Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Eine Frage des Stils › Beats / Hip Hop › The Sound of German HipHop
-
AutorBeiträge
-
downstrokeDas gebe ich gerne zu: Gegenüber Menschen, die sich derart frauenfeindlich geben, bin ich maximal voreingenommen. Egal, ob sie das in ihrem Privatleben auch so leben oder sich nur so äußern, weil die Erwartungshaltung des Genres zu erfüllen ist und sich momentan ’ne gute Mark damit verdienen lässt. Da könnte mir die Musik noch so zusagen, diese Haltung ist für mich einfach ein K.O.-Kriterium. Da spielt für mich aber definitiv weder Herkunft noch Hautfarbe eine Rolle.
So, so. Wo bleibt dann dein Rant gegen GNTM? Gegen unfaire Bezahlung von Frauen durch die Arbeitgeber, also ganz reale Diskriminierung?
zuletzt geändert von motoerwolf--
And all the pigeons adore me and peck at my feet Oh the fame, the fame, the fameHighlights von Rolling-Stone.deNeu auf Disney+: Die Film- und Serien-Highlights im August
Amazon Prime Video: Die wichtigsten Neuerscheinungen im August
Neu auf Netflix: Die Serien-Highlights im August 2025
Netflix: Das sind die besten Netflix-Serien aller Zeiten
Neu auf Netflix: Die wichtigsten Filme im August 2025
Sting im Interview: „Trump spricht kein Englisch. Er redet Nonsens“
Werbung@harry-rag: Da Dir das offensichtlich so ein dringendes Anliegen ist: Das hier ist das zweite Forum überhaupt, in dem ich mich anmelde, seit knapp 10 Jahren bin ich im „Musiker-Board“ unterwegs, das hat aber eher einen Schwerpunkt bei Rock/Hardcore/Metal. Hip-Hop findet da gar nicht statt. Deswegen habe ich hier vorbeigeschaut und die Diskussion einige Wochen mitverfolgt, bevor ich mich jetzt angemeldet habe. Bewusst hier und nicht in einem reinen HipHop-Forum.
Dass Du mich schon bei den ersten Beiträgen versuchst, zu beleidigen, fass ich mal als Teil der Spielregeln Deines Backgrounds ab und nehme es daher nicht persönlich; ich wünsche Dir aber durchaus, dass Du bei Deinem ersten Beiträgen hier (die jeder ja mal irgendwann mal geschrieben hat) nicht genauso abgebürstet wurdest.
Auf die inhaltlichen Aspekte – die Du neben dem offenbar unvermeidlichen „Beef“ (sagt man wohl …) – dankenswerterweise lieferst, gehe ich gerne später ein. Bin auf dem Sprung.
--
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
Meine ersten Beiträge in diesem Forum drehten sich um meine große musikalische Liebe, die Beatles, speziell um die 2009er-Remasters. Wäre ich erst mal in den ABBA-Thread gestürmt, um zu verkünden, wie beschissen ich diesen Schund finde, wäre ich sicher so empfangen worden wie du hier von mir.
--
Das Problem ist doch, um in Harrys Sprachgebrauch zu bleiben, Peter Wurst sich sofort angesrpochen fühlt, sobald dessen heilige Musikrichtung von anderen anders bewertet wird, als der eigene Blickpunkt darauf. Ich sprech mich von diesem Verhalten auch nicht frei, doch fördert es keine produktive Diskussion. Hip Hop ist nicht weniger eine „Trendhure“ als ein Hipster zu sein. Auch Harry findet nicht in Slums und Ghettos statt und hat bestimmt den Supermarkt gleich um die Ecke.
--
Ben Salomo beobachtet, dass der immer gröbere Antisemitismus innerhalb der deutschen Rap-Szene in „Hipster-Kreisen“ kaum als Schande und Unrecht empfunden wird:
zuletzt geändert von lauster--
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
harry-ragDer Artikel über „20 Jahre Bassboxxx“ in der aktuellen Ausgabe der JUICE ist gelungen und kann zumindest ansatzweise den Flavour rüberbringen, den die Tapes damals ausmachten. Natürlich reichen ein paar Seiten und Fotos nicht aus, wahrscheinlich müsste man mehrere Bücher mit den Geschichten füllen. Schön, dass überhaupt nochmal was zu den BBX-Atzen erscheint, nachdem sie zu ihrer Hochzeit von JUICE, Backspin & Co. komplett ignoriert wurden. (Man geht auch nicht auf die Disses gegen die JUICE ein…)
Mir scheinen sich auch keine faktischen Fehler eingeschlichen zu haben, nur mit Arzts Best-Of-Auswahl habe ich Probleme, steht neben viel Licht auch manches an Schatten. B-A Doppel-S B-O dreimal X-X-X – im Battle bist du nix! (Es gibt kein Battle.)Werde den Artikel später in der Bahn mal durchschmökern, bin gespannt.
--
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
Inzwischen sei Rap in vielen Teilen vergleichbar „mit Pornofilmen, krassen Horrorfilmen, radikalen Propagandavideos“, kritisiert Ben Salomo. Er fordert den Gesetzgeber auf, hier Regeln einzuführen.
Ein HipHopper, der nach der Kontrolle des Staates schreit? Und dazu nicht zwischen Pornofilmen, Horrorfilmen und Propagandavideos unterscheidet/unterscheiden kann? Nun sind wir endgültig Pop. Herzlichen Glückwunsch.
--
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
Das Problem ist doch, um in Harrys Sprachgebrauch zu bleiben, Peter Wurst sich sofort angesrpochen fühlt, sobald dessen heilige Musikrichtung von anderen anders bewertet wird, als der eigene Blickpunkt darauf. Ich sprech mich von diesem Verhalten auch nicht frei, doch fördert es keine produktive Diskussion. Hip Hop ist nicht weniger eine „Trendhure“ als ein Hipster zu sein. Auch Harry findet nicht in Slums und Ghettos statt und hat bestimmt den Supermarkt gleich um die Ecke.
An einer „produktiven Diskussion“ ist es niemandem gelegen. Warte mal kurz bis zur nächsten Eurokrise, dann wollen die Anständigen wieder den Bankern an den gestärkten Kragen. Sollte darauf eine weitere Flüchtlingskrise folgen, wirft man erneut Steine nach Arabern.
--
Das wird jetzt ein langer und persönlicher Beitrag. Aber danach ist das Thema für mich hier auch irgendwie durch.
Ich bin immernoch erstaunt darüber, was für Personen sich hier mittlerweile tummeln oder gar für Ihre Äußerungen frisch anmelden. Primär User, die gegen HipHop (auch abseits des hier besprochenen Untergenres) oft Vorurteile geäußert haben in den letzten Jahren, sich hinter Ironiegebärden und Witzeleien verstecken, ohne je konkret zu werden, mindestens aber mit all dem eigentlich eh nichts anfangen können und sich auch nie ernsthaft die Mühe gemacht haben, sich einer derart großen Szene unvoreingenommen und mit Interesse zu nähern. Das finde ich mindestens befremdlich, da die Protagonisten, um die gerade ein Inferno ausgebrochen ist, hier selten bis nie eine Rolle gespielt haben. Eigentlich ist es sogar völlig daneben, mir würde es nicht im Traum einfallen, so große Töne zu spucken, wenn mein Bildungsstand auf einen Bierdeckel passt. Wenn es um einzelne Songs gehen würde, wäre das alles kein Thema, aber große Grenzziehungen wirken eben einfach noch stilvoller, nicht wahr?
Zum besseren Verständnis: Ja, HipHop kann sexistisch, homophob und intolerant sein – wie jedes andere Genre in der Kunst auch. Gerade die Battlekulturen von KOTD bis DLTLLY zeigen doch aber auf, dass man mit stumpfer Provokation allein heute längst keinen Sieg mehr erzielt (wenn wir vom Format Live Battle ausgehen). Der Trend ist eher der, dass gerade das Battlegenre zunehmend humorvoller wird, freier, dass es Wortwahl thematisiert, sprachliche Unzulänglichkeiten analysiert, selbst generische Beleidigungen folgen heute einem gewissen „Qualitätsanspruch“. Die Szene reinigt sich von Jahr zu Jahr selbst, dazu bedarf es keiner Gesetze und keinen gönnerhaften Ratschlägen von irgendwelchen Hohlbirnen, die im Feuilleton Bergpredigten halten.
Man kann nun fragen, wer sowas braucht – die Antwort ist einfach: Millionen von Menschen auf dieser Welt, mich eingeschlossen; und vermutlich zieht jeder etwas anderes daraus. Für manche ist Battlerap ein Sport, für andere Selbsttherapie, für die nächsten der reine Spaß an Sprache und Technik, manche bewältigen damit ihren Menschenhass oder legen ihr zerklüftetes Leben offen. Dass HipHop, eine Kunstform, die im Kern immernoch Subkultur, Community, each-one-teach-one und Toleranz bedeutet, auch von einigen Trittbrettfahrern bevölkert wird, ist natürlich auch klar. Nicht jede Person, die schnell Texte runter rattern kann, ist Teil der Community – die Differenzierung zwischen HipHop und Sprechgesang ohne Anknüpfpunkte zu irgendwas ist ein wichtiges Element im Rahmen der Diskussion. Ich finde es grotesk, dass der Großteil bei Rap aus Deutschland lediglich auf Namen wie Blumentopf und Fanta4 kommt. Tut mir ja leid, aber dass entspricht haargenau der Klientel, die auch Ami HipHop eigentlich total langweilig findet, außer halt Eminem, der hats schon echt drauf. Das ist quasi der Lackmustest für bürgerliche White guy Nullchecker (hat auch nichts damit zu tun, dass Eminem tatsächlich einmal großartig war und „Lose yourself“ einer der wichtigsten Tracks meiner Biographie ist).
Poetry Slam ist schließlich auch nicht Rap. Und wie schon einmal gesagt: Leute wie Kollegah genießen nach meiner Erfahrung zwar Heldenstatus im Bizz mit goldenen Platten und Echoehrung, sind aber innerhalb der Szene zumindest diskutabel. Kollegah hat als Künstler begonnen, der eben nicht nur exquisit reimen konnte, sondern auch einen gewandten Flow mit sich brachte – und zumindest in frühen Jahren auch einen angenehmen Humor besaß, den ich bis heute goutieren kann. Über die Jahre hinweg wurde zwar die Kette immer dicker, die Inhalte und Wortspiele aber zunehmend austauschbarer – an die Stelle von Kreativität trat die „Bosstransformation“, Körperkult und reine Technikfixierung. Wie ebenfalls geschrieben: Der Mann wurde unlängst von seinem eigenen Image gefressen und ist damit für mich als Künstler von sich selbst gegeißelt und uninteressant gewordden. Farid Bang war für mich als Künstler nie interessant genug, um auch nur ein Album anhören zu wollen, auch wenn er hinter den Kulissen ein unterhaltsamer, durchaus selbstironischer Bursche ist.
Gegen Gewalt in Texten ist für mich nichts einzuwenden. HipHop hat mir durchaus in den tiefsten (und höchsten) Phasen meines Lebens sehr geholfen. Dabei die richtigen Worte zu finden, wieder Kraft zu schöpfen, sich verstanden zu fühlen und vielleicht auch einfach einmal purer Wut freien Lauf zu lassen, das war gut, das war wichtig, das war genau die Art der Artikulation, die es gebraucht hat. Irgendwann spürt man nicht nur den Beat, sondern jede Silbe, den Flow an sich – es hat schon seinen Grund, warum aufmerksame Rapper in Formaten wie dem Punchline Quiz ihre Kollegen allein anhand der Patterns, Wortwahl und Eigenarten im Text unterscheiden können. HipHop ist eben nicht geschönte, charmant formulierte Wut über zwei Ecken gedacht, sondern manchmal auch ungefiltert. Oder eben doch durchdacht. Oder über drei Böden bis aufs Dach. Es gibt so viele verschiedene Spielarten. Im Endeffekt hat das die Phase abgelöst, in der mich Schriftsteller von Tolstoi, über Bukowski bis Sartre sprachlich und inhaltlich inspirierten.
Wenn ich ehrlich bin, kann ich einem für mich großen Künstler wie Haftbefehl aber heute lauschen, ohne mich unterfordert zu fühlen. Man muss ein Gefühl für Sprache, für Wortwahl, für Stimmungen, für ganz subtile Vermischungen von Slang und mehr haben, um manchen Künstlern auf die Schliche zu kommen. Damit, Texte kurz quer zu lesen und sich an bösen Signalwörtern aufzuhängen (die sowieso längst ominipräsent sind, wenn man nicht gerade auf dem Mond lebt), ist es nunmal nicht getan. Es gibt Texte, die im ersten Moment wie purer Sexismus anmuten, bemerkt man die Zwischentöne, wird aber die Verletzlichkeit im Text sichtbar. Manche Tracks muten an wie homophobe Statements, kennt man die History der Künstler, erkennt man aber durch ein paar winzige Textbrüche, dass man es mit bösartiger, zynischer Doppelbödigkeit zu tun hat. Man muss sich zumindest im Klaren darüber sein, dass jeder Künstler, der wirklich mit beiden Beinen in der Szene steht Teil der Community ist, Teil eines großen Netzwerks aus Anspielungen, Zitaten, Würdigungen, Persiflagen und mehr. Im Battlerap ist das noch viel verbreiteter und komplexer. Ich verfolge seit Jahren fast jedes Battlerap Event im deutschsprachigen Raum – gerade in den letzten ein, zwei Jahren konnte man (vielleicht sogar leider) kein Battle mehr verfolgen – und es verstehen – wenn man die ganzen Rollenkonstellationen und Anspielungen nicht kannte. Förmlich jede zwei Punchline, teils auch die reinen Generics sind gespickt davon. In diese Szene muss man „reinwachsen“, anders geht es nicht. Humor funktioniert hier auch nach einem ganz anderen Schema. Manchmal wird sich verball gehäutet und danach sitzt man bei einem Bier zusammen, weil einen die Sprache eint, nicht trennt. Nach außen hin mag das vielleicht alles banal anmuten, aber es spricht nicht unbedingt für sich, wenn unbedarfte Leute ernsthaft darüber philosophieren, ob KIZ mit „Doitschland schafft sich ab“ ein sexistisches Lied aufgenommen haben – und das ist nur eines der prominentesten Beispiele für einen Track, in dem es eigentlich genau um das Gegenteil geht: Männerdomänen, Hierarchien, Pantoffelhelden und als Twist noch ein hint zu Sarrazins Rassenlehre.
Ansonsten finde ich es weiterhin extrem anmaßend, dass HipHop gefälligst politisch zu sein hat. Ich wünsche mir eine freie Kultur, die nicht – nur weil sie Sprache eben als zentrales Ventil nutzt – besser oder schlechter oder eloquenter als andere Spielarten der Musik sein muss. So Anmerkungen kommen dann gerne auch noch gerade von Leuten, deren Schreibskills selbst im untersten Mittelfeld liegen und denen Lyrics sonst absolut scheißegal sind. Dass ist die gleiche Art sich ins Knie zu schießen, wie über die Sprachfertigkeiten von Migranten zu greinen und den Untergang der germanischen Kultur zu prophezeiten, aber verdammt nochmal keinen einzigen geraden Satz zustande zu bringen. Ziemlich effekthascherische Arschlochhaftigkeit jedenfalls, so vong Stil her.
Ich achte bei Musik sehr auf Lyrics – und ich bleibe dabei: Einige der stärksten Lyricsits finden sich hier, teils auch im Gangsta Rap. Unheimlich viel Diskriminierung, Gewaltverherrlichung und Alltagsrassismus gleichermaßen auch im Pop, im Schlager, im Rock, im Metal ohnehin. Da fällt es aber meist nicht ganz so dominant auf, weil die Wortwahl einen Tacken anders gepolt ist. An die Stelle von Frauen mit fetten Titten, die als geile Fickstuten auf dem Porsche stilisiert werden, treten schmierige Fantasien von Frauen mit Besen, die gesichtslos ins zahme Geschlechterbild früherer Jahrzehnte eingebettet sind. Prinzessinen, die nur darauf warten, dass ihr Bänkelsänger um die Ecke kommt und sie sich dem tollen Typ nur noch hinzugeben brauchen. Hach, so traut, als wäre seit 50 Jahren keine Zeit vergangen.
Das ist generell ein riesen Problem in dieser Gesellschaft: Diese abartige Schönrederei und Doppelmoral. Ich kann kaum in die Stadt fahren, ohne nicht irgendnwann mit Alltagssexismus konfrontiert zu werden, in irgendeinen Club sowieso nicht. Wenn es um Schwule geht, sinds in erster Linie auch „ganz nette Leute“ oder die „süßen besten Freunde“. „Alle lieben Kinder, alle gehen Blutspenden“, frei nach OK Kid. Bis die Kinder eben zerhackt im Blumenkasten liegen. Wenn etwas eine Illusion ist, dann eben doch die zivilisierte Welt. Gesetze halten den Großteil der Menschen davon ab, sich nicht wegen einem Platz weiter vorne in der Schlange das Hirn rauszuprügeln oder die Freundin kaputt zu vergewaltigen oder gleich zu hängen, sollte sie mal in eine andere Richtung flirten. Frauen haben kleiner zu sein und wenn eine zu taff wird, hagelt es das große Gequengel. Schon traurig, diese selbstständigen Menschen.
„Die Ronjas von damals verdreschten ihre Kinder/Die Ronjas von hier schreiben Bücher über Tinder“. Und eben auch das: Übersexualisierung, wohin man schaut. Flatrate-Puffs, stetiges Wachstum des Pornobizz, von den ganzen subtileren Medienmechanismen der Medien- und Werbelandschaft ganz abgesehen. Nähe und lange Partnerschaften sterben nach und nach aus, Seitensprünge sind eher normal, als die Regel, anstelle dessen werden die Striche in den Bettkasten gerizt. Bei Frauen genauso, nebenbei gesagt. Alles deutscher Alltag. Man muss dazu aber vielleicht auch sagen, dass ich mehr Frauen kenne, die HipHop zu deuten wissen, als Männer. Es ist chic geworden, zu den moralischen Yuppies zu gehören, die auf der Studiparty Hannah Arendt zitieren, um dann im Darkroom später doch die kleine Blonde zu befummeln. Und auch all die lieben Asylanten mögen wir, mit Hashtag auf Insta gepostet wächst die neue Liebe glatt bis in den Olymp. #fuckyou
HipHop ist zwar was das Verhältnis der Künstler anbelangt immer noch eine Männerdomäne, was die Fans anbelangt aber nicht. Es war wohltuend erst gestern mit einer Freundin zusammen zu sitzen, die munter Savas‘ „LMS“ runter rappen konnte und sich dabei vor Spaß an den absurden Lines fast weggeschmissen hat. Auch in der Szene, seit mehr als einem Jahrzehnt. Man darf Frauen durchaus zutrauen, dass sie unterscheiden können, was (wirklich) sexistisch ist und was nicht. Man sollte zum Schlagstock ausholen, wenn einem Mädel wirklich Gefahr droht, man tut der Thematik aber keinen Gefallen, wenn man großväterlich Frauen direkt das Denken abnehmen will und sie vor den bösen Worten zu schützen gesucht. Ist vielleicht auch ein Generationenthema oder halt das von choosefruit, der mit 15 schon 60 war. Ich bin jedenfalls manchmal erstaunt, zu was für hüftsteifen Nettchen Frauen in Kommentaren stilisiert werden, da wird mir ganz anders – so lieb und gewählt im Ausdruck, da Sterben beim Hören von Gangsta Rap vermutlich direkt die Ohren ab. „Fotze“ sagt da nie eine, sind ja Akademikermädchen. Ziemlich groteske, weil eskapistische Weltsicht.
Die Kehrseite der Sache: Das ist der Inbegriff von Sexismus, der Inbegriff von jeglicher Fähigkeit Menschen gleichberechtigt und gleich mündig wahrzunehmen. Was auch ein Grund ist, der mich an einigen linksorientierten (aber eigentlich strunzdummen) Tracks mittlerweile enorm stört: Diese elendige Selbstverliebtheit, diese schmierige Imagepflege. Du hast nichts zu erzählen, dann schreib einen Text über die armen Frauen, das liegt gerade total auf den Gleisen des Zeitgeists. Oder hör gleich intellektuellen Rap und profiliere dich damit, denn den gibts ja auch, weißte. Prinz Pi und so! Weg damit, Schmutz. Ist fast immer verkappter, erzkonservativer Alltagsrassismus, der sich zwar als progressiv tarnt, aber eben genau das nicht ist.
Ja, auch HipHop braucht vielleicht einen Diskurs um Worte, weil Worte mächtig sind – es ist aber fadenscheinig etwas von einer Szene zu verlangen, die man ja noch nicht mal kennt, was sich aber sonst täglich ungeschönt Bahn bricht. Ohne dass es einen #aufschrei gebe. Das ist auch das, was Rag vermutlich mit der eigentlich wahren Dominanz der Mehrheitsgesellschaft meint, die sich als Minderheit stilisiert (grobe Umschreibung). Man verlagert einfach die Zuteilung: Nicht die Gesellschaft ist insgeheim immernoch an allen Ecken und Enden homophob und frauenfeindlich – und HipHop ein kleiner Teil davon -, nein, ein paar Rapper sind es – und die verkaufen halt so immens viele Platten und deswegen muss man sich dagegen ganz schnell zur Wehr setzen, sonst…ja genau. #fuckyou.
Das ist genau das gleiche hohle Schema, wie in der Flüchtlingsdebatte auch: Man pickt sich ein paar miese Gestalten aus der muslimischen Gemeinde raus, stilisiert sie zur Invasion, der man Einhalt gebieten muss – zum Schutz der Werte, es geht schließlich um Frauen, um unsere Rentner und die Sprache (also fast das Gleiche; überall dieser Sittenverfall)! Und plötzlich wird eine einzige Moschee zum Todesstern der Stadt. Wenn sich das nur ausweitet, dann muss Helena 2020 doch Kopftuch tragen, wimmert Vater Ludwig. Dabei hat Deutschland primär kein Problem mit islamistischem Terror, sondern zunächst mir Rechtsextremismus. Täter-Opfer Umkehr, ganz klassisch.
Ich kann hier nur jedem empfehlen, Veranstaltungen selbst zu besuchen. Dazu Mags lesen, Blogartikel lesen, die Musik hören, die Künstler kennen lernen, Interviews schauen. Sich einfach Mal wirklich ein Bild machen. Nicht nur alle sechs Monate einen Skandal verfolgen, wenn irgendein Vogel irgendeinem anderen Vogel den Kiefer gebrochen hat. Das hat immer so was von schaulustigem, ekligem Gala Voyeurismus.
Ansonsten gilt das, was immer gilt: Wenn man keine Meinung zu etwas hat, kann man auch einfach mal die Schnauze halten. Inhaltsleere Worthülsen braucht niemand und aus Langeweile einen Thread zu zerschwafeln muss auch nicht sein.
--
Hold on Magnolia to that great highway moonirrlicht
Ich bin immernoch erstaunt darüber, was für Personen sich hier mittlerweile tummeln oder gar für Ihre Äußerungen frisch anmelden. Primär User, die gegen HipHop (auch abseits des hier besprochenen Untergenres) oft Vorurteile geäußert haben in den letzten Jahren, sich hinter Ironiegebärden und Witzeleien verstecken, ohne je konkret zu werden, mindestens aber mit all dem eigentlich eh nichts anfangen können und sich auch nie ernsthaft die Mühe gemacht haben, sich einer derart großen Szene unvoreingenommen und mit Interesse zu nähern. […] Eigentlich ist es sogar völlig daneben, mir würde es nicht im Traum einfallen, so große Töne zu spucken, wenn mein Bildungsstand auf einen Bierdeckel passt. Wenn es um einzelne Songs gehen würde, wäre das alles kein Thema, aber große Grenzziehungen wirken eben einfach noch stilvoller, nicht wahr? […] Ansonsten gilt das, was immer gilt: Wenn man keine Meinung zu etwas hat, kann man auch einfach mal die Schnauze halten. Inhaltsleere Worthülsen braucht niemand und aus Langeweile einen Thread zu zerschwafeln muss auch nicht sein.Ich denke, auf dem Zaunpfahl, mit welchem du hier großspurig winkst, steht auch mein Name drauf. Etwas Background für dich: Ich war in der 8. Klasse und um die 15 Jahre alt. Es muss gegen 2001 gewesen sein. Ich fing an Skateboard zu fahren, Rap zu hören, Reime zu schreiben, die Hosen sitzten tiefer und die Pullover weiter, die Backspin wurde zu meiner Nachtlektüre, Sketches füllten mein Blackbook und ich versuchte mich sogar am Besprühen von Wänden. Meine Hip-Hop-Phase hielt gut 2 Jahre an. Ich weiß ja nicht, was für ein Schreibtisch-Hip-Hopper du bist, aber ich inhalierte diese Szene in meiner Jugend. Auch wenn ich über Hip Hop nur aus der Restroperspektive berichten kann, da mir diese Richtung heute nichts mehr bedeutet, konnte ich mich dennoch dieser Kultur nähern. Den Gefallen, meine Schnauze zu halten, komm ich erst dann nach, wenn ich der Ansicht bin, sie halten zu wollen. Und du darfst gern weiter alles zerreden, Irrlicht. Fühl lieber die Musik, statt ständig den Analysten zu mimen.
--
@irrlicht & @harry-rag :
Wenn die „bürgerliche“ Musik sich nicht mit den dunklen Seiten der Realität auseinandersetzt, dann ist es für euch Eskapismus. Wenn sie sie aber thematisiert (z.B. im Metal), dann ist das für euch erst recht ein Indiz für eine verrottete Gesellschaft.
Aber euren Rappern, denen unterstellt ihr ganz naiv, dass alles was sie an Sexismus, Gewaltverherrlichung oder Antisemitismus absondern, entweder gut gemeinte Provokation ist oder Kunst um der Kunst willen.
Verarschen kann ich mich selber…
--
Software ist die ultimative Bürokratie.
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
Meine Hip-Hop-Phase hielt gut 2 Jahre an.
Ja, das ist in etwa die Halbwertszeit, die „neue“ Musik bei dir einnimmt, wenn ich deinen Beiträgen in diesem Forum trauen darf.
Verarschen kann ich mich selber…
Ja, das solltest du in Zukunft auch tun. Kollegahs und Farids größter Fehler war es, sich mit dem Mainstream gemein zu machen, Anerkennung von den geschmacklosen Idioten haben zu wollen.
Die Antilopen Gang hat vorgemacht, wie es eigentlich gehen sollte: Für einen ECHO nominiert sein, aber diesen gewöhnlichen Fatzkes aufs Brot schmieren, dass man kein Interesse an ihrem Scheißdreck hat. Also, keine Folge von „Alarm für Cobra 11“ verpassen und auf die ECHO-Verleihung verzichten.--
irrlichtDas wird jetzt ein langer und persönlicher Beitrag.
vielen dank dafür.
--
irrlichtDas wird jetzt ein langer und persönlicher Beitrag. Aber danach ist das Thema für mich hier auch irgendwie durch.
Zunächst mal Danke dafür. Einige Anmerkungen müssen dann trotzdem sein.
Ich bin immernoch erstaunt darüber, was für Personen sich hier mittlerweile tummeln oder gar für Ihre Äußerungen frisch anmelden. Primär User, die gegen HipHop (auch abseits des hier besprochenen Untergenres) oft Vorurteile geäußert haben in den letzten Jahren, sich hinter Ironiegebärden und Witzeleien verstecken, ohne je konkret zu werden, mindestens aber mit all dem eigentlich eh nichts anfangen können und sich auch nie ernsthaft die Mühe gemacht haben, sich einer derart großen Szene unvoreingenommen und mit Interesse zu nähern. Das finde ich mindestens befremdlich, da die Protagonisten, um die gerade ein Inferno ausgebrochen ist, hier selten bis nie eine Rolle gespielt haben.
Hier verwechselst Du m. E. Ursache und Wirkung. Schließlich haben Kollegah und Farid Bang beschlossen, dass sie die bei einem Majorlabel und im Mainstream mehr Geld sehen als wenn in der „Szene“ bleiben. Der Echo wird ja auch nicht zwangsverliehen. Damit geht dann eben einher, dass sich Leute mit den beiden beschäftigen, denen HipHop sonst herzlich egal ist (und das übrigens mit Recht. Wie wir an anderer Stelle schon oft analog festgestellt haben, beinhaltet Kunstfreiheit nicht den Schutz vor negativer Kritik – egal wie gut oder schlecht fundiert diese Kritik auch sein mag). Die Wahrnehmung, dass sich ein ahnungsloser Mainstream-Mob jetzt unprovoziert an einer unverstandenen Szene abarbeitet, ist jedenfalls falsch.
Mangelnde Szene- und Detailkenntnis ist übrigens auch kein besonders stichhaltiges Argument gegen inhaltliche Kritik. Ich kann den Reichsbürgern problemlos Legitimität und Zurechnungsfähigkeit absprechen, ohne mich mit deren innerer Logik im Detail auseinanderzusetzen.
--
Reality is that which, when you stop believing in it, doesn't go away. Reality denied comes back to haunt. Philip K. DickDu hast Dir viel Mühe gemacht, Irrlicht. Danke. Da ist viel Bedenkenswertes dabei. Bleibe vorerst beim Mitlesen. Ausser, Harry produziert wieder. Zwinker.
--
...but everybody wants you to be just like them Contre la guerre -
Du musst angemeldet sein, um auf dieses Thema antworten zu können.