Wetten, dass

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  • #11629107  | PERMALINK

    nicht_vom_forum

    Registriert seit: 18.01.2009

    Beiträge: 5,865

    bullitt

    nicht_vom_forum

    bullitt

    nicht_vom_forum

    Ich rechtfertige doch überhaupt nichts. Ich finde nur diese „früher war alles besser“-Position dämlich.

    Das behauptet so ja auch niemand.

    bullittDie Stones, Zappa oder ein Album wie Murder Ballads? Heute undenkbar.

    Hervorhebung von mir.

    Dein Ernst?

     
    Dein Zitat war natürlich eine gern genutzte Vorlage, ist aber nicht das eigentlich Ziel. Es fällt mir allerdings schon auf, dass die, durchaus berechtigte, Kritik an der „Woke-Twitter-Bubble“ fast immer mit der Feststellung zusammengeht, dass „heute“ (die heutige Jugend…) alle auf einmal ganz furchtbar empfindlich sind und wie liberal es „früher“ war.
    Und der zweite Teil ist nunmal Bullshit: Jedem Stück „Mainstream-Kunst“ von früher, das jetzt neu (und kritischer) bewertet wird, stehen massenhaft Künstler und Kunstwerke gegenüber, die auch damals schon verboten oder in Subkulturen verdrängt wurden. You can’t do that on stage anymore ist ja auch kein Titel aus diesem Jahr. Dass Cave die Murder Ballads heute nicht mehr machen könnte, halte ich aber tatsächlich für eine etwas paranoide Einschätzung.

    --

    Reality is that which, when you stop believing in it, doesn't go away.  Reality denied comes back to haunt. Philip K. Dick
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    #11630697  | PERMALINK

    herr-rossi
    Moderator
    -

    Registriert seit: 15.05.2005

    Beiträge: 85,023

    bullitt Na klar, wer die Heilsbotschaft nicht goutiert, muss mit dem Teufel im Bunde sein. Klingt vertraut, aber keine Sorge, meine Verachtung reicht für ideologischen Aktivismus jeglicher Couleur. Meinem ausgeprägten Reaktanzverhalten geschuldet, war ich aber schon immer lieber Ketzer als Opportunist. Früher hat man dafür Punk gehört, heute reicht „Wetten dass…?“.

    Ist man ernsthaft „Ketzer“, wenn man überall die „Wokies“ am Werke sieht? Das tun auch Trump-Wähler, QAnon-Sektierer, Querdenker und unendliche Heerscharen in den sozialen Netzwerken, wo an allen Ecken und Enden der gerechte Kampf gegen die drohende Gesinnungsdiktatur gefochten wird … Gegen „political correctness“ zu sein, ist wirklich kein Alleinstellungsmerkmalen. Ich respektiere, dass es Dir um die Freiheit der Kunst geht und nicht um eine rechte Agenda, und dass Du mit den Genannten nichts zu tun haben willst, aber man ist damit nun wirklich kein Nonkonformist. Umgekehrt möchte ich auch nicht mit irgendeinem Online-Mob in einen Topf geworfen werden, wenn ich Ansichten vertrete, die Dir „woke“ erscheinen – oder sie zumindest diskutieren möchte. Ich habe noch nie das „Canceln“ von wem auch immer gefordert.

    Stimmt, mein Post war als Trigger ausgelegt, was ja auch – wenig überraschend – wunderbar funktioniert hat.

    Moment, wir wollen mal nicht die Chronologie aus dem Spiel lassen: Deinen ersten Post habe ich überhaupt nicht kommentiert und hatte auch nicht vor, es zu tun. Mich interessierte an der Sendung einzig der Auftritt von Björn & Benny. Dass Gottschalk ein Parade-Boomer ist, ist schlicht ein Faktum, er bestätigt das doch freimütig in jedem Interview der letzten gefühlt 50 Jahre, darüber muss ich nicht diskutieren. Aber soll er doch auch sein, ich habe nichts gegen Boomer, einige meiner besten Freunde … ;) Erst als Du geschrieben hast: „Und die woke Twitter-Bubble zürnt über all den Boomercringe. Herrlich. Weiter so…“ hast Du selbst die Thematik aufs Tablett gebracht. Natürlich ist für Dich das Schauen von „Wetten, dass“ im Jahr 2021 ein performativer Akt der Nonkonfirmität.:) Was kritisiert wurde – dass Du bei so ziemlich jeden Thema in letzter Zeit den Bogen zur „Wokeness“ spannst.

    Das Forum selbst ist ja inzwischen ein Boomer-Eldorado alter, weißer CIS-Männer mit „problematischen“ Inhalten, die zum aller größten Teil dem woken Zeitgeist in keinster Weise standhalten würden. Die Stones, Zappa oder ein Album wie Murder Ballads? Heute undenkbar.

    Das wäre noch mal eine eigene Diskussion. ich halte das für Quatsch. Es gibt weiterhin so derart viele Musik, die sich alles traut, dass ich den angeblichen Puritanismus nicht einmal mit der Lupe finde. Merkst Du in Deiner musikalischen Filterblase vielleicht nur nicht.

    Ich denke, dass der Zusammenhang hier ignoriert wird, ist alleine der Tatsache geschuldet, dass man halt – wie wir es alle gewohnt sind – „links“ sein und bleiben möchte und meint, das gehöre jetzt halt dazu. Hat was von „Bidermann und die Brandstifter“. Wer das Phänomen verharmlost und es sich selbst als „rechte Propaganda“ schön redet, sollte aber vielleicht mal Kathleen Stock oder Bari Weiss fragen, wie die das sehen, anstatt sich an Gottschalk abzuarbeiten, um ein bisschen im Rahmen der eigenen Möglichkeiten mitzumischen.

    Ich war immer „im Zweifel links“ und gedenke, das auch für den Rest meines Lebens so zu halten. Man kann über viele Einzelfälle diskutieren und über linke Positionen in öffentliche Debatten, aber diese Engführung des Problems der öffentlichen Dauererregung und politischen Pressure und Cancel Groups auf „Wokies“, das verkennt bzw. verleugnet aus meiner Sicht, dass es sich um ein grundsätzlicheres Problem handelt. Das hat nichts mit Whataboutismus zu tun, sondern mit einer redlichen Sicht auf die politische Gesamtsituation. Dafür werde ich auch weiterhin Position beziehen.

    Übrigens habe ich seit meiner Jugend immer Dinge getan, die für einen Linken von jeher „problematisch“ waren, ich habe schon in den 80ern „Ahnenforschung“ betrieben, engagiere mich seit 30 Jahren in der Heimatbewegung und hege eine seltsame Leidenschaft für die germanischen Altsachsen (nicht zu verwechseln mit den Pseudosachsen im Freistaat …). Als Historiker ist mir moralisierende Geschichtsschreibung zuwider, ich erwarte auch bei Themen wie Hexenverfolgung und NS-Zeit nüchterne und differenzierte Analyse. Gegenüber Antifas und Betroffenheits-Gedenkkultur-Protagonist:innen, mit denen man auch zu tun hat, habe ich mich immer distanziert gehalten. Ich erzähle das natürlich auch, um mir selbst mal auf die Schulter zu klopfen, tut ja sonst keiner. Aber vorrangig, um aus dieser Schwarz-Weiß-Malerei auszubrechen, wenn wir uns nun schon regelmäßig beharken.

    Und wo ich gerade das Nähkästchen öffne, Storytime: Ich habe die „culture wars“ schon vor über 10 Jahren live vor Ort erlebt und erfahren, was heißt, wenn Leute versuchen, mich und Kolleg:innen aus der historischen und archäologischen Forschung zu „canceln“. Mit allem was dazu gehört, öffentlichen Schlagabtauschen bei Veranstaltungen, in der Presse und im Internet, seitenlangen Beleidigungen, Unterstellungen und Lügen in Veröffentlichungen, die auf Stapeln in den Buchhandlungen der Region lagen, Hinterzimmer-Mauscheleien mit politischen Verantwortungsträgern usw. Ich wurde selbst öffentlich verfolgt und sogar Familienmitglieder von mir belästigt.

    Die Protagonisten – pensionierte Akademiker, Doktoren, Dipl.-Ings., Lehrer, alles ehrenwerte Leistungsträger unserer Gesellschaft – und im Ruhestand abgedrehte Laienforscher/“Grenzwissenschaftler“ und Verschwörungstheoretiker. Die waren nicht rechts, natürlich nicht, die veröffentlichten nur zufällig in einschlägigen rechten Verlagen, traten völlig unbedarft in entsprechenden Zirkeln auf und sagten einem auch schon mal am Telefon, ich könne ja nichts dafür, ich sei Produkt der alliierten Umerziehung. Und für die waren Schulwissenschaftler, die ihren wirren Theorien nicht nachgeben wollten und auf wissenschaftlichen Methoden beharrten, na, was wohl? „Politisch korrekt“ und „Repräsentanten des linken Mainstreams“! Die Politisierung der Archäologie und Frühgeschichtsforschung habe nämlich erst nach 1945 begonnen, vorher wurde noch ordentlich und neutral geforscht und daran müsse man nun endlich wieder anknüpfen. Man behielt sich den Klageweg vor, wenn man sie als rechts bezeichnete, klar. War auch ein gestandener Verfassungsjurist darunter, der wusste, wie Meinungsfreiheit funktioniert.

    Dass ich seit jenen Tagen allergisch darauf reagiere, wenn Leute allzu freigiebig mit Begriffen wie „politisch korrekt“ und „woke“ um sich werfen, kannst Du jetzt möglicherweise verstehen.

    --

    #11630713  | PERMALINK

    herr-rossi
    Moderator
    -

    Registriert seit: 15.05.2005

    Beiträge: 85,023

    Adrian Daub stammt aus Köln und ist Literaturprofessor an der Stanford Uni, er kennt also das angeblich von der politischen Korrektheit verseuchte amerikanische Uni-System. Er schreibt für die NZZ, die FAZ, die Welt, die SZ, die Zeit und den Merkur.

    „Der Begriff «Cancel Culture» ist erst ein paar Jahre alt, aber aus dem Vokabular des deutschen Feuilletons nicht mehr wegzudenken. Wenn es Cancel Culture nicht gäbe, hätte das deutsche Feuilleton sie erfinden müssen. Gewissermassen hat es das auch. In der deutschsprachigen Presse ist um diese Schauergeschichten für die Boomerseele ein regelrechtes Ökosystem entstanden. Da lohnt es sich zu fragen, warum. Gewiss sind solche Formen der Panikmache Ausdruck konkreter Ängste. Aber sie werfen auch ein Schlaglicht auf Verschiebungen in der deutschsprachigen Publizistik und im europäischen Selbstverständnis.

    Cancel Culture reiht sich in ein Muster ein: Aufregung unter Rechten in den USA wird Futter fürs liberale deutschsprachige Feuilleton. Man fühlt sich an den alten Marx-Satz erinnert, Deutschland habe die Restaurationen gehabt, selbst wenn es die Revolutionen übersprungen habe. Europa mag Entwicklungen unter US-Campus-Linken – wie die Gender Studies und Critical Race Theory – zwar verschlafen haben. Für die Ängste seitens Konservativer über Gendern ist es aber hellwach.“

    WOZ vom 4.11.21: „Der kurze Weg von der Lappalie zur Cancel Culture“ (frei zugänglich)

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    #11630715  | PERMALINK

    klausk

    Registriert seit: 17.05.2008

    Beiträge: 19,258

    @herr-rossi. Habe Deinen Beitrag mit großem Interesse gelesen. Danke  :bye:

    --

    There is a green hill far away I'm going back there one fine day. I am free because I am the soul bird
    #11630739  | PERMALINK

    nicht_vom_forum

    Registriert seit: 18.01.2009

    Beiträge: 5,865

    herr-rossi
    WOZ vom 4.11.21: „Der kurze Weg von der Lappalie zur Cancel Culture“ (frei zugänglich)

    Danke dafür; der Text ist m. E. ein ziemlicher Volltreffer.

    Insbesondere diese Stelle trifft ins Schwarze:

    Dem Literaturwissenschaftler fällt des Weiteren die spezifische Verfasstheit der immer gleichen Anekdoten auf. Im Normalfall sind es kurze Verweise, ein paar Sätze höchstens, nach dem Muster «Kennen Sie die mit dem vietnamesischen Sandwich in der Mensa?». Wer sich intensiver mit dem Genre auseinandersetzt, trifft schnell auf alte Bekannte. Der Journalist Michael Hobbes, der sich ausführlich mit der moralischen Panik um die Cancel Culture beschäftigt hat, sagt: «Es handelt sich im Normalfall um komplexe Situationen, die auf eine prägnante Formel heruntergekocht wurden.» Wie Memes wandern diese kompakten Erzählungen dann durch die verschiedenen Aufregetexte.

    Gerne wird dann beim „Herunterkochen“ ja auch noch der genau Teil der Geschichte weggenommen, der den kritisierten Vorgang nachvollziehbar, berechtigt und/oder zur Lappalie macht.

    --

    Reality is that which, when you stop believing in it, doesn't go away.  Reality denied comes back to haunt. Philip K. Dick
    #11630757  | PERMALINK

    krautathaus

    Registriert seit: 18.09.2004

    Beiträge: 25,897

    Danke @herr-rossi: für diesen Einblick in deine Vita, besonders dieser Absatz lässt mich aufhorchen:

    „Die Protagonisten – pensionierte Akademiker, Doktoren, Dipl.-Ings., Lehrer, alles ehrenwerte Leistungsträger unserer Gesellschaft – und im Ruhestand abgedrehte Laienforscher/“Grenzwissenschaftler“ und Verschwörungstheoretiker.“

    Für diese grandiose Selbstüberschätzung von Menschen mit einem hohen Bildungsgrad, die ihre eigene „Expertise“ in einem ihnen fremden Thema (Virologie/Epidemologie) für unschlagbar halten und den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen, gibt es auch einen Fachausdruck, der mir gerade nicht einfällt. Es ist nicht unerheblich was vor allem über die Echochambers und deren Verstärkung gerade von diesen „Fachleuten“ an Blödsinn unter die Leute gebracht wird, weil man hier (auch sicherlich in anderen Ländern) den Dr.Titeln und Proffs. anscheinend ungeprüft den größten Blödsinn abkauft. Das Schlimme daran: es reichen ein paar Wenige um eine Menge Schaden anzurichten.

    edit: der Fachausdruck, der mir nicht einfällt ist nicht der „Dunning-Kruger-Effekt“…eher irgendwas mit „Paradoxon“…in dem es um Selbstüberschätzung geht.

    --

    “It's much harder to be a liberal than a conservative. Why? Because it is easier to give someone the finger than a helping hand.” — Mike Royko
    #11630759  | PERMALINK

    wahr

    Registriert seit: 18.04.2004

    Beiträge: 14,808

    Danke, rossi, für deinen Beitrag! Auch der Link zur WOZ ist höchst interessant.

    #11630765  | PERMALINK

    august-ramone
    Ich habe fertig!

    Registriert seit: 19.08.2005

    Beiträge: 62,205

    wahrDanke, rossi, für deinen Beitrag! Auch der Link zur WOZ ist höchst interessant.

    Da schließe ich mich gerne an.

    --

    http://www.radiostonefm.de/ Wenn es um Menschenleben geht, ist es zweitrangig, dass der Dax einbricht und das Bruttoinlandsprodukt schrumpft.
    #11630767  | PERMALINK

    stormy-monday
    We Shall Overcome

    Registriert seit: 26.12.2007

    Beiträge: 20,071

    klausk@herr-rossi. Habe Deinen Beitrag mit großem Interesse gelesen. Danke

    Ja, formidabel. Danke.

     

    --

    Well, my telephone rang, it would not stop It's President Biden callin' me up He said, "My friend, Maik, what do we need to make the country grow?" I said, "My friend, Joe, my friend Bob would advice you , Brigitte Bardot, Anita Ekberg, Sophia Loren" Country'll grow
    #11630851  | PERMALINK

    latho
    No pretty face

    Registriert seit: 04.05.2003

    Beiträge: 36,945

    Findet ihr nicht auch, dass das ein bisschen viel im Wetten Dass-Thread ist? Wir haben eigene Threads dazu…

    --

    If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.
    #11630861  | PERMALINK

    august-ramone
    Ich habe fertig!

    Registriert seit: 19.08.2005

    Beiträge: 62,205

    Stimmt, @latho. „Wetten das“ kann von mir aus geschlossen werden.

    --

    http://www.radiostonefm.de/ Wenn es um Menschenleben geht, ist es zweitrangig, dass der Dax einbricht und das Bruttoinlandsprodukt schrumpft.
    #11630865  | PERMALINK

    latho
    No pretty face

    Registriert seit: 04.05.2003

    Beiträge: 36,945

    Gecancelt…

    --

    If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.
    #11630907  | PERMALINK

    herr-rossi
    Moderator
    -

    Registriert seit: 15.05.2005

    Beiträge: 85,023

    @latho: Die Diskussion verteilt sich über verschiedene Threads, wo das Thema jeweils aufpoppt, aber „den“ Thread zur PC-/“Cancel Culture“ usw.-Diskussion gibt es nicht. Ich weiß auch nicht, ob ich ihn eröffnen möchte.;)

    --

    #11630945  | PERMALINK

    latho
    No pretty face

    Registriert seit: 04.05.2003

    Beiträge: 36,945

    Am nächsten dran waren hier, am weitesten weg…hier?

    zuletzt geändert von latho

    --

    If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.
    #11631963  | PERMALINK

    bullitt

    Registriert seit: 06.01.2003

    Beiträge: 20,633

    @herr-rossi Danke für deine Rückmeldung! Antwort folgt, gerade leider wenig Zeit… :good:

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