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April 1958: Cool Blues – Jam Session at Smalls‘ Paradise
Ein paar Wochen nach den Februar-Sessions wurde Smith erneut im Smalls‘ Paradise live aufgenommen – dieses Mal mit den Gästen Lou Donaldson (as), Tina Brooks (ts) und Art Blakey (d), der sich die Arbeit am Schlagzeug mit Donald Bailey teilt. Eddie McFadden spielt die Gitarre. Von diesen Aufnahmen erschien erstmals im Jahr 1980 in der LT-Serie eine Platte, mit vier langen Stücken, die zusammen über 50 Minuten auf die Uhr brachten: „Cool Blues“. Für mich war das länger eine legendäre, unerreichbare weitere Aufnahme mit Tina Brooks, den ich längst kannte, und von dem ich dank der im Booklet der 4-LP-Box von Mosaic abgedruckten vollständigen Diskographie, alle erhältlichen Aufnahmen suchte. 1990 war „Cool Blues“ auf CD wieder herausgekommen, mit drei etwas kürzeren Bonustracks (leider ohne Brooks, Donaldson spielt auf zwei der beiden, Bailey auf allen) – auch eine perfekte Doppel-LP mit 17-20 Minuten pro Seite hätte zusammenstellen können. Doch diese CD (Cover ganz unten) war längst nicht mehr aufzutreiben, als ich sie in den späten Neunzigern so gerne gehabt hätte. 2002 kam sie in der RVG Edition (Cover unten) erneut heraus – in umgestellter Reihenfolge (jeweils die Stücke pro ehemalige LP-Seite anders rum), was nur beschränkt Sinn ergibt, falls die Setlisten von jazzdisco.org (ganz unten) korrekt sind.
Jimmy Smith – Cool Blues | Los geht es mit „Groovin‘ at Small’s“ von Babs Gonzales. Smiths früher Förderer und vormaliger Manager war auch anwesend und ist auf den CD-Ausgaben seit der RVG auch mit einer Ansage vor „A Night in Tunisia“, dem letzten Stück auf der LP, zu hören. Die Saxophone präsentieren unisono die klagende Linie, Donaldson spielt dann das erste Solo, lässt sich Zeit dafür und setzt, getragen von einem four-to-the-bar Groove und Blakeys Fills eine schöne Stimmung. Dann übernimmt McFadden, mit seinem R&B-Ton, der nicht recht singen will, eher verhalten (gedämpft?) klingt, aber halt doch sehr gut zur Musik passt. Er legt gegen Ende einen kleinen Steigerungslauf hin, bevor Brooks übernimmt und bald an „A Kiss to Build a Dream On“ vorbeischrammt (das er schon im Studio zitiert hatte). Smith spielt scheint hinter ihm ein paar ziemlich schräge Sachen, vor allem diesen einen flächigen Akkord, den er eine gefühlte Ewigkeit wiederholt. Auch Brooks lässt sich Zeit, und als Smiths Solo beginnt, beginn auch gerade die achte (von zwölf) Minute und ein paar Chorusse später zitiert er im irren Lauf, den er hinlegt, „Star Eyes“ (um 9:30), legt dann mal noch einen gehaltenen Akkord unter sein Solo – bevor die Bläser mit einem kleinen Riff (nicht dem Thema) das Stück beenden. Die Musik ist mal wieder extrem relaxed – und es mangelt ihr vielleicht auch deswegen ein wenig an Überzeugungskraft. (Ja, die RVG-CD zu hören, war am Ende eine kleine Enttäuschung – aber es ist wie bei der Session vom Februar 1958 oder der Live-Aufnahme aus dem Half Note mit Kenny Burrell: auch wenn die Sachen nicht alle zu 100% gelungen sind, ist jedes Brooks-Solo eine Freude.)
Weiter geht es mit „Dark Eyes“, einem russischen Lied aus dem 19. Jahrhundert (Óči čjórnye). Hier legt Blakey sich von Beginn an ins Zeug, spielt immer wieder überraschende Fills hinter Donaldson, der hier dann nach meinem Gefühl hier vom Neuling Brooks in den Schatten gestellt wird (das Donaldson-Solo ist mal wieder eins ohne jegliche Kohärenz). Brooks greift die letzte Phrase auf, sein Ton ist trockener, seine Delivery flüssiger. Blakey droppt einige Bombs, und rhythmisiert seine Begleitung stark (toll dieser Doppelbeat auf 3 ab ca. 4:40), während Smith sich ziemlich zurückhält und McFadden kommt und geht. Hier funktioniert der relaxte Ansatz für meine Ohren perfekt, zumindest in Brooks‘ Solo kommt keine Sekunde Langeweile auf (und ein Beinah-Zitat von „Softly as in a Morning Sunrise“ ist natürlich auch schon). Dann folgt McFadden mit seinem Twang – er hat sicher nicht den attraktivsten Ton und wie mich dünkt weniger Zähne, wenn er sich ins von Blakey so schön gemachte Bett legen kann, statt sich mit Baileys Überraschungseffekten auseinandersetzen muss. Ich höre jedenfalls Unterschiede zwischen dem Working Trio und den Sessions mit Gästen, finde beides auf seine Weise toll, aber die Kombination (August 1957 und – weniger gravierend – hier) funktioniert nicht immer. Smith setzt dann selbst wieder das Sahnehäubchen, aber im Rahmen einer solchen Blowing Session ist „Leader kriegt stets das letzte Solo“ vielleicht nicht das beste Rezept (und „alle solieren der Reihe nach“ auch nicht unbedingt – aber klar, gäbe es Stücke mit Brooks aber ohne Solo, wäre ich auch enttäuscht). Smtih war wohl eher zu grosszügig damit, seinen Kollegen so viel Platz zu gewähren, wie sie wollten. Eine Spur mehr über Arrangements nachdenken vor dem Spielen hätte sicher nicht geschadet. Aber das ist Nörgeln auf hohem Niveau.
Der Opener der B-Seite ist das Titelstück – nach „Au Privave“, „Yardbird Suite“, „Confirmation“ etc. eine weiter Charlie Parker-Komposition. Das ist das einzige damals erschienene Stück mit Donald Bailey am Schlagzeug, und der Unterschied ist schon im Thema zu bemerken: seine Becken klingen hoch, etwas giftig fast, und er setzt sie flächiger ein als Blakey (das Ride ist quasi dauernd präsent). Brooks spielt dieses Mal das erste Solo und wirkt nicht richtig konzentriert (er schrammt wieder an „A Kiss“ vorbei). Bailey und Smith sorgen aber dafür, dass keine Langeweile aufkommt, das Solo hat etwas Deklamierendes und ist nicht schlecht, aber so richtig in Fahrt kommt Brooks hier nicht. Donaldson greift die letzte Phrase von Brooks zum Einstieg auf, landet aber unversehens beim „Chattanooga Choo Choo“ (soviel zu mässig passenden Zitaten). Die Rhythmusgruppe ist dahinter allerdings weiterhin toll, hier gibt es das dichte Interplay, das McFadden mit Blakey nicht macht. Donaldson endet mit einer Reihung von Klischees und ganz zum Schluss mit „Now’s the Time“ bzw. „The Hucklebuck“ – und als würde das durch die Wiederholung besser, wiederholt er die Phrase dann zu Beginn von Smiths folgendem Solo noch einmal. Hier kommt jetzt das Trio zum Zug, Bailey schaffte es, gleichzeitig einen tollen Flow und ein Gestotter zu trommeln, McFadden ist leider etwas schlecht zu hören, aber er setzt Akzente, und Smith greift in die Vollen – und endet sein Solo dann wieder mit dem „Hucklebuck“. McFadden ist hier dann als letzter dran, und das funktioniert auch gut so – solistisch taugt er in der Regel doch mehr zum Aufwärmer oder Abkühler vor oder nach dem Leader, aber in einer Reihe mit den Bläsern hier und bei den letzten Sessions ist er manchmal schon nicht ganz auf der Höhe.
„An Insane Night in Smalls‘ Paradise“ – so sagt Babs Gonzales dann den 17minütigen Closer an, „A Night in Tunisia“ – und McFadden wird Mike genannt, mit „monsieur“ davor, aber raus kommt dabei „Messiah“. Hipster-Talk aus einer andere Ära. Blakey trommelt von Anfang an toll, aufgrund des rasanten Tempos etwas weniger wuchtig. Brooks ist als erster dran, landet wieder bei kurz bei „Softly“, bleibt aber auch nah am Thema. Hier kommt die Band so richtig in Fahrt und auch Lou Donaldson und Eddie McFadden wachsen über sich heraus – und hier passt es denn auch, dass Smith am Ende zum Zug kommt. Diese Performance ist für meine Ohren auf jeden Fall das grosse Highlight, inklusive Blakeys Spot am Ende.
Es folgen die drei Bonustracks, zwei Balladenfeatures von Donaldson, „What’s New“ und „Once in a While“ (1954 mit Blakey im Birdland, als eine andere legendäre Version von „A Night in Tunisia“ entstand, war das das Feature von Clifford Brown) umrahmen das schnelle Trio-Stück „Small’s Minor“ aus Smiths Feder. Nach den langen und teils recht wilden Stücken davor ein angenehmer Ausklang, in dem Donaldson sich wieder mehr als gut macht.
„Smalls Paradise“, Harlem, NY, April 7, 1958 – 1st set
Lou Donaldson, alto sax #2-5; Tina Brooks, tenor sax #5; Jimmy Smith, organ; Eddie McFadden, guitar; Donald Bailey, drums.1. tk.1 Small’s Minor – rejected
2. tk.2 What’s New – Blue Note CDP 7 84441 2
3. tk.3 Fugueing The Blues – rejected
4. tk.4 Red Sails In The Sunset – rejected
5. tk.5 Cool Blues – Blue Note LT-1054„Smalls Paradise“, Harlem, NY, April 7, 1958 – 2nd set
Lou Donaldson, alto sax #4,5; Jimmy Smith, organ; Eddie McFadden, guitar; Donald Bailey, drums.1. tk.6 September Song – rejected
2. tk.7 Yesterdays – rejected
3. tk.8 Small’s Minor – Blue Note CDP 7 84441 2
4. tk.9 Once In A While – Blue Note CDP 7 84441 2
5. tk.10 Bye Bye Blackbird – rejected„Smalls Paradise“, Harlem, NY, April 7, 1958 – 3rd set
Lou Donaldson, alto sax; Tina Brooks, tenor sax #1-3; Jimmy Smith, organ; Eddie McFadden, guitar; Art Blakey, drums #1-3; Donald Bailey, drums #4.1. tk.11 A Night In Tunisia – Blue Note LT-1054
2. tk.12 Dark Eyes – Blue Note LT-1054
3. tk.13 Groovin‘ At Small’s – Blue Note LT-1054
4. tk.14 Mary Ann – rejected* Blue Note LT-1054, CDP 7 84441 2 Jimmy Smith – Cool Blues
* Blue Note CDP 7 84441 2 Jimmy Smith – Cool Blues
[die RVG ist deckungsgleich mit CDP 7 84441 2]--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaHighlights von Rolling-Stone.de11 coole Zitate aus „Und täglich grüßt das Murmeltier“
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Werbungredbeansandrice… wegen dem Punkt an dem wir jetzt (bald) sind, gab es vor Jahren einen ziemlich interessanten .org Post, Erinnerungen an ein Francis Wolff Interview im englischen Radio
According to a Leonard Woolf interview on BBC radio in ’69 (about the time he recorded „The flip“) Blue Note didn’t pay royalties – they paid cash. They paid more cash than their immediate competitors and also paid for rehearsal time. This was fine for the musicians until they got a hit record. When that happened, the aggrieved musician would turn up at the office and look for royalties. And be told to fuck off.
JOS was the first one this happened to. „Midnight special“ and „Chicken Shack“ were both big hits; no royalties. So Jimmy went to Verve and recorded „Bashin’“, from which „Walk on the wild side“ was a big pop hit. But he still had a contract with Blue Note, under which he owed them 4 more LPs.
So, early in 1963, he did four more sessions.
31 Jan 1963 – I’m movin‘ on (with Grant Green)
1 Feb 1963 – Bucket (Quentin & Donald)
7 Feb 1963 – Rockin the boat (with Lou Donaldson)
8 Feb 1963 – Prayer meetin‘ (with Stanley Turrentine)
This WAS a big deal for Blue Note, because the last 3 were all hits. I love those four sessions – Jimmy was so relaxed and informal about them.
Lou Donaldson and Donald Byrd got the same treatment, when they had hit albums. Lou went to Chess, Byrd to MGM. So did Grant Green, whose records were selling well, though not hits. Woolf implied that, when Lee and Horace had hits, they had to change the BN business plan – and this was a contributory factor in the decision to sell to Liberty.
von hier… das sind Erinnerungen an eine Sendung, die 40 Jahre frueher im Radio gekommen war, mit der entsprechenden Vorsicht zu geniessen… aber es deckt sich eigentlich mit allem, was ich sonst so gehoert hab (bis auf den Namen Leonard Woolf)
Danke! Das habe ich auch so im Kopf, aber keine Ahnung mehr, wo ich das mal aufgeschnappt hatte – vielleicht ja ebenfalls damals auf Org.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbagypsy-tail-windAugust 1957 & Februar 1958: The Sermon – Jam-Sessions, 2. Runde
Jimmy Smith – Softly as a Summer Breeze | … Die letzten zwei Stücke der Session, die auch tatsächlich nach den obigen vier entstanden, sind dann mit McFadden und Bailey, der Working Band von Smith. Im Gershwin-Song „Someone to Watch over Me“ stellt McFaddden das Thema vor, der Closer ist dann dem Gast gewidmet,
„One for Philly Joe“, Smith swingt hart und glänzt, wie Feather betont, mit seinen Basslinien.Das hatte ich gestern übersehen: die RVG hat hier einen bis dahin stets weitergereichten Fehler korrigiert, der auch auf noch bei der Connoisseur Series-CD von 1998, die hier steht, zu finden ist. Bei „One for Philly Joe“ handelt es sich in Wahrheit um die Horace Silver-Komposition „Home Cookin'“.
Das Cover hat übrigens Jean-Pierre Leloir gemacht – les parapluies de Philadelphia.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaHome Cookin‘: Sommer 1958 – Sommer 1959
Im Juli 1958 nahm Smith an zwei aufeinanderfolgenden Tagen, dem 15. und 16. des Monats, bei Van Gelder in Hackensack noch zwei Sessions auf. Nr. 18 und Nr. 19 seit Februar 1956. Das Tempo war horrend, und so erfolgreich die Platten sein mochten: Blue Note kam nicht mehr nach, die Musik halbwegs zeitnah zu veröffentlichen. Also drosselte man das Tempo ein wenig und brachte weiterhin Alben heraus, die die besten Stücke verschiedener Sessions versammelten – bzw. eine solche LP. Der Rest der Musik, die Smith um Juli 1958 und dann im Mai und Juni 1959 bei den nächsten zwei Sessions (auch in Hackensack bei Van Gelder) aufnahm, kam erst viel später heraus.
Jimmy Smith – Home Cookin‘ | Das Album, das aus den Sessions von Juli 1958 sowie Mai und Juni 1959 zusammengestellt wurde, ist ein grosser Smith- und Blue Note-Klassiker: das 1961 herausgebrachte „Home Cookin'“, auf dem ein weiterer Saxophonist zu hören ist, der kaum dokumentiert ist: Percy France (Brooks hatte es da im Vergleich direkt gut, allerdings schaffte es France, meist abseits des Rampenlichts als Musiker ein langes Leben zu führen). Er ist auf vier der sieben Stücke zu hören, die Lion für die LP auswählte. Los geht es mit dem Klassiker „See See Rider“, in dem France mit seinem riesigen, altmodischen Ton sich als perfekte Stimme neben dem Leader etabliert. Kenny Burrell und Donald Bailey sind auf dem ganzen Album zu hören – sie bildeten mit Smith das Trio, das bei allen drei Sessions präsent ist, aus denen das Album zusammengestellt wurde. Es folgen zwei Trio-Stücke, Burrells „Sugar Hill“ und Ray Charles „I Got a Woman“. Ersteres stammt wie die Tracks mit Percy France vom 16. Juni 1959, letzteres war das einzige damals erschienene Stück der Session vom 24. Mai 1959 (s.u.) und ist kurz gehalten – es kam auch als Single heraus. Die Seite schliesst dann wieder mit France und Smiths Blues „Messin‘ Around“, mit dem die Session am 16. Juni 1959 begonnen hat. Burrell, France und Smith solieren, Bailey sorgt für einen tollen Beat.
Auf Seite B geht es mit noch zwei Stücken mit Percy France weiter, „Gracie“ von Smith und „Come On Baby“ von Burrell. Ersteres ist ein Blues in Moll, letzteres ein Stück, das bei Prince oder so „Le Grind“ hätte heissen können – und klar, bei sowas wird es auch bei Liner Notes manchmal schwierig (oder creepy, je nach Blick und Autor), Gitler schreibt hier: „a slow, rocking-groove number that echoes the title’s entreaty“ – und auch das wenig überraschend ein Blues, und France spielt hier, finde ich, ein besonders schönes Solo (inkl. Beinah-Zitat von „Nobody Knows the Trouble I’ve Seen“). Den Ausklang des Albums macht dann „Motorin‘ Along“, ein Stück von Jimmy McGriff, wieder im Trio und von der Session vom 15. Juli 1958 (das einzige auf dem Album, das schon im Vorjahr entstand) – Burrell ist hier besonders toll, aber das Trio zeigt auch einmal mehr, dass es ohne Bläser wenigstens so gut funktioniert (eben auch – oder sogar gerade? – mit Burrell anstelle des regulären Gitarreisten, der da vermutlich immer noch McFadden war; es gibt zwischen „Cool Blues“ im April 1958 und „Crazy! Baby“ vom Januar 1960 mit dem neuen Gitarristen Quentin Warren – wohl wegen der Menge angehäuften Materials – keine Aufnahmen der Working Band von Smith).
Ira Gitler schreibt über Percy France in den Liner Notes:
Percy France is new to Blue Note but is a veteran of the New York scene. Born in Manhattan on August 15, 1928, he started piano studies at 6, later took up the clarinet and on September 11, 1941 bought his first tenor saxophone. Percy remembers the exact date because he paid for the horn out of his own, hard-earned money.
At Benjamin Franklin High (a schoolmate was Sonny Rollins), he played in the band. Then he turned professional with Betti Mays‘ Swingtet and later played with trumpeter Frank Humphries. After gigging around with his own group in the late 1940s, France joined Bill Doggett in 1951 and remained with the organist into 1955. Since then he has free-lanced in New York, including many dance dates. Percy enjoys playing for dances and I’m sure they enjoy his brand of basic, swinging tenor. It seems he likes to work with organists (perhaps he has been type-cast) for in both 1959 and 1960, he appeared with Sir Charles Thompson at Count‘ Basie’s.
Percy first dug Don Byas. He then admired Coleman Hawkins „for changes“ and Lester Young „for feeling“. Among the younger tenormen, he likes Benny Golson for one. „He really knows his instrument,“ says Percy.
France does not sound like Golson. He does, however, have strong roots and gets a warm groove full of feeling, reflective, in a general way, of his early influences.
So richtig – heute sagt man: nachhaltig – Eindruck hinterlassen kann France bei mir mit dem Album nicht. Es gehört zu den besseren von Smith, aber das hat wenigstens so viel mit Burrell und mit Smith selbst zu tun wie mit France.
Auf dem CD-Reissue von „Home Cookin'“ folgen „Since I Fell for You“ (15. Juli 1958) und ein Stück von France, „Apostrophe“ (nochmal mit France und vom 16. Juni 1959), die beide auf der LP „On the Sunny Side“ in der LT-Reihe erschienen (s .u.). Dann folgt noch Smiths „Groanin'“ (noch so ein schlüpfriger Titel, aufgenommen am 24. Mai 1959, siehe dazu auch „Standards“ unten), der einzige soweit ich weiss nach wie vor exklusive Bonustrack hier und mit über acht Minuten eins der längsten Stück dieser Sessions. Die letzten beiden der fünf Bonustracks sind Alternate Takes von „Motorin‘ Along“ und „Since I Fell for You“, von der Session vom 15. Juli 1958 und sind auch dem jüngsten japanischen CD-Reissue von „On the Sunny Side“ (s.u.) beigefügt worden. Letzterer ist immerhin zwei Minuten länger als der Master Take, der für „Sunny Side“ gewählt wurde (während die Differenz bei „Motorin‘ Along“ nur fünf Sekunden berägt).
Hier noch die Rückseite der LP von 1961, um den Punkt mit den vielen Alben nochmal zu betonen: 16 Alben von Smith sind auf dem Rückcover gelistet, inkl. dem später aufgenommenen „Crazy! Baby“, das früher herausgekommen ist. 16 Alben in fünf Jahren!
Jimmy Smith – Six Views of the Blues | Erst 1999 in der Connoisseur Series erschien dann dieses Album bzw. diese Session, die wie es scheint nie in Richtung Album weiter gedacht/bearbeitet wurde. Sie ist in mehrfacher Hinsicht interessant. Zuerst ist sie das einzige Dokument vom 16. Juli, dem zweiten Tag der zweitätigen letzten Smith-Sessions des Jahres 1958. Dann ist das Album aber vor allem wegen dem Line-Up, besonders dem Gast bzw. Solisten am Saxophon interessant: Cecil Payne, damals mitten in seiner längeren Zeit bei Randy Weston, ist als einziger Bläser dabei. Also genau so ein Setting, wie ich es mir mit Tina Brooks, Curtis Fuller oder Lee Morgan auch wünschen würde. Oder fast. Ein einziges Stück kam damals als Single heraus, die Smith’sche Adaption von Moe Koffmans damaligem Hin „The Swingin‘ Shepher Blues“ (üblicherweise mit vielen Flöten gespielt, Buddy Collette rief extra die Four Swingin‘ Shepherds ins Leben, mit Bud Shank, Paul Horn, Harry Klee und ihm selbst an vier Flöten in verschiedenen Lagen …)
Cecil Payne nahm nur selten bei Blue Note-Sessions teil, Michael Cuscuna bietet in den Liner Notes zur CD den Überblick: 1948 mit James Moody, 1955 für Dorhams „Afro-Cuban“ und dann 1961 nochmal für die Tadd Dameron-Session mit Sam Rivers etc., die auszugsweise auf der ebenfalls im Rahmen desselben Connoisseur „batches“ mit unveröffentlichten Aufnahmen erschien, „The Lost Sessions“. Sein ganzes Potential kann Payne hier nicht zeigen, denn von der Novelty abgesehen wurden ausschliesslich Blues-Stücke eingespielt: W.C. Handys „St. Louis Blues“ steht am Anfang, dann folgt das Stücklein von Koffman, und danach Smiths Blues Nr. 1-4 – auf der CD in der Reihenfolge 1, 3, 4 und 2 programmiert – , vermutlich alles Stücke, denen bei einer Veröffentlichung noch Titel gegeben worden wären. An der Gitarre ist auch hier Kenny Burrell zu hören, am Schlagzeug wechseln sich Art Blakey (St. Louis, Shepherd, No. 1) und Donald Bailey (No. 2-4) ab.
Die Musik ist sehr schön, aber erwartungsgemäss etwas gleichförmig. Im Opener von Handy übernimmt Burrell für die Bridge mit dem „spanish tinge“ (12-12-16-12, wobei die 12taktigen Teile der üblichen Bluesform entsprechen) von Smith. Payne ist erst nach dem Solo von Smith als Solist zu hören und nicht in die Themenpräsentation eingebunden (was bei Smith ja öfter vorkommt und was ich eigentlich ganz gut finde: warum sollen immer nur die Bläser das Thema vorstellen?). Was bei dieser Session auch auffällt – und von Cuscuna in den Liner Notes angesprochen wird, weshalb mir das Thema überhaupt bewusst wurde: Van Gelder stellt jeweils nach Paynes Solo dessen Mikrophon ab – wodurch sich auch das Gesamtklang(raum)bild ändern.
Das Schema zieht sich durch die Session: Payne spielt sein Solo, aber die Themen werden von Smith vorgestellt, mit Unterstützung von Burrell, der dann gerne das erste Solo spielen darf. „Blues No. 1“ mit Blakey ist mittelschnell, Burrell spielt das erste Solo, während zwei Improvisationen von Smith den Beitrag von Payne umrahmen. „Blues No. 3“ ist eine langsame, einfache Riff-Nummer, den Solo-Reigen öffnet wieder Burrell mit einem längeren Solo-Break. Und so setzt sich das dann fort, Paynes tolles Solo öffnet wieder mit einem unbegleiteten Break, während Bailey dahinter einen Shuffle antönt. Und klar, so ein Tempo geht nicht, ohne dass der Versuchung von Doubletime erliegen würde. Aber das ist auch wieder eine Stärke von Bailey: manchmal tönt er Doubletime nur an mit leisen Zwischenschlägen, und selbst wenn er in Doubletime fällt, klingt es oft sehr leicht.
„Blues No. 4“ ist mit 10:45 die längste Nummer des Programms, eine Linie, die mehr ein repetitives Kürzel ist, boppig, und für einmal mit Payne im Thema. Burrell spielt dann das erste einer Reihe von langen Soli. Hier kommt ordentlich Stimmung auf. „Blues No. 2“ am Ende dauert nochmal neun Minuten, das Tempo ist mittelschnell und Bailey tönt einen Shuffle an. Smith ist hier selbst der erste Solist – für einige Abwechslung ist hier trotz des ähnlichen Materials schon gesorgt, aber einen verlorenen Klassiker hat man hier 1999 nicht geborgen. Aber eine feine Gelegenheit, Cecil Payne für einmal in anderem Rahmen mit ausführlichen Improvisationen zu hören.
Jimmy Smith – On the Sunny Side | Die LP aus der LT-Reihe kam 1981 heraus und nimmt ihren Titel vom Opener, dem einzigen Stück von 1960, von der grossartigen Session mit Stanley Turrentine, aus der die Alben „Back at the Chicken Shack“ und „Midnight Special“ sowie ein zusätzlicher Track, „On the Sunny Side of the Street“, resultierte (dazu dann später). Es folgen auf Seite A drei weitere Stücke, von denen jedes von einer anderen Session stammt: Buddy Johnsons „Since I Fell for You“ ist für meine Ohren eine der tollsten R&B-Groove-Balladen, die je geschrieben wurden. Smith nahm sie am 15. Juli 1958 mit Kenny Burrell und Donald Bailey auf und das ist für meine Ohren eine erstklassige Performance. Burrells Ton ist offen, resonant, klingt reich und weich, aber seine Phrasierung ist total auf den Punkt – das sind schon andere Qualitäten als bei Eddie McFadden, der irgendwie zunehmen „garage-iger“ wurde in seiner Zeit bei Smith. Weiter geht es mit dem zweiten Stück mit Sax: „Apostrophe“ stammt von der Sessino vom 16. Juni 1959 mit Percy France, bei der über die Hälfte von „Home Cookin'“ eingespielt wurde. Und die Seite endet dann mit „Little Girl Blue“, dem (schönen!) „leftover“ vom 25. August 1957 – das eine Trio-Stück, das bei der Jam-Session entstand, die auf den Alben „House Party“, „The Sermon!“ und dem nachgeschobenen „Confirmation“ veröffentlicht wurde.
Auf der B-Seite geht es dann kohärenter zu und her: alle vier Stücke stammen von der Session vom 15. Juni 1958: „Bye Bye Blackbird, „I’m Just a Lucky So and So“, „Ruby“ und „September Song“. Allesamt Standards, und so fühlt man sich vielleicht an die Sessions von 1957 mit ähnlich nostalgischem Programm erinnert, die erst in den 90ern erschienen (die ich aber leider nicht kenne).
(Das Japan-Reissue von 2012 enthält zwei Bonustracks: die Alternate Takes von „Motorin‘ Along“ und „Since I Fell for You“, die in den USA und Europa – zusammen mit „Since I Fell for You“ und „Apostrophe“ auf dem CD-Reissue von „Home Cookin'“ zu finden sind; der Mater Take von „Motorin‘ Along“ ist Teil dieses Albums.)
Jimmy Smith – Standards | Die LP „On the Sunny Side“ spielte für mich nie eine Rolle, da ich die ersten drei Stücke der A-Seite als Bonustracks (auf den CD-Reissues von „Back at the Chicken Shack“ und „Home Cookin'“) hatte. Das restliche Material, also „Little Girl Blue“ und die vier Stücke vom 15. Juli 1958, erschienen 1998 erneut auf der CD „Standards“ (das war eine kleine Reihe mit CDs von Lee Morgan, The Three Sounds, Sonny Clark und Grant Green – allesamt rare Sessions, die Morgan und Three Sounds komplett mit neuem Material).
Diese CD enthält zudem sieben Stücke vom 24. Mai 1959, wieder mit Burrell und Bailey (das Line-Up ist auf der gesamten CD stabil, das Programm also auch viel kohärenter als auf „On the Sunny Side“). Diese sieben Stücke bringen 41 Minuten auf die Uhr, auch wenn man die Hälfte von „On the Sunny Side“ abzieht, kann man „Standards“ getrost als eigenes Album betrachten. Auch bei der Session standen nur Standards und ein paar Klassiker („Memories of You“ von Eubie Blake, „Mood Indigo“ von Ellington/Bigard) auf dem Programm, dazu ein Blues von Smith („The Last Dance“, der Closer der CD), und ein einziges Stück, das damals (auf „Home Cookin'“ und als Single) erschien, „I Got a Woman“ von Ray Charles.
Die CD mag insgesamt etwas verschlafen sein (auch ein langsamer Groover wie „Since I Fell for You“ täte dazwischen schon gut), aber die Musik ist ganz wunderbar, und es gibt schon ein wenig Abwechslung, so wird „Bye Bye Blackbird“ im mittelschnellen Tempo mit dem Zweier-Feeling, wie das Miles Davis Quintett es damals populär machte, vorgestellt (und Bailey scheppert im Thema obstinat auf die Vier – dieses Material bietet gute Möglichkeiten, sein idiosynkratisches Spiel in einem transparenten Rahmen und in bester Klangqualität zu hören).
Burrell ist hier ebensosehr Leader wie Smith, ihm obliegt meist die Präsentation der Themen und seine Soli sind wegen der bekannten und gerade genannten Qualitäten sowieso ein Genuss. Das hier ist so halb das gewünschte/erhoffte Orgelalbum von Kenny Burrell – es hat nicht ganz das erwünschte Niveau und die erhoffte Abwechslung, ein paar von Burrells melancholischen Themen, vielleicht auch eine Nummer mit einem rumpelnden Latin-Beat, hätten der Session sicher gut getan. Aber wenn man kein Meisterwerk erwartet, ist das schon sehr, sehr schön. Burrell und Smith glänzen beide in jedem Stück, jedem Solo.
Highlights: „Little Girl Blue“ (von der 1957er-Session, auch auf „Sunny Side“), „I’m Just a Lucky So and So“ und „September Song“ (1958, auch auf „Sunny Side“), „Memories of You“ und „It Might as Well Be Spring“ (von 1959 und exklusiv auf „Standards“).
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Ein PS zur Verwirrung um Smiths Geburtsjahr, ging mir im Post zu „Cool Blues“ unter: dort, in den Liner Notes von 1980, schreibt Michael Cuscuna nämlich noch, dass Smith 1926 geboren sei – damit sind drei Jahrgänge im Rennen: 1925, 1926 und 1928.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba1960: Neue Working Band / Jam Session #3 / Enter Stanley Turrentine
Jimmy Smith – Crazy! Baby | Das Jahr 1959 war nach den Sessions für „Home Cookin'“ aufnahmetechnisch bereits wieder vorbei. Aber 1960 lief wieder mehr, und die erste Session, die schon am vierten Tag des Jahres stattfand, erschien auch bereits im selben Jahr auf Platte – eine der besten Platten aus Smiths Diskographie, wie ich finde (auch wenn die Frau auf dem Cover schlecht ausgeschnitten und aufgeklebt wurde).
Leonard Feather schreibt in seinen Liner Notes, das Album sei Smiths „first LP release in several months“ – das war also nach der schnellen Kadenz der Jahre davor erwähnenswert. Um diesbezüglich rasch die letzten Jahre zu summieren (nur bei Discogs geschaut, also mglw. nicht akkurat):
1958: Groovin‘ at Smalls‘ Paradise Vol. 1 & Vol. 2, House Party
1959: The Sermon!
1960: Crazy! BabyDamit war das Tempo bei Smith in normale Bahnen gelenkt worden. 1961 und 1963 erschienen jeweils zwei Alben, 1962 und in den Jahren 1964-69 dann nochmal je eines. Ab 1962 brachte die Konkurrenz von Verve ja auch regelmässig neue Smith-Alben heraus, es scheint also sinnvoll, dass Blue Note sich etwas beschränkte (ein anderes Beispiel: Coltranes Prestige-Alben von 1957/58 erschienen auch noch bis 1964, und auch von den vier legendären Prestige-Alben des Miles Davis Quintet erschien das letzte erst 1961).
Neun Stücke nahm Smith am 4. Januar 1960 bei seiner ersten Session im neuen Studio Van Gelders in Englewood Cliffs auf, sieben davon landeten auf der LP, die zwei weiteren als Bonustracks auf der CD (1989). Los geht es mit dem fast neunminütigen „When Johnny Comes Marching Home“, eine unerwartete Wahl: „Here is a theme which, for all its antiquity and frequent use in what might be considered corny contexts, nevertheless has a harmonic basis well suited to jazz improvisation“. Los geht es „outside the induction center – ‚Marching in the street,‘ says Jimmy, ‚using an Oriental sound to blend with the rebel sound.‘ Next comes what Jimmy refers to as an ‚Irish vamp,‘ though to these ears the C-and-G pedal point seemed to suggest rather the advance of a Scots regiment. Then the trio settles into a regular tempo in C Minor. The beat moves a trifle too fast for marching, but never too fast for not swinging.“ (Leonard Feather in den Liner Notes)
Das erste Solo gehört dann Quentin Warren, dem neuen Gitarristen, dessen Ton ähnlicher dem von Kenny Burrell als dem seines Vorgängers Eddie McFadden – aber kleiner und mit etwas mehr Twang als bei Burrell. Er hält sein Solo kurz, dann übernimmt Smith für sein erstes langes Solo des Albums. Der Dritte im Bunde, Donald Bailey, hat schon im Intro ausgiebig sein Können zeigen dürfen und begleitet die Soli weiterhin abwechslungsreich, scheut nicht davor, abgedroschene Ideen abzuwandeln (der penetrante Rim-Shot auf 2, der relativ früh in Smiths Solo einsetzt, klingt eher wie ein Wood-Block als der Rahmen einer Trommel?). Warren findet in der Begleitung ebenfalls ein paar neue Wege, stellenweise rifft er hinter Smith, der, von Bailey angetrieben, ein phänomenales Solo spielt, das einmal mehr seine herausragende Stellung unter den Organisten demonstriert. Seinen Ton hält er in diesen Ideenflügen in der Regel recht schlank, streut ein paar hohe Triller ein, ein paar Dissonanzen – zu denen dann auch Warren noch etwas beiträgt, der offensichtlich gut zuhört und blitzschnell reagiert. Das ist atemberaubende Musik, und damit ist der Ton für den Rest des Albums gesetzt.
„Makin‘ Whopee“ und „A Night in Tunisia“ sind danach auf der ersten Seite zu hören. In „Makin Whoopee“ kommt der Garner-Touch zum Einsatz, der Ton also dicker, altmodisch, aber das swingt auch hier wieder wahnsinnig, auch dank Warrens four-to-the-bar Begleitung. Feather denkt hier auch an Sy Oliver-Stücke wie „T’ain’t What You Do“, und auch das ist nicht von der Hand zu weisen. In „Tunisia“ kommt die übliche Routine zum Einsatz (mit dem Interlude – so hiess das Stück anfangs – und dem Solo-Break).
Auf Seite B sind vier etwas kürzere Stücke zu hören. „Sonnymoon for Two“ ist ein Feature für den damals gemäss Feather neunzehnjährigen Quentin Warren an der Gitarre. „Mack the Knife“ erschien als B-Seite der Single-Version von „Johnny“ und ist eine weitere an Garner erinnernde Nummer mit diesem jumpenden Swing und einer Four-to-the-Bar-Begleitung der Gitarre. „What’s New“ ist ein Balladenfeature für Smith (die Versionen von „Tunisia“ und „What’s New“ vom April 1958 waren damals noch nicht bekannt), der hier auch dick aufträgt, altmodisch, aber sehr sehr toll. „Alfredo“ ist eine Hommage an Alfred Lion, ein catchy Stück in Moll, das eigentlich auch fast von John Patton stammen könnte – Warren kriegt hier das erste Solo, Bailey haut hinter ihm Rim-Shots … das erste Album mit dem neuen Gitarristen, und gleich eins der besten Studio-Alben, die Smith überhaupt aufnahm. Für mich bleibt das ganz, ganz grosses Kino – eine Art Zwischenfazit von Smith, knapp vier Jahre nach dem ersten Album (und über ein Dutzend Alben später). Auch Donald Bailey ist hier ein paar Schritte weiter, und das sollte sich demnächst auszahlen.
Die Bonustracks sind „If I Should Lose You“ und „When Lights Are Low“ – ersteres ein damals noch recht oft gespielter Standard, hier als Ballade von Smith dargeboten, mit einem schönen kurzen Solo von Warren, letzteres ein Stück von Benny Carter, im mittelschnellen Tempo, und hier klingt Warren zu Beginn seines Solos ganz kurz fast wie sein Vorgänger.
Die CD-Ausgabe von 1989 sieht etwas anders aus (bei mir ist das Cover auch noch anders beschnitten, das Fenster vom Haus oben rechts ist angeschnitten und ich hatte es noch gar nie als solches zur Kenntnis genommen, weil nur die untere Hälfte zu sehen ist und ich mich nie drauf geachtet hatte):
Musik: Sternstunde / Cover: meh / Auto: schon ganz nett (Jaguar?), auch wenn Autos natürlich nicht so super …
Jimmy Smith – Open House | Ich erwähnte oben, dass Donald Baileys Entwicklung sich auszahlen sollte. Was ich meinte: am 22. März 1960, jetzt im neuen Studio von Rudy Van Gelder, das genügend Platz bot, fand die dritte und letzte grosse Jam-Session von Smith statt. Und geladen waren dieses Mal nur drei Bläser, Gitarre und Schlagzeug übernehmen die regulars, also Quentin Warren und Bailey. Und letzterer macht schon im Opener der ersten Scheibe, die 1968 herauskam, so viel Druck, dass das auch Art Blakey nicht viel besser gekonnt hätte (anders, klar). Die geladenen Bläser sind andere – der Generationenwechsel bei Blue Note kündet sich an (auch wenn Morgan, Mobley und Donaldson natürlich weiterhin zum „roster“ gehörten): Blue Mitchell, Jackie McLean und Ike Quebec sind an Bord und Mitchell spielt im mit 16 Minuten längsten Stück das erste Solo. McLean folgt mit einem funky BLues-Solo aus der Trickkiste von Charlie Parker und Bailey dreht hinter ihm richtig auf. Smith schiesst ihn dann mit einem seiner „Bremsmanöver“ quasi ab, das er dann beim letzten Solisten, Ike Quebec früh im Solo wiederholt. Jetzt sind Bailey und Smith völlig in Fahrt und Quebec scheint sich pudelwohl zu fühlen, ist – wie davor jeweils Lou Donaldson – noch im grössten Tumult die Ruhe selbst, haut eine tolle Linie nach der anderen raus, stets mit dem kernigst-möglichen Ton. Ein Beinah-Zitat der „Marseillaise“ bringt er auch noch unter gegen Ende – und ich habe das Gefühl, dass er Smiths Signal, er solle zu einem Ende kommen, ignoriert. Für diesen ist das Bett dann längst gemacht und er spielt ein klasse Blues-Solo, wie ich echt nur von ihm kenne. Warren fängt irgendwann hinter dem Leader zu riffen an und wir hören wieder das Trio in Topform. Die Bläser bringen das Stück nach einer Viertelstunde dann allmählich zu Ende, natürlich mal wieder mit einem Fade-Out.
„Old Folks“ ist das erde Balladenfeature auf den beiden Alben – und es ist ja eigentlich klar, wem der Song von Willard Robison [so heisst er, auch wenn fast alle, auch Hentoff in den Liner Notes, zumindest im Booklet des CD-Twofers, „Robinson“ schreiben] gehört, den Mildred Bailey 1938 populär machte: Ike Quebec natürlich, dem alten Mann hier, mit Jahrgang 1918 der älteste mitwirkende hier. Über die Güte von Quebecs Balladenspiel braucht nichts weiter gesagt werden. Smith spielt ein kurzes Intermezzo, getragen, nicht ohne ein paar typische Effekte, die er aber äusserst geschmackvoll und behutsam platziert.
Seite zwei läuft nach demselben Schema ab: „Sista Rebecca“ ist natürlich keine Nonne, sondern … ein Blues von Jimmy Smith, und netterweise verzichtet Leonard Feather hier auf Plattheiten, wie er sie sonst gerne mal raushaute. Einmal mehr ist die ganze Band dabei. Quebec, Mitchell, McLean, Smith ist die Reihenfolge hier, und alle sind hier phantastisch drauf, besonders auch Bailey, der nicht nur hinter Smith sehr aktiv agiert. Aktiver als auf dem Titelstück ist auch Warren an der Gitarre, der allerdings erneut kein Solo kriegt.
Zum Ausklang des ersten Albums ist das zweite Balladenfeature zu hören, „Embraceable You“. Nach einer kurzen Einleitung von Smith übernimmt McLean und auch sein Feature ist hervorragne. Warren setzt auch hier wieder aus (wenn ich mich nicht verhöre, spielt er auf keiner der vier Balladen dieser Session mit).
Jimmy Smith – Plain Talk | Auf dem zweiten Album wiederholt sich das Schema: zwei lange James, jeweils von einem Balladenfeature gefolgt. Los geht es mit einem typischen Smith-Groove, doch das Stück, „Big Fat Mama“, stammt von Lucky Millinder. Die Stimmung ist zu Beginn etwas zurückhaltender, weniger aufgekratzt. Quebec spielt das erste Solo, und es ist einmal mehr faszinierend, zu hören, wie er es gestaltet, mit langen Pausen, oft mit kurzen Linien, wie er dabei seinen Ton moduliert, mal eine dreckige Phrase einstreut, die ein wenig an Ben Webster erinnert – und dennoch ein völlig stimmiges, kohärentes Statement herauskommt. Blue Mitchell folgt und Bailey beginnt mit Rim-Shots und verdichtet sein Spiel phasenweise etwas. Dann übernimmt Smith, mit einem gehaltenen Ton erstmals, Bailey scheppert ein paar seiner schrägen Fills dazu … und die Gitarre, das wird jetzt endgültig klar, pausiert hier bisher. Bailey spielt irgendwann hinter Smith fast so viele Fills wie er Beat spielt, und die Gitarre taucht auch auf. Fast könnte man glauben, Smith habe inzwischen in Sachen Dramaturgie den Dreh auch bei grösseren Besetzungen allmählich raus. Sein Solo – McLean setzt hier aus – dauert fast die zweite Hälfte der elf Minuten, und dafür, dass dieses kleine Stücklein so harmlos begann, ist das einmal mehr beeindruckend, wohin Smith es führt. Das Thema am Ende bricht unvermittelt wie die Ruhe vor dem Sturm wieder herein und gehört einmal mehr Smith.
Das nächste Balladenfeature gehört dann natürlich Blue Mitchell, er spielt „My One and Only Love“ – für mich ein mit Coltrane/Hartman assoziiertes Stück, aber deren Einspielung folgte ja erst noch. Nat Hentoff meint in den Liner Notes passend: „He gets a quintessential brass tone – open and ringingly free – and his conception is of a lucidity and economical eloquence which remind me of the late Freddie Webster.“ Ein grosses Kompliment, das Mitchell sich für seinen Auftritt hier – der mit einer unbegleiteten Kadenz endet – auch wirklich verdient hat.
Auf der zweiten Seite geht es mit „Plain Talk“ von Smith los, dem Opener der Session. Hier sind wieder alle drei Bläser dabei, die Reihenfolge ist die gleiche wie in „Open House“: Mitchell, McLean, Quebec, und dann der Leader – und der hat schon im Thema Spass mit kleinen Fills und erweist sich einmal mehr – das habe ich wohl bei den Texten über die bisherigen Jam-Sessions zu wenig herausgestrichen – als hervorragender Begleiter.
Den Abschluss macht dann Ike Quebec, der ein zweites Feature kriegt: „Time After Time“. Das ist eher eine Walking Ballade, aber einmal mehr eine wunderbare Performance und ein würdiger Abschluss für eine Session, die wie mir scheint viel zu wenige bekannt ist. Da das Line-Up hier viel stabiler ist als bei den Aufnahmen von 1956-58, bin ich heute der Meinung, dass das hier von den Smith-Jams wohl der allerbeste ist. Und das überrascht mich gerade selbst am meisten – es ist wohl das Eingeständnis, dass die Session vom Februar 1958, so gut sie ist, einfach etwas weniger gelungen ist, Tina Brooks und „The Sermon“ hin oder her. Die beiden LPs „Open House“ und „Plain Talk“, die es bei Blue Note soweit ich sehe effektiv bloss einmal, 1992, auf CD (beide zusammen auf einem Twofer) gab, sind vermutlich auch weil sie erst mit so viel Verspätung erschienen sind, nicht sehr bekannt. Schade!
Die Abfolge der Session (gemäss jazzdisco.org):
1. tk.2 Plain Talk – Blue Note BST 84296
2. tk.3 Sister Rebecca – Blue Note BST 84269
3. tk.4 Embraceable You – Blue Note BST 84269
4. tk.6 Old Folks – Blue Note BST 84269
5. tk.7 Open House – Blue Note BST 84269
6. tk.8 My One And Only Love – Blue Note BST 84296
7. tk.10 Big Fat Mama – Blue Note BST 84296
8. tk.12 Time After Time – Blue Note BST 84296* Blue Note BST 84296 Jimmy Smith – Plain Talk
* Blue Note BST 84269 The Incredible Jimmy Smith – Open House
[alles auf: Blue Note CDP 7 84269 2 The Incredible Jimmy Smith – Open House / Plain Talk]Jimmy Smith – Midnight Special | Um 1960/61 herum, als dieses Album erschien, kristallisierte sich wohl die Standard-Formation für Orgeljazz heraus – zumindest gibt es sie um den Dreh herum z.B. bei Jack McDuff oder Johnny „Hammond“ Smith erstmals auf Platte. Smith, wir haben es gesehen, bevorzugte ein Trio ohne Saxophon. Doch als er am 25. April 1960 zu Van Gelder ging, war auch er mit der Formation unterwegs (wie zuvor bei der Session mit Percy France, klar, und davor im Rahmen grösserer Besetzungen immer wieder mit Lou Donaldson). Dass gleich zwei Alben in der Besetzung entstanden, ist aber doch bemerkenswert – und mit wem auch, denn das war das erste wichtige Unterfangen auf Blue Note, bei dem Stanley Turrentine zugegen war. Und im Gegensatz zur Session mit Percy France, deren Quartettmaterial keine ganze LP füllte (gut, es gab noch einen Outtake mit France …) passt hier alles, und es entstehen zwei LPs, die dann auch tatsächlich relativ zeitnah herauskamen.
„Midnight Special“ ist die erste davon, bei mir die zweite, und auch die, die immer hintangestanden hat. Heute läuft sie zum ersten Mal, ohne dass ich „Back at the Chicken Shack“, „Messy Bessie“, „When I Grow Too Old to Dream“ und „Minor Chant“ schon wieder im Ohr hätte. Kenny Burrell kam übrigens zu spät: von den zehn Stücken des Tages entstanden die ersten vier ohne ihn, er fehlt hier auf dem zweiten Stück, „A Subtle One“, einer Turrentine-Komposition, und auf „Why Was I Born“, einer wunderbaren Ballade, die auch Coltrane (mit Burrell – sogar im Duo!) aufgenommen hatte, aber die Aufnahme von 1958 erschien erst 1962. Los geht es mit dem Titelstück, einem zehnminütigen langsamen Blues von Smith, im dem auf Anhieb alles passt – ein langsam brennender „blues classic“, wie Bob Blumenthal in den Liner Notes zur RVG-Ausgabe meint (ich höre die alte CD, aus unbekannten Gründen habe ich von den zwei Alben jeweils beide Ausgaben).
In „A Subtle One“ ist wunderbar zu hören, wie Turrentine seine Linien und vor allem seinen grossen, altmodischen Ton formt. Er ist, darin wohl Lou Donaldson vergleichbar, ein mit allen Wassern gewaschener Musiker, der aber sehr populäre Musik machte – ohne deswegen auf dumm oder simpel zu machen. Zwei Soli umrahmen den Beitrag von Smith und in beiden gibt es mehrere Höhepunkte, die er geschmackssicher anpeilt, ohne je „over the top“ zu gehen.
Die zweite Seite enthält drei Stücke. Los geht es mit „Jumpin‘ the Blues“ von Jay McShann, dem letzten Stück, ganz am Ende der Session entstanden ist – das Tempo ist schnell, aber an mir zieht das Stück etwas vorbei. „Why Was I Born“ ist dafür dann tatsächlich wunderbar, Turrentine beschleunigt im Solo, hat diese rockende Phrasierung drauf, die in sich schon swingt, auch ohne dass Smith drunter rollen und Bailey sein feines Doubletime auspacken würde (das er mit recht tiefen Trommelschlägen – Steh-Tom? – grundiert, ohne je laut zu werden). Als Closer gibt dann „One O’Clock Jump“ von Count Basie – auch das keine offensichtliche Wahl, und ebenfalls eine Performance, die mich nicht so richtig umhaut – das beschränkt sich hier auf den Titeltrack und die Ballade, und dann am ehesten noch auf „A Subtle One“ – mit der Musik ist überhaupt nichts falsch, aber Turrentines eigene Basie-Hommage (die Idee, das Stück hier zu spielen, mag also seine gewesen sein), „A Chip Off the Old Block“, ist wesentlich überzeugender (im Oktober 1963 aufgenommen und bei mir einer der Gewinner der Umfrage, wenngleich kein Top 30-Material).
Turrentine hatte übrigens davor schon mit Dizzy Reece aufgenommen: am 3. April 1960 mit Dizzy Reece. Doch diese Session blieb zusammen mit der letzten, die Reece für das Label machte (auch mit Turrentine), bis 1999 unveröffentlicht, als das Material auf der CD „Comin‘ On“ herauskam.
Jimmy Smith – Back at the Chicken Shack | Erst 1963 kam die zweite Platte mit Musik von der Session vom 25. April 1960 heraus. Dazwischen brauchte Blue Note noch das Anfang 1962 aufgenommene „Jimmy Smith Plays Fats Waller“ heraus. Hier stimmt für mich gleich von Beginn weg alles. Das Titelstück ist zugleich der Opener und ein weiterer der langsamen Blues-Meisterwerke von Smith. Burrell und Turrentine tragen tolle Soli bei, Bailey agiert inzwischen längst als überaus souveräner Begleiter (den man darob nur zu gerne vergisst). Im zweiten Stück der ersten Seite, einer zehnminütigen Version von „When I Grow Too Old to Dream“, ist das Tempo mittelschnell, und wird im Two-Beat präsentiert, wie Miles Davis es populär gemacht hatte. Ein ideales Tempo für alle vier Beteiligten. Turrentine legt vor, und da Burrell hier noch nicht dabei ist, läuft das Stück nach dem gleichen Schema wie „A Subtle One“ ab: nach Smith ist Turrentine gleich noch ein zweites Mal zu hören. Ohne Burrell zu beleidigen, der auch wegen dieser Sessions zu einem meiner liebsten Gitarristen wurde: die Gitarre fehlt keine Sekunde. Turrentine selbst hat mit Shirley Scott, seiner Ehefrau und musikalischen Partnerin an der Orgel in den Sechzigern (neben weiteren schönen Alben mit Burrell) auch ein Album ohne Gitarre gemacht („Dearly Beloved“), und John Patton hat mit Sax und Drums sein heftiges Album „Understanding“ eingespielt.
Die B-Seite besteht hier auch nur aus zwei Stücken, und das sind, genau wie die beiden auf der ersten Seite, seit vielen Jahren Lieblingsstücke von mir: „Minor Chant“ ist das zweite Original der Session und das vierte und letzte Stück, auf dem Burrell noch nicht zugegen ist. Turrentine nahm es zwei Monate später für sein eigenes Debut bei Blue Note, „Look Out!“, erneut auf, dann mit Horace Parlan am Klavier. Es handelt sich um ein 32taktiges Stück in Moll, catchy aber recht verhalten, doch eine tolle Vorlage für eine weitere heisse, mittelschnelle Performance. Turrentines Solo lässt die Temperatur ansteigen, er zitiert unterwegs den „Funeral March“. Smith übernimmt dann und das Zusammenspiel mit Bailey ist so toll, dass mir hier auch auch ein anderer Gedanke wieder einmal durch den Kopf geht: ein Duo-Album der beiden wäre schon auch super! (Das gibt es wohl noch seltener, aber Rhoda Scott arbeitet sogar bevorzugt in dem Format und hat auch Alben nur mit ihrer Orgel und Schlagzeug aufgenommen.) Am Ende gibt es noch Fours von Turrentine mit Bailey.
Den Ausklang macht dann das erste Stück mit Burrell, und auch das längste der Session: zwölfeinhalb Minuten dauert „Messy Bessie“, wir sind wieder im Blues-Territorium, obwohl es sich um ein 32taktiges Stück handelt, das harmonisch an „Confirmation“ erinnert, vom Groove her aber eher an Horace Silver („The Preacher“) denken lässt. Turrentine kriegt erneut den grössten Platz – und nutzt seine Chance einmal mehr souverän. Nach dem ersten Solo ist Burrell maximal entspannt, mit leicht gedämpften aber wunderbarem Ton, während Smith in der Begleitung und im Solo, wie überhaupt bei der gesamten Session, eine für seine Verhältnisse ziemlich aufgeräumte Klangpalette verwendet (die Garnerisms sind hier für einmal ganz verschwunden, die tauchten wohl in erster Linie dann auf, wenn er ganz auf sich gestellt bzw. nur im Trio unterwegs ist und für Abwechslung zu sorgen hat). Turrentine soliert auch hier am Ende ein zweites Mal – und er glänzt ein letztes Mal mit seinen vokalen, weit ausschwingenden Linien, seiner völlig eigenständigen Phrasierung. Das abschliessende Thema präsentiert dann wieder Smith, und es klingt ein wenig „messy“. Bob Blumenthal schreibt dazu, dass Smith dafür die Solo-Changes verwende, was ich so verstehe, dass das hier für die Solos nicht die Changes des Stückes genutzt werden, was mir aber überhaupt nicht klar. Jedenfalls klingt das hier so maximal entspannt aus, wie es davor schon zwölf Minuten lang ging.
Bei dieser einen Session entstand nicht nur genügen Material für die zwei obigen LPs sondern noch ein Stück mehr, eine schöne Version des Standards „On the Sunny Side of the Street“, der als Opener auf der LT-LP „On the Sunny Side erschien (der Rest der LP entstand schon 1958/59, siebe oben). Das Stück entstand direkt nach „Messy Bessie“, es passt insofern also gut als Bonustrack ans Ende von „Back at the Chicken Shack“. Illinois Jacquet spielte „Sunny Side“ sehr gerne, aber Turrentine eignet es sich hier ganz selbstverständlich an. Burrell spielt das erste Solo, danach wieder Turrentines Einstieg, der eng am Thema bleibt.
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Kenny Burrell und Stanley Turrentine bei Burrells Session vom 8. Januar 1963Die Session in ihrem Ablauf und mit den wichtigsten Releases (gemäss jazzdisco.org):
Van Gelder Studio, Englewood Cliffs, NJ, April 25, 1960
Stanley Turrentine, tenor sax; Jimmy Smith, organ; Kenny Burrell, guitar #5-10; Donald Bailey, drums.1. tk.2 A Subtle One – Blue Note BLP 4078
2. tk.3 When I Grow Too Old To Dream – Blue Note BLP 4117
3. tk.5 Why Was I Born – Blue Note BLP 4078
4. tk.5A Minor Chant – Blue Note 45-1878, BLP 4117
5. tk.7 Messy Bassie – Blue Note BLP 4117
6. tk.10 On The Sunny Side Of The Street – Blue Note LT-1092, CDP 7 46402 2, (J) TOCJ-5941/44
7. tk.12 Midnight Special – Blue Note 45-1819, BLP 4078, BST 89901, BN-LA400-H2
8. tk.16 Back At The Chicken Shack – Blue Note 45-1877, BLP 4117, BST 89904, BST2 84429, BN-LA400-H2
9. tk.17 One O’Clock Jump – Blue Note 45-1820, BLP 4078
10. tk.19 Jumpin‘ The Blues – Blue Note 45-1820, BLP 4078, (J) BNJ-71106* Blue Note BLP 4078, BST 84078, CDP 7 84078 2 The Incredible Jimmy Smith – Midnight Special
* Blue Note BLP 4117, BST 84117, CDP 7 46402 2 The Incredible Jimmy Smith – Back At The Chicken Shack
* Blue Note LT-1092 Jimmy Smith – On The Sunny Side
* Blue Note BST 89901 Jimmy Smith’s Greatest Hits!
* Blue Note BN-LA400-H2 Jimmy Smith
* Blue Note BST 89904 Various Artists – Blue Note’s Three Decades Of Jazz, Volume 1 – 1959-1969
= Blue Note BN-LA160-G2 Various Artists – A Decade Of Jazz, Volume Three – 1959-1969
* Blue Note BST2 84429 Various Artists – The Best Of Blue Note
* Blue Note (J) BNJ-71106 Various Artists – Soho Blue
* Blue Note (J) TOCJ-5941/44 Various Artists – Rare Tracks: The Other Side Of Blue Note 4000 Series
* Blue Note 45-1878 Jimmy Smith – Minor Chant, Part 1 & 2
* Blue Note 45-1819 Jimmy Smith – Midnight Special, Part 1 & 2
* Blue Note 45-1877 Jimmy Smith – Back At The Chicken Shack, Part 1 & 2
* Blue Note 45-1820 Jimmy Smith – Jumpin‘ The Blues / One O’Clock JumpCoda: 13. Juni 1960 | Bei einer Session vom 13. Juni 1960 mit Stanley Turrentine, Quentin Warren, Sam Jones und Donald Bailey wurden nur zwei zufriedenstellende Stücke fertig gestellt: „Smith Walk“ und „Lonesome Road“. Sie erschienen erstmals 1984 auf der LP „Special Guests“ (diese enthält zudem je zwei Stücke von der Jam-Session vom August 1957 – dazu oben mehr – und zwei vom Album mit Grant Green von Anfang 1963 – dazu später mehr).
Smith mit einem Kontrabass ist Studio zu bringen mag zwar an Majestätsbeleidigung grenzen, aber Sam Jones klingt natürlich gut. Gemäss Bob Blumenthals Liner Notes zur RVG-Ausgabe, die ich gerade online nachlese (ich hatte „Prayer Meetin'“ längst, als die RVG herauskam – fand das Album nie richtig toll, bin aufs Wiederhören gespannt) sind das die einzigen Aufnahmen von Smith mit Kontrabass aus den Blue Note-Jahren.
Im ersten Stück, „Lonesome Road“, passt der Groove und Turrentine und Smith spielen lange, gute Soli (die Nummer dauert fast 9 Minuten), das zweite ist interessanter, aber weniger erfolgreich umgesetzt: ein Original von Smith namens „Smith Walk“, dessen interessante Changes wieder mal auf Smith den Modernisten hinweisen, der ja auch Musik von Gillespie oder Monk spielte, in dessen Band auch mal ein junger Coltrane ein paar wichtige Erfahrungen gemacht hat (leider nicht dokumentiert) … die Band navigiert relativ zögerlich durch das anspruchsvolle Stück, besonders Warrens Comping klingt so, als sei er sich nie ganz sicher, ob er richtig liegt. Dennoch eine schöne kleine Fussnote, bevor dann im Rahmen der vier letzten Alben, die Smith Ende Januar/Anfang Februar 1963 für Blue Note aufnahm, noch einmal zu einer erfolgreichen Begegnung mit Turrentine kam (eben „Prayer Meetin'“).
Donald Bailey bei der George Braith-Session vom 26. März 1963(Alle Fotos stammen aus dem Booklet der RVG-Ausgabe von „Midnight Special“ und natürlich von Francis Wolff)
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba1961/62: Straight Life / Plays Fats Waller
Jimmy Smith – Straight Life | 2007 erst erschien dieses Trio-Album, aufgenommen am 22. Juni 1961 bei Van Gelder, wieder im Trio-Format, das immer noch dasjenige war, mit dem Smith live auftrat. Im März 1962 nahm Smith für Verve das album „Bashin'“ auf – teils mit grosser Besetzung (arr. Oliver Nelson – Stanley Turrentine erhielt diese Star-Behandlung dann etwas später bei Blue Note, aber damals hätte das wohl noch das Budget gesprengt.
Über Quentin Warren weiss leider auch Bob Porter, der die Liner Notes schrieb, nicht viel: „It is known that he came from Washington, D.C. and that he returned there upon leaving Jimmy Smith.“ Sechs oder sieben Jahre gehörte Warren zur Band, ist also auch nach Smiths Weggang von Blue Note weiterhin dabei, obwohl im Studio weiterhin oft andere Gitarristen mitwirkten (Kenny Burrell blieb die erste Wahl – manchmal gab es auch keine Gitarre, z.B. auf „Hobo Flats“). Warren war auch im Sommer 1965 in Europa an Bord – an den Drums sass wenigstens seit Frühling 1963 Billy Hart (Donald Bailey ging nach Los Angeles – und stiess dort dann zur neuen Version von Gene Harris‘ Three Sounds).
Nach seinem Wechsel zu Verve landete Smith regelmässig in den Charts, Claus Ogerman oder Lalo Schifrin arrangierten weitere Alben mit grossen Bands, es gab eine Kollaboration mit Wes Montgomery, Smith sang auch mal … aber hier, sind wir noch tief im Jazz-Territorium, das Smith seit 1956 erkundete. Es gibt Swinger und Balladen, er packt seinen altmodischen Sound aus (langsam in „Star Dust“, mittelschnell in „Sweet Sue, Just You“), der Titeltrack/Opener ist ein Original wie „Minor Fare“ (von dem es am Ende noch einen Alternate Take zu hören gibt – ein charmantes Stück, in dem Smith/Warren das Thema in unisono präsentieren) und „Jimmy’s Blues“ (ein Shuffle-Blues mit der Gitarre im Lead), da ist aber auch das boppige „Stuffy“ von Coleman Hawkins, und „Swanee“ von George Gershwin. Ein Highlight gegen Ende ist „Yes Sir, That’s My Baby“, ein Stück von Walter Donaldson/Gus Kahn (letzterer übrigens 1886 als Gustav Gerson Kahn in Koblenz geboren), in dem Smith mal wieder im Alleingang das ganze Big Band-Arrangement zu spielen scheint. Ein typisches Trio-Programm von Smith, das nicht herausragt unter seinen Blue Note-Aufnahmen, mit dem aber auch überhaupt nicht falsch ist.
Im Booklet der CD „Straight Life“ finden sich zwei blaustichige Portrais von Quentin Warren und Donald Bailey (das von Bailey ist das gleiche Foto wie im Post oben) – Quentin Warren am 7. Februar 1963 bei der „Rockin‘ the Boat“-Session (Foto: Francis Wolff)
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Jimmy Smith Plays Fats Waller | Vor der Erfindung der elektrischen Orgel war Fats Waller wohl der einzige halbwegs relevante Jazzorganist. Del Shields stellt seinen Liner Notes ein Waller-Zitat voran: „Well, I really love the organ. I can get so much more color from it than the piano that it really sends me.“ Nur 39 Jahre alt Waller, als er Ende 1943 starb. Dass zum Zeitpunkt dieser Aufnahmen (Januar 1962) noch hätte aktiv sein können, ist also kein reines Hirngespinst. Shields: „There is no doubt that if Fats Waller was living today, he would probably be one of the most successful television performes. his assortment of highly technical music skills and his unusual but happy way of putting across a song would brighten the video screen as no other performer.“
Ein reines Waller-Programm ist dabei am Ende nicht herausgekommen. Auf „Jimmy Smith Plays Pretty Just for You“ hatte der Organist bereits Wallers Klassiker, „Jitterbug Waltz“, eingespielt. Hier sind „Squeeze Me“, „Ain’t Misbehavin'“ und „Honeysuckle Rose“ an der Reihe, zudem die mit Waller assoziierten „Everybody Loves My Baby“ und „Lulu’s Back in Town“, zudem „I’ve Found a New Baby“, von dem es gemäss Bob Blumenthals neuen Liner Notes zur RVG-CD bloss einen 1983er Aircheck von Waller gebe, im Duett mit James P. Johnson gebe, und „Ain’t She Sweet“, das Waller gar nie aufgenommen hat.
Der Verweis auf „Plays Pretty“ passt hier auch, weil die Stimmung auch auf „Plays Fats Waller“ eher zurückhaltend ist. Man könnte meinen, Smith schone seine Kräfte für wichtigere Dinge, die er ja bald abseits von Blue Note anpacken sollte. Aber dann ist hier wiederum kein einziges Solo der beiden Sidemen zu hören – Warren/Bailey sind reine Begleiter, während Smith naturgemäss bei dem Thema des Albums einen altmodischeren Sound pflegt.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaJanuar/Februar 1963: Movin‘ On
Schon Anfang 1962 hatte Smith sein erstes Album für Verve aufgenommen, „Bashin'“ – und auf dem Album fand sich mit dem Opener „Walk on the Wild Side“, prompt ein Hit. Um seinen Blue Note-Vertrag zu erfüllen*, ging Smith zwischen dem 31. Januar und dem 8. Februar noch viermal ins Studio von Rudy Van Gelder. Das Ergebnis waren seine letzten vier Alben für Blue Note (er kehrte nach dem Relaunch des Labels nochmal zurück). Zwei – „Rockin‘ the Boat“ und „Prayer Meetin'“ – erschienen relativ rasch, die anderen beiden – „I’m Movin‘ On“ und „Bucket“ – mit ein paar Jahren Verzögerung in der zweiten Hälfte der Sechzigerjahre.
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*) das schreibt übrigens auch Bob Porter so, in seinen Liner Notes zu „Straight Life“Jimmy Smith – I’m Movin‘ On | Der Titel wäre 1963 programmatisch gewesen, aber als das Album 1967 als drittletztes erschien (die beiden LPs mit der Jam-Session von 1960 folgten 1968 noch), war das kaum noch der Fall. In den Liner Notes macht Ira Gitler mal wieder eine kleine Nabelschau zum Einstieg: er hätte 1956 eine Heimaufnahme von Smith gehört und einigen Leuten gesagt, sie sollten Smith aufnehmen … doch dann trat Alfred Lion auf den Plan (dem ja anscheinend Babs Gonzales denselben Tipp gegeben hatte) und machte den Deckel erstmal zu. Die Menge an Musik, die Smith in den sechs Jahren aufnahm, ist kaum zu fassen – in meiner Arbeitsliste zur BN-Umfrage stehen 36 Alben (dazu , von denen ich demnächst 33 wieder einmal angehört haben werde (die anderen drei, alle von 1957, kenne ich leider nicht und sie sind gerade nicht leicht zu kriegen, ihre Cover/Titel sind im Post „Mai, Juli und November 1957: Balladen und Overkill“ auf der ersten Seite des Fadens zu finden).
Die Paarung mit Grant Green schien mir, als ich das am 31. Januar 1963 aufgenommene „I’m Movin‘ On“ in in der zweiten Hälfte der Neunziger (CD-Reissue von 1995) in die Finger kriegte, äusserst vielversprechend – Greens singende Gitarre gepaart mit Smiths aufregender Orgel. Doch das Versprechen wird leider nicht ganz eingehalten. Smith klingt wie auf den letzten beiden Alben etwas müde und verhalten, auch Green erklimmt nicht dieselben Höhen wie in anderen Settings (z.B. mit den Organisten Baby Face Willette, John Patton oder später Larry Young). Interessant ist aber der Vergleich mit den Trio-Alben mit anderen Gitarristen schon, denn hier kommt Donald Baileys Schlagzeugspiel enorm schön zur Geltung: Green spielt viel weniger Fills als die regulären Gitarristen Smiths (der Reihe nach: Thornel Schwartz, Eddie McFadden, Quentin Warren) und auch als der regelmässige Gast, der an sich auch ein paar Billings als kongenialer Co-Star verdient gehabt hätte (Kenny Burrell).
Irgendwo auf halber Höhe gewinnt das Album dann aber plötzlich mächtig an Fahrt. Das vierte Stück (Closer der A-Seite der LP) „T’aint‘ No Use“ ist eine Blues-Ballade alter Schuler, ein slow burner erste Güte. Und im folgenden elfminütigen „Back Talk“, einem mittelschnellen Blues aus Smiths Feder, geht es dann richtig zur Sache, inklusive langer Exchanges von Green und Smith. Bailey stellt hier immer wieder unfassbare Dinge mit dem Beat an, scheint diesen auf den Kopf zu stellen, und eh man sich’s versieht, ist alles wieder normal – das ist ein ganz hervorragendes Stück! Bailey ist übrigens auch auf dem Opener, Hank Snows Titelstück, schon phänomenal, mit einer Art Tamburin-Groove („Blues in a knocked-out groove with Bailey tambourining it up“, schreibt Gitler).
Auf der LP folgte nach „Back Talk“ nur noch die siebenminütige Version von „What Kind of Fool Am I“, auf der CD folgen noch die Bonustracks „Organic Greenery“ (von Smith) und „Day In, Day Out“, mit der die 1984 erschienene japanische LP „Special Guests“ abschliesst (siehe oben für den Rest). Ersteres ist ein Smith-Blues, letzteres nochmal eine Nummer zwischen Garner und Big Band, in der Green für einmal eine 4-to-the-bar-Begleitung spielt (und Bailey hinter dem Gitarrensolo eine Art Pauken-Groove etabliert).
Jimmy Smith – Bucket! | 2000 erschien dann auch „Bucket!“ wieder, am folgenden Tag, dem 1. Februar 1963 eingespielt, auf CD wieder. Das waren gute Zeiten: seit 1994 oder so lief die Connoisseur Series (die Rare Groove Series vermutlich auch in etwa, aber dafür interessierte ich mich damals noch nicht sehr), Ende der Neunziger lief die RVG Edition an, und parallel dazu gab es noch „ganz normale“ Blue Note-Reissues (u.a. von Smith, Donald Byrd, Art Blakey …), bevor letztere dann wohl in die RVG-Reihe umgeleitet wurden. Das Portrait von Smith auf dem Cover von „Bucket!“ stammt übrigens vom selben Photo-Shoot mit Jean-Pierre Leloir wie das von „Softly as a Summer Breeze“.
„Bucket!“, das Titelstück, ist ein Smith-Blues mit einer 24taktigen Form und einem zickigen Amen-Groove, in dem Bailey wieder ein paar Tambourin-Effekte einstreut. Damit öffnet das letzte Trio-Album von Smith mit dem Drummer, der fast seit Beginn dabei war und so viel zum Erfolg des Working-Trios beigetragen hat, wenngleich fast immer abseits des Rampenlichts, praktisch ohne je ein Solo zu spielen – und doch ist er eine überragende Präsenz in fast allen Aufnahmen, die Smith seit Frühling 1956 gemacht hat.
Das zweite Stück ist „Careless Love“, getragene Stimmung aber ohne den (Garner-)Schmelz, den Smith bei langsamen Tempi so oft auspackte. „3 for 4“ ist dann ein Walzer von Smith, allerdings klingt das insgesamt eher wie ein 12/8-Blues – und Bailey ist hinter dem Orgelsolo am Schluss wieder mal ganz toll. Die erste Seit endet mit Ellingtons „Just Squeeze Me“, hauptsächlich ein Feature für Quentin Warren – und ich frage mich angesichts der Güte seines Spiels, ob er nicht am Ende der beste der drei bisherigen Smith-Gitarristen war. Er war jedenfalls der langlebigste, Aufnahmen gibt es von Januar 1960 bis November 1965, aber vermutlich gehörte Warren noch länger zum Trio, denn die nächsten Aufnahmen, die halbwegs nach Working Group aussehen, folgen erst 1968 („Respect“ mit Nathan Page, zum Teil spielt dort stattdessen George Benson; davor gab es Sessions mit diversen Gitarristen, u.a. Eric Gale, Kenny Burrell, Wes Montgomery und auch nochmal Thornel Schwarz).
Die zweite Hälfte des 1966 veröffentlichten Albums enthielt dann drei etwas längere Tracks, der Opener ist Smiths Blues „Sassy Mae“, ein Amen-Groove mit Unterstützung von Bailey, der einen acht Beats umfassenden Faux-Latin-Beat anstimmt. Warren lässt seine Gitarre hier so schön singen, dass er Burrell oder Green kaum nachsteht, auch wenn der Ton sein eigener ist. Nach Harold Arlens „Come Rain or Come Shine“ – in einer schnörkellosen Balladenversion, in der Smith seinen Respekt vor der Melodie zeigt – verklingt das Album mit dem Traditional „John Brown’s Body“ – und auch wenn ein grosses Highlight („Back Talk“) fehlt, finde ich es insgesamt stärker als das Album mit Grant Green.
Auf der CD gibt es zwei neuen Bonustracks, den alten Blues-Heuler „Trouble in Mind“ und einen Alternate Take von „Sassy Mae“ – und klar, mit dem Bonusmaterial, das Smiths Blue Note-Jahre auch noch zeitigten, hätten sich vermutlich gleich noch zwei oder drei LPs füllen lassen (nebst „Confirmation“ und „Special Guests“, die ja schon so halbe Resterampen waren, während parallel dazu diverse gesamte Sessions erst viel später Berücksichtigung fanden).
Jimmy Smith – Rockin‘ the Boat | Eine Woche nach der ersten Session fand am 7. Februar die dritte statt, erneut mit Warren und Bailey, aber dieses Mal war auch noch Lou Donaldson an Bord, mit dem bereits im Juli 1957 eine Session abgehalten wurde (die zu den dreien von 1957 zählt, die ich nicht kenne). Hier agieren alle mit formidabler Entspanntheit, es geht folksy los mit „When My Dreamboat Comes Home“, Donaldson ist dann in seinem eigenen „Pork Chop“ richtig gut drauf, die Musik hat eine träge Qualität, dennoch einen unstoppbaren Swing. Das ist wieder so ein Tempo, mit dem man, wie das so blöd heisst, „separate the men from the boys“ – aber in diesem Tempo so zu swingen ist halt auch wirklich schwer, und dass das so klasse gelingt, hat ebenso viel mit Smith selbst wie mit Donald Bailey zu tun. Seine Beiträge sind auf diesen letzten vier Sessions jedenfalls, das ist meine grosse Entdeckung von heute, echt klasse! Auf „Matilda, Matilda!“, dem dreiminütigen CalypsloNovelty-Stück, mit dem Seite 1 endete, ist dann auch noch ein Tambourin sehr präsent – und dreimal dürft ihr raten, wer es spielt: der Mann heisst John Patton, bald kriegte er das Attribut „Big“ verpasst und begann zwei Monate später seine eigene Reihe von tollen Orgelalben auf Blue Note – eine Art unkonventionelle Stabsablösung (und nach Dizzy Reece an den Congas bei Blakey der zweite unerwartete Percussion-Credit auf Blue Note).
Seite zwei enthielt dann vier Stücke (ich höre das RVG-CD-Reissue von 2004), „Can Heat“ von Smith macht den Auftakt, Quentin Warren lässt hier nicht zum ersten Mal seine Hände in Blueser-Manier zwischen den Akkorden über das Griffbrett schlittern, und Patton ist erneut dabei. Dass danach Percy Mayfields „Please Send Me Someone to Love“ folgt, ist natürlich ein Geschenk für mich – Lieblingsstück, und Donaldson legt wie überhaupt auf diesem Album eine astreine Performance hin (man kriegt den Eindruck, als kenne er die Lyrics – ich weiss nicht, ob er zu denen gehört, die der Meinung sind, eine Ballade zu spielen, ohne deren Lyrics zu können, sei eh unmöglich, aber passen würde es schon). Danach gibt es mit „Just a Closer Walk with Thee“ einen gut dreieinhalbminütigen Kirchgang, den Bailey und Patton bei seinem dritten und letzten Auftritt am Tamburin noch einmal sehr beleben (Patton übernahm das Tamburin übrigens hie und da, nirgends so prägend wie auf „Got A Good Thing Goin'“ von 1966). Als Closer folgt dann noch „Trust in Me“, eine Blues-Ballade, die durch Mildred Bailey populär wurde.
Das noch 1963 veröffentlichte Album gefällt mir gerade enorm gut – es ist vielleicht bis hierhin das eine von Smith, das wirklich als astreines Soul Jazz-Album betrachtet werden kann: hier passt das nicht nur aufgrund der Instrumentierung sondern vor allem aufgrund der Grooves und Moods. Das Album strahlt eine grosse Wärme aus, Donaldson ist hier echt perfekt gecastet, es gibt im gesteckten Rahmen eine schöne Vielfalt an Stimmungen und Beats, und immer wieder klasse Beats von Bailey.
Jimmy Smith with Stanley Turrentine – Prayer Meetin‘ | Noch einmal einen Tag später, am 8. Februar 1963, fand sich Smith zum letzten Mal für eine von Alfred Lion produzierte Session im Studio von Rudy Van Gelder ein. Auch dieses Mal war das Trio mit Quentin Warren und Donald Bailey dabei, dazu Stanley Turrentine, der Tenorsaxophonist, der so gut zu Smith passte. Beide beherrschten sie die Kunst, populäre Musik zu machen, die nie darin bestand, Dinge zu vereinfachen oder den Leuten nach dem Maul zu reden. Das Album erschien 1964, vermutlich eher später im Jahr. Auch 1964 erschien „Back at the Chicken Shack“, das zweite der beiden 1960 aufgenommen Alben – und für mich weiterhin deutlich das beste von Smith/Turrentine.
Los geht es mit dem Titelstück von Smith, das mich auch heute nicht recht zu fesseln vermag. Das folgende „I Almost Lost My Mind“, von Ivery Joe Hunter komponiert und hier über neun Minuten lang, packt mich hingegen sehr. Das Tempo ist langsam, Bailey widersteht gekonnt der Versuchung, hinter Turrentines langem Solo in einen Shuffle zu fallen – er spielt einen ganz feinen 12/8-Beat, einmal mehr gekonnt und so, dass man auch gar nicht drauf achten muss, wenn man nicht mag. Aber wenn man hinhört, gibt es bei ihm immer was zu entdecken! Die erste Seite endet mit dem kurzen „Stone Cold Dead in the Market“ von Wilmouth Houdini – da wird das Calypso-Rezept von „Rockin‘ the Boat“ recykliert, was wohl einen Tag später erlaubt ist, den Marktwert der Idee kannte da ja bestimmt noch keiner. Dieses Stück haben gemäss Joe Goldbergs Liner Notes auch Louis Jordan und Ella Fitzgerald schon eingespielt.
Auf der B-Seite gibt es als Herzstück in der Mitte (aber diesmal nur eine Spur länger als die anderen zwei Stücke) „Red Top“, den Heuler von Ben Kynard (hier Gene Ammons zugeschrieben, üblich scheint Lionel Hampton-Ben Kynard zu sein). Smith legt flächige, lange Töne unter Turrentine, der sich das Stück natürlich sofort aneignet, auch wenn es bei ihm ganz anders klingt als bei Gene Ammons oder Johnny Griffin. Bailey spielt drunter zerklüftet klingende Beats, die sich eher als die Summer von Fills anhören – ein ziemlich toller Effekt, den er nur selten einsetzt, dafür umso effektiver. Davor gibt es „When the Saints Go Marching In“ in einer recht passablen Version (früher war das wohl einer der Gründe für mein Nicht-so-sehr-mögen dieses Albums, heute höre ich das entspannter, aber eine gute Wahl finde ich das dennoch nicht). Den Ausklang macht dann Smiths zweites Original nach dem Opener, „Picknickin'“ – das ist wohl, was nach dem „Prayer Meetin'“ passiert. Turrentine setzt umgehend zu einem tollen Solo an – wie schon 1960 kriegt er auch jetzt wieder den ersten Spot.
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Neben „Open House“/“Plain Talk“ und „At Club Baby Grand“ ist „Rockin‘ the Boat“ zweifelsfrei der Gewinner der erneuten Beschäftigung mit Smiths Blue Note-Aufnahmen – alles Alben, die ich nicht auf dem Schirm hatte als Kandidaten für die Bestenliste, die jetzt aber dazu gehören. Die Gewinne von „Prayer Meetin'“ (von 3,5 auf 4) und von „Six Views of the Blues“ (3 auf 3,5) sind nicht relevant für die Bestenliste. Da ich Smith noch nie besternt habe, fällt es mir bei anderen Aufnahmen etwas schwerer, die frühere Wahrnehmung/Erinnerung mit dem aktuellen Stand zu vergleichen, aber dass die Debut-Trias komplett vier Sterne kriegt, wäre früher auch kaum so gewesen.
Verloren haben – ein wenig, und nur in den zwecks der Umfrage gefragten Albumkonstellation – die Aufnahmen aus dem Small’s Paradise, zudem „House Party“ und „The Sermon“ (erstere flog aus dem erweiterten Kreis, letztere wurde innerhalb etwas abgestuft.
Bevor Smith-Sterne geworfen werden (den Faden muss ich dann auch erst eröffnen, wenn mir niemand zuvorkommt) werde ich hier aber noch mit den Verve-Aufnahmen und verstreuten weiteren mit bekannten Alben fortfahren. Kann also noch ein wenig dauern.
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Schlagwörter: Hammondorgel, Jimmy Smith, Orgel-Jazz, Soul Jazz
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