Sufjan Stevens, Hamburg 20.10.2005

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  • #28869  | PERMALINK

    observer

    Registriert seit: 27.03.2003

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    sufjanlive6tx.gif

    „Hallo, mein Name ist Siegfried Stevens“, so begrüßte Sufjan das Publikum, als er zur Zugabe wieder in seinen normalen Klamotten auf die Bühne kam. Es gäbe kein wirkliches deutsches Äquivalent (wie wahrscheinlich in den meisten Sprachen) für seinen Namen. Und das kann man wohl auf seine gesamte Person und sein musikalisches Schaffen übertragen. Dieser unglaublich hübsche, begabte Typ ist sowas von einzigartig, dass es immer wieder erstaunt, wie bei dieser schieren Masse an Einflüssen eine solch eigenständige Musik entstehen kann.

    Aber der Reihe nach. Sufjan Stevens kündigt, was ich für eine sehr sympathische Geste hielt, den Support-Act My Brightest Diamond an. Dahinter steckt in erster Linie die Sängerin Shara Wright, die dann später (wie auch ihre Begleitmusiker) in Sufjans Band spielen wird. Grob skizziert ist das Indie-Rock mit Rainbirds-Gesang. Zwischendrin gabs eine sehr schöne Solo-Coverversion von „Whens doves cry“, mal ein Blues-Song zur Gitarre und auch mal Klanggeflechte vergleichbar mit American Analog Set. Nicht umwerfend, aber eine schöne Einstimmung für den Abend.

    Dann kommt Sufjan mit seinen „Illinoisemakers“ auf die Bühne, komplett in Cheerleader-Outfit, schwarz/orange gekleidet und eröffnet mit einem Song, der als Klammer über seinem 50-Staaten Projekt steht. Und schon da merkt man, welche Maskerade sich die Band gesucht hat: sie veranstalten eine Cheerleader-Revue. Die Gründe dafür können vielfältig sein, für mich wirkte das jedenfalls absolut schlüssig. Es bewahrte vor allzuviel Innerlichkeit, persiflierte amerikanische Verhaltensformen und gab der Band die Möglichkeit, sich innerhalb eines skizzierten Gesten-Spielraums hinter einer Maske zu verstecken. Wahrscheinlich diente es auch dazu, musikalische Unzulänglichkeiten hinter einer quirligen Bühnenshow zu verbergen, denn die perfektionistischen Studio-Aufnahmen sind nun mal wirklich nur mit Verlust auf die Bühne übertragbar.

    Aber um es kurz zu machen, es war ein umwerfend tolles Konzert. Alle Bandmitgleider agierten als Background-Sänger und Handclapper, spielten jeweils mehrere Instrumente und drückten der teilweise sehr durchchoreographierten Show ihren Stempel auf. Im Mittelpunkt aber Sufjan Stevens, der Multiinstrumentalist mit einer oft zerbrechlich wirkenden Stimme inmitten dieses manchmal orchesterartigen Klanggebildes. Seine Freude über die doch sehr enthusiastischen Beifallsbekundungen war echt und wann hat man schon das letzte Mal eine Band gesehen, die sich am Ende eines Konzerts freudestrahlend in den Armen liegt und Hand in Hand vor dem Publikum steht, um sich zu verabschieden? Eindeutiger Sieg der Illinoisemakers!

    Hingehen! Hingehen! Hingehen! …. und anfeuern!

    --

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    #3834061  | PERMALINK

    e-l

    Registriert seit: 25.05.2004

    Beiträge: 10,035

    observer

    Hingehen! Hingehen! Hingehen!

    Schon Morgen Abend, dann spielt er in der Manufaktur in Schorndorf.

    --

    Man braucht nur ein klein bisschen Glück, dann beginnt alles wieder von vorn.
    #3834063  | PERMALINK

    declan-macmanus

    Registriert seit: 07.01.2003

    Beiträge: 14,707

    Jetzt ärgere ich mich wieder ein bisschen, dass ich mich in Berlin gegen Stevens entschieden habe.

    --

    Lately I've been seeing things / They look like they float at the back of my head room[/B] [/SIZE][/FONT]
    #3834065  | PERMALINK

    observer

    Registriert seit: 27.03.2003

    Beiträge: 6,709

    muffkimuffkiJetzt ärgere ich mich wieder ein bisschen, dass ich mich in Berlin gegen Stevens entschieden habe.

    Wie? Du warst in Berlin und bist nicht hingegangen? :haue:
    So schnell wird er wohl nicht wieder in Europa aufkreuzen. Bisher war er ja nur einmal für ein Solo-Konzert in Köln.

    --

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    #3834067  | PERMALINK

    declan-macmanus

    Registriert seit: 07.01.2003

    Beiträge: 14,707

    Ja, streu nur Salz in meine Wunden!

    --

    Lately I've been seeing things / They look like they float at the back of my head room[/B] [/SIZE][/FONT]
    #3834069  | PERMALINK

    nachtmahr

    Registriert seit: 22.01.2005

    Beiträge: 3,198

    Sympathisch-schrullig. Die Illinoisemakers machten in ihren College-Sport- und Cheerleader-Outfits dramaturgisch dort weiter, wo ein Rufus Wainwright mit seiner Travestie-Einlage aufgehört hatte.
    Zumindest waren das vor Ort meine ersten Assoziationen während einer schwierigen Eingewöhnungsphase, was die akustische Live-Umsetzung der Songs anbelangte.
    Gerade die redundanteren Stücke der Alben (Stevens spielte hauptsächlich Material aus „Illinoise“ und auch „Michigan“) lassen sich mit vergleichsweise abgespeckter Bühnenbesetzung ja nicht gerade leicht realisieren. Ein kleiner Pathos-Verlust war schon hier und da zu bemerken.
    Richtig groß wurde es dann ab „John Wayne Gacy, Jr.“, als in den eher Singer/Songwriter-orientierten Beiträgen die ganze Brillanz der Sufjanschen Liedermacher-Kunst hervortrat.
    Angenehm lang hat er dann auch noch gespielt. Habe zwar nicht auf die Uhr gesehen, es dürften aber fast zwei Stunden gewesen sein. Oder?

    Alles in allem ein gelungenes Konzert von einem der interessantesten Musiker unserer Zeit.

    --

    "Wenn man richtig liest, löst man einen innerlichen kreativen Prozess aus. Die meisten Leser inszenieren einen Film. Weswegen es überhaupt kein Wunder ist und mediengeschichtlich konsequent, dass der Roman des 18. und 19. Jahrhunderts in die Erzählkino-Kultur des 20. Jahrhunderts übergegangen ist." (Peter Sloterdijk)
    #3834071  | PERMALINK

    robbi-rock

    Registriert seit: 02.10.2005

    Beiträge: 35

    observer

    Dann kommt Sufjan mit seinen „Illinoisemakers“ auf die Bühne, komplett in Cheerleader-Outfit, schwarz/orange gekleidet und eröffnet mit einem Song, der als Klammer über seinem 50-Staaten Projekt steht. Und schon da merkt man, welche Maskerade sich die Band gesucht hat: sie veranstalten eine Cheerleader-Revue. Die Gründe dafür können vielfältig sein, für mich wirkte das jedenfalls absolut schlüssig. Es bewahrte vor allzuviel Innerlichkeit, persiflierte amerikanische Verhaltensformen und gab der Band die Möglichkeit, sich innerhalb eines skizzierten Gesten-Spielraums hinter einer Maske zu verstecken.

    Ich mag das Album, aber das klingt doch sehr nach prätentiösem Theater. Zumindest werde ich aus deinen Worten nicht wirklich schlau (was jetzt nicht als Kritik an deinem wunderbar runden Bericht zu verstehen ist), denn was darf ich mir unter einer Cheerleaderrevue auf Musikbühne genau vorstellen?

    --

    #3834073  | PERMALINK

    observer

    Registriert seit: 27.03.2003

    Beiträge: 6,709

    Robbi Rock…was darf ich mir unter einer Cheerleaderrevue auf Musikbühne genau vorstellen?

    Das ging bei der Kleidung los: alle in den gleichen ‚Mannschafts‘-Sportklamotten, die Frauen mit solchen Glitzer-Püscheln ausgerüstet. Die Songs wurden oft in dieser Cheerleader-Chor-Manier angekündigt, d.h. einige Zeilen des kommenden Songs wurden mehrstimmig a cappella und händeklatschend angesungen. Dazu die typischen Gesten des sich gegenseitig Abklatschens und choreographierten Winkens etc.
    Sie benahmen sich wie Fans einer Manschaft, die jeden errungenen Punkt bejubelten. In meinen Augen war es eine Persiflage dieser Verhaltensweisen (gruppendynamische Prozesse, gespielte „Oh Great“-Mentalität und was einem da sonst noch an amerikanischen Klischeebildern einfällt). Umso ungewöhnlicher war diese Verhaltensweise, da ja Sufjan Stevens eher als introvertierter Einzelgänger beschrieben wird. Deshalb meine Vermutung, dass ser sich ganz bewusst diese Maskerade gewählt hat.

    --

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    #3834075  | PERMALINK

    themagneticfield

    Registriert seit: 25.04.2003

    Beiträge: 33,924

    ich hatte mir überlegt auf dieses Nähe-Stuttgart Konzert gehen , ach….Shit

    --

    "Man kann nicht verhindern, dass man verletzt wird, aber man kann mitbestimmen von wem. Was berührt, das bleibt!
    #3834077  | PERMALINK

    nachtmahr

    Registriert seit: 22.01.2005

    Beiträge: 3,198

    Die Intro-Kritik zum Knust-Gig: http://www.intro.de/musik/news/1129968056

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    "Wenn man richtig liest, löst man einen innerlichen kreativen Prozess aus. Die meisten Leser inszenieren einen Film. Weswegen es überhaupt kein Wunder ist und mediengeschichtlich konsequent, dass der Roman des 18. und 19. Jahrhunderts in die Erzählkino-Kultur des 20. Jahrhunderts übergegangen ist." (Peter Sloterdijk)
    #3834079  | PERMALINK

    robbi-rock

    Registriert seit: 02.10.2005

    Beiträge: 35

    observerDas ging bei der Kleidung los: alle in den gleichen ‚Mannschafts‘-Sportklamotten, die Frauen mit solchen Glitzer-Püscheln ausgerüstet. Die Songs wurden oft in dieser Cheerleader-Chor-Manier angekündigt, d.h. einige Zeilen des kommenden Songs wurden mehrstimmig a cappella und händeklatschend angesungen. Dazu die typischen Gesten des sich gegenseitig Abklatschens und choreographierten Winkens etc.
    Sie benahmen sich wie Fans einer Manschaft, die jeden errungenen Punkt bejubelten. In meinen Augen war es eine Persiflage dieser Verhaltensweisen (gruppendynamische Prozesse, gespielte „Oh Great“-Mentalität und was einem da sonst noch an amerikanischen Klischeebildern einfällt). Umso ungewöhnlicher war diese Verhaltensweise, da ja Sufjan Stevens eher als introvertierter Einzelgänger beschrieben wird. Deshalb meine Vermutung, dass ser sich ganz bewusst diese Maskerade gewählt hat.

    Danke Observer! Damit sind alle Unklarheiten ausgeräumt.

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