendwie fast eher noch frustrierend, fand ich.
Mendelssohn, sein eigentlich zweites (nach Op. 13 geschriebenes) Quartett Op. 12 war dann klar der Höhepunkt, hier passte das brillante Spiel Ibragimovas am schönsten ins Ganze, die Canzonetta war betörend schön, der Schlussatz mit viel Können geformt – wie viele Anläufe zum Aufhören gibt es da, bis dann ein ganz anderer, viel stillerer Schluss tatsächlich erfolgt?
Eine Zugabe folgte dann noch, ein einzelner, beschwingter Satz, den ich leider nicht erkannte, weil ich ja in Sachen Streichquartette noch nicht sehr weit bin (etwas Haydn, wenig Mozart, etwas Beethoven, etwas Schubert, etwas Brahms und etwas Mendelssohn, ein klein wenig Dvorák) – könnte östlich gewesen sein, aber ich würde darauf keinesfalls schwören.
Alles in allem ein etwas zweifelhaftes Vergnügen fand ich – im so hellen und transparenten Saal der Tonhalle-Maag hätte das vielleicht anders gewirkt – sich aber auch verloren vor den dort nur viertelvollen Rängen (die Kirche war immerhin recht gut besetzt). Für das letzte Konzert der Reihe im Juli mit dem Armida Quartet habe ich noch eine Karte, es gibt dann erneut Stücke aus BWV 1080, Mozarts KV 546 und Beethovens Op. 130 mit Op. 133 – darauf bin ich mal gespannt und hoffe, dass es mir mehr zusagen wird.
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