Antwort auf: Konzertimpressionen und -rezensionen

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gypsy-tail-wind
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Das Klassikjahr ist auch längst gestartet … ein paar Sätze nur zum ersten Konzert vor einer Woche und zur gestrigen Epiphanie mit Verdi und Gardiner.

Zürich, Tonhalle-Maag – 12.01.2018

Kammerorchester Basel
Mario Venzago
Leitung
Khatia Buniatishvili Klavier

ROBERT SCHUMANN (1810–1956)
Ouvertüre zu „Genoveva“ Op. 81 (1847/48)
Konzert für Klavier und Orchester a-Moll Op. 54 (1845)

Sinfonie Nr. 3 Es-Dur Op. 97 „Rheinische“ (1850)

Das vierte Abonnementskonzert der „Neuen Konzertreihe Zürich“ präsentierte ein reines Schumann-Programm – schon das Grund für Vorfreude. In diese mischte sich ein wenig Zwiespalt, der sich – leider – als berechtigt erweisen sollte. Das lag daran, dass ich das Kammerorchester Basel zuletzt mit der aktuellsten CD aus dem Haydn 2032-Projekt von alpha nicht ganz so überzeugend fand (mit ihrem tollen Bologna 1666 Programm auf der Deutschen Harmonia Mundi jedoch schon!) – vermutlich ist mir das Orchester ein bisschen zuwenig durchgeknallt, ein bisschen zu eingemittet, nicht impulsiv genug. Aber gut, klanglich und spielerisch war das schon sehr ansprechend – aber Venzago am Pult schien schon auch etwas mehr Impulse zu geben, als das Orchester dann umsetzte. Jedenfalls knallten da schon mal seine Schuhe auf das Podest, er atmete und keuchte gewissermassen die Musik mit, was man aus der ersten Reihe auch wirklich mitkriegte.

Die „Genoveva“-Ouvertüre knallte denn auch ordentlich, aber dass dann schon der erste kleine Unterbruch nötig war, um den Flügel in die Mitte zu schieben, war etwas schade. Buniatishvili trat im trägerfreien knallroten und Kleid auf und eroberte die Bühne quasi im Sturm. Ihre Sichtweise des Klavierkonzertes von Schumann ist ja bekannt, sie wechselt zwischen Momenten der Einkehr, sehr still und getragen, und eruptiven Ausbrüchen, in der ihre fabelhafte Technik natürlich zum Einsatz kommt. Leider sass da ein sehr penetranter Fan mit Kamera ein paar Plätze neben mir und es fiel mir streckenweise schwer, mich auf die Musik zu konzentrieren ob des sehr leisen aber doch stets hörbaren Geklickes seiner Kamera (eine Serienaufnahme nach der anderen, aber mehr als den Rücken und vielleicht eine Reflexion der Hände gab es von da nicht – er tat das so offensichtlich, dass ich davon ausging, er habe eine Bewilligung … meine Beschwerde bringt jetzt vielleicht zwei Freikarten für das nächste Konzert der Reihe, Kit Armstrong mit der Camerata Bern – nicht das Konzert, das mich am meisten interessiert, aber Interessentinnen, die die Karten nehmen, gibt es trotzdem – mit Bach, Kraus und Mozart ist das auch ein ansprechendes Programm).

Buniatishvili jedenfalls lieferte all das Temperament, das mir beim Basler Kammerorchester manchmal fehlte – sie und Venzago waren jedenfalls ganz zusammen bei der Erkundung des Schumann’schen Konzertes und das Orchester machte leidlich mit. Mir ging dann auch einmal der Gedanke durch den Kopf, ob ein grösseres Orchester mehr gebracht hätte, aber ich glaube daran lag es überhaupt nicht. Der Applaus war dann riesig und – der zweite Vorbehalt – auch wegen der äusseren Erscheinung der Solistin etwas lärmiger und langanhaltender als wirklich angebracht, fand ich (keine Seitenhiebe an die Adresse der alten Männer, aber eben … ihre Damen waren ja auch mit, gucken kostet ja nichts und schaden soll es in der Regel auch nicht?) – nunja. Es gab denn diverse Ab- und Aufgänge, Verbeugungen und so weiter und so fort, und dann auch noch zwei kleine Zugaben, eine hypervirtuose (Liszt?) und eine eher besinnliche (Kancheli? beides ins Blaue hinein geraten) zum Ausklang.

Dann Pause – eine Institution, die es eigentlich abzuschaffen gälte, vor allem bei Programmen wie diesem mit einer reinen Spielzeit von 70-80 Minuten. Und nach der Pause die „Rheinische“, eigentlich Schumanns letzte Symphonie und schon sehr hörenswert, wie ich inzwischen finde. Allerdings hörte ich sie im Dezember 2016, als Paavo Järvi beim Tonhalle-Orchester gastierte, und das war damals so umwerfend, irgendwie völlig klar und schlichtweg richtig, dass das Basler Kammerorchester trotz aller Bemühungen von Venzago daran nicht heranreichte (der nervige Kameramann hatte also nicht ganz unrecht, dass er in der Pause ging, aber er war ja wohl einfach ein Rückenfetischist und Venzago im Frack ist da schon etwas weniger attraktiv als Buniatishvili schulterfrei).

Also: gut aber nicht überragend – zu Buniatishvili gehe ich trotz der auch anwesenden alten Herren auch wieder einmal.

Zürich, Tonhalle-Maag – 19.01.2018

Corine Winters Sopran
Marianna Pizzolato Mezzosopran
Michael Sypres Tenor
Tareq Nazmi Bass
Monteverdi Choir
Tonhalle-Orchester Zürich
John Eliot Gardiner
Leitung

GIUSEPPE VERDI (1815–1901)
Messa da Requiem

Überragend war hingegen gestern die zweite (von zwei) Aufführungen – Wildhagen schreibt in der NZZ „niederschmetternd grossartig“, und das trifft es ganz genau. In der Darbietung von Gardiner und seinem einmal mehr phänomenalen Monteverdi Choir war das in der Tat eine erschütternde und völlig überwältigende Erfahrung. Eine „Oper im Kirchengewande“ sei es, schrieb damals Hans von Bülow (ein Wagnerianer natürlich) – doch das trifft nun wirklich nicht zu, mit Verdis Opern hat sein Requiem wenig gemein. Allerdings ist diese Totenmesse an Dramatik gewiss schwer zu übertreffen – und ob sowas nun in die Kirche gehört oder nicht, darüber mag man streiten; vertritt man dazu eine restriktive Sicht – Rom verbannte ja das „Dies irae“ in den Sechzigern tatsächlich aus dem Ritus – müsste man aber auch einige der Opernfragmente im Kantatengewand des Thomaskantors skeptisch betrachten, gerade als braver Protestant, der „Inniges“ nur als „Innerliches“ zulassen will, nicht in der zum Himmel schreienden Ausgestaltung, wie es sie bei Verdi zu hören gibt. Aber gut, ich mag zur Aufführung gar nicht viel sagen ausser dass nicht nur der Chor sondern auch das Orchester und das Solisten-Quartett erstklassig aufgelegt waren. Das Tonhalle-Orchester ist ja – im Gegensatz zum Opernhaus-Orchester (bis 1985 bildeten sie ein gemeinsames Orchester) – nicht gerade für italienisches Repertoire bekannt, aber das war eine optimale Darbietung gestern. Die Solisten überzeugten alle vier gleichermassen, obwohl zwei von ihnen kurzfristig einsprangen: als Sopransolistin war Luba Orgonásová angekündigt (die schon auf Gardiners Einspielung zu hören ist und ebenso grossartig sang im Dezember 2015, als Gardiner mit Janáceks Missa Glagolitica beim Tonhalle-Orchester debüttierte), als Bassolist Gianluca Burato, beide sagten „aus familiären Gründen“ ab, wie es hiess.

Hier Christian Wildhagens lange Rezension in der NZZ, der ich in fast allen Punkten beistimmen kann (dass das Solistenquartett „etwas disparat“ war dachte ich phasenweise auch, aber das erübrigte sich im Verlauf des Abends immer mehr und wuchs gegen das Ende hin sehr schön zusammen – es war ja auch nicht viel Zeit für Proben da und am Ende des zweiten Abends ist wohl schon mehr möglich als beim ersten:
https://www.nzz.ch/feuilleton/wenn-die-letzte-stunde-schlaegt-ld.1349225

Die 1983 in den USA geborene Sopranistin Corinne Winters singt derzeit in Basel die Violetta Valéry – das muss ich mir jetzt natürlich auch noch anschauen, zumal mich bisher keine andere Traviata-Aufführung in die Oper lockte, auch nicht die Aufführung in Zürich, die Ende der laufenden Saison wieder gespielt wird (mit Ailyn Perez). Winters singt die Rolle schon länger, wurde auch bekannt durch eine Traviata-Inszenierung der English National Opera (Inszenierung: Peter Konwitschny). Der NZZ-Bericht über die Basler-Aufführung machte mir jedenfalls Lust darauf. Die dort auch erwähnte Luzerner-Aufführung der vergangenen Saison hätte sich wohl auch gelohnt, aber davon kriegte ich zu spät erst Wind.

Zunächst geht es heute aber an den dritten ausverkauften Tonhalle-Abend (Gardiner war beide Male ausverkauft – das gab es soweit ich weiss in der neuen Interims-Halle noch nicht und überhaupt in der Tonhalle ziemlich selten): Paavo Järvi und das Estonian Chamber Orchestra machen halt und führen die Sechste von Schostakowitsch sowie Werke von Arvo Pärt auf („Cantus in Memory of Benjamin Britten“, „Fratres“ für Streichorchester und Schlagzeug) und mit Viktoria Mullova das Violinkonzert von Jean Sibelius.

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