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kritikersliebling

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Fischer Z – Red Skies Over Paradies
EMI 1981

Diese Platte dokumentiert für mich die Auswüchse der Ost-West-Politik sowohl in Deutschland, als auch in der Welt. Die Erfindung von Heavy Metal (Scorpions, Accept, Slayer oder April Wine und Iron Maiden) und mit Edding bemalten Bundeswehrtaschen, die die Schriftzüge der Lieblinge der eigenen und fremden Plattensammlungen tragen. Auch Fischer Z war dabei, jedoch nie so groß wie BAP, Kiss oder die Scorpions (und nur die wenigsten konnten den Schriftzug perfekt umsetzen). Da kommt nun in die Mitte meiner Schulzeit und ersten Parties dieses Album. Liebe in Zeiten des kalten Krieges ist unwichtig und bildet auf diesem Album höchstens den Grauschleier zwischen nebulösem Schwarz-Weiss-Denken. Der Red Sky als wörtlich roter Faden. USA gut, Soffjetunion schlecht. Berlin ist eine deutsche Insel unter halben roten Dach und Marlies die kalte Dame und gleichzeitiger Partykracher. Der Titelsong, der nach naiver Malerei klingt, wenn es heißt „Down in their bunkers under the sea men pressing buttons don't care about me.“ kehrt in den einzelnen Songs immer wieder. Englisches Sloganeering für alle Lebenslagen. Eine Weltreise an die Orte der Depression. „In England“ tobt die Ironie, paradisische Zustände und kein verheirateter Prinz Charles. Auch hier wird das Bild einer Mauer beschrieben, die jedoch unsichtbar bleibt. Zu der Zeugnisausgabe hörten wir „You'll never find Brian here, he didn't come home tonight“. Der Brian war schon ein cooler Typ in unserer gesicherten Wunderwelt. In „Batallions Of Strangers“ wird John Watts dann unverhohlen deutlich und winkt auch dem noch so abgebrühtesten Hörer mit dem Zaunpfahl: „Gold medallions for the proud man in khaki.“ Heute mag es bemüht und antiquiert klingen, doch es passte damals und hat auch nichts an Zeitlosigkeit verloren – leider. Einen Song später tanzt die ganze Brigade – vermutlich unter rotem Himmel. „The Writer“ zerbrochen an der Welt stirbt im Hotelzimmer. In „ihrem“ Badezimmer ist der Teufel los: „Everywhere I go I find birthpills in the bathroom. Part of the scenerie. Have you had one today?“ klingt heute so wie die prophylaktische Frage nach geregeltem Stuhlgang. „No longer shocking.“ Der Glanz und Glimmer als ironische Absage an die Zustände. Die Welt hat sich geändert, die Wertigkeit der Dinge auch.
Das letzte Drittel des Albums beginnt mit der Flucht vor der Polizei, der Flucht vor sich selbst und dem Wunsch gegenüber allen Widrigkeiten bestehen zu können. Anschließend wird die Verunsicherung benannt und wie es sich gehört ist die freieste aller Weltmächte schuld. So wurde es damals erzählt, weil die UdSSR ja ohnehin schwächer war, bzw. nicht so glitzerte wie Las Vegas zum Beispiel. Im vorletzten Song folgt noch der Seitenhieb an das Leben in Kleinstädten, die am Reißbrett entworfen wurden – unter einem roten Himmel. Auch im letzten Song kommt uns John Watts nochmals ironisch, ohne das man lachen muss. Dieses Album hat durch unverrückbare Fixpunkte auch heute noch zeitlose Momente, wenn es mit der Nostalgie nicht reicht. Musikalisch ist es die bewährte Stilvielfalt zwischen Rock und Wave. Nicht so zackig wie Joe Jackson zu der Zeit, eher bodenständiger. Beständig spielt die Band hier das letzte Mal zusammen. Insel-Album, Hospital-Album!

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Das fiel mir ein als ich ausstieg.