Startseite › Foren › Kulturgut › Das musikalische Philosophicum › "Nimm mich so wie ich bin"? – Die Definition von Schlager (und Pop)
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ReinoD
Zum zweiten halte ich „Heißer Sand“ für sprachlich unter aller Sau. Ein paar vollständige, grammatisch richtige Sätze hätten es für mich schon sein können. Ich mag z.B. Verben. Und bin auch kein Kreuzworträtselfan:Schwarzer Tino, deine Nina
War dem Rocco schon im Wort
Weil den Rocco sie nun fanden
Schwarzer Tino, mußt du fort.Das ist altmodisch, aber sprachlich einwandfrei, auch wenn das Voranstellen von Artikel vor Namen eher umgangssprachlich und hier dem Versmaß geschuldet ist.
Ich habe „Heißer Sand“ übrigens bewusst erstmals vor ca. 20 Jahren in einer Ausstellung gehört und war sofort von der Stimme, Melodie und vor allem dem zunächst kryptischen Text fasziniert. Das Refrain ist textlich ganz groß, weil er jede Menge Raum für Assoziationen lässt:
Heißer Sand und ein verlorenes Land
und ein Leben in Gefahr,
Heißer Sand und die Erinnerung daran,
dass es einmal schöner war.Falls es im Schlager um „heile Welt“ geht, ist das durchaus eine Negierung von Schlagertopoi.
Ich will ja nicht spoilern, aber beim genauen Mithören wird klar, dass es hier um einen Totschlag aus Eifersucht geht, weswegen Tino fliehen musste. In „Heißer Sand“ mischt sich der zeittypische Hang zu exotischen Szenerien („Fernweh“) mit dem ebenfalls zeittypischen Hang zu tödlich endenden Teenage-Liebesdramen.Es gibt übrigens eine englische Version von Lesley Gore („I Would“), aber die ist leider – Lesley war ja eine tolle Sängerin – eher unscheinbar.
Aber mit meinen Ansprüchen bin ich beim Schlager eh falsch.
Oh Entschuldigung, das konnte ich nicht ahnen.;-)
Blitzkrieg Bettina
Von wem ist den heisser Sand bzw. wer hat dass gesungen?Das war 1962 ein Nr.1-Hit für Mina, eine international erfolgreiche italienische Sängerin. Sie hat das Lied dann auch auf italienisch und französisch gesungen, aber die deutsche Fassung ist das Original.
Es ist zum Glück ein Fernsehauftritt aufgetaucht:
Heißer SandDas Sleeve der Single ist übrigens sehr stilvoll:
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WerbungHerr RossiIch will ja nicht spoilern, aber beim genauen Mithören wird klar, dass es hier um einen Totschlag aus Eifersucht geht, weswegen Tino fliehen musste.
Und dabei werden natürlich überhaupt nicht die Klischees von heißblütigen, messerschwingenden Südländern bedient.
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Noch mehr Comics für alle! Jetzt PDF herunterladen!cole & reino: Es muss nicht alles ausdiskutiert werden, okay?
ReinoUnd dabei werden natürlich überhaupt nicht die Klischees von heißblütigen, messerschwingenden Südländern bedient.
So ist das nunmal in der „Trivialkultur“. Ob Abenteuerromane, Wildwestfilme, Krimis oder Comics: Topoi und Stereotype haben darin ihren festen Platz. Trotzdem können sie Spaß machen oder sogar berühren. Mit political correctness und Ideologiekritik allein versteht man Trivialkultur nicht.
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Die ndW wäre vielleicht mal eine eigene Diskussion wert. Nur so viel: ndW ist nicht gleich NDW. Es gab da schon zum Teil große Unterschiede. Und nur ein Teil der ndW ist dem Schlager ähnlich oder sogar gleich.
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Unbestritten. Mein Gedankengang war folgender: In den 60ern und 70ern gab es durchaus einen jugendlichen Markt für Schlager, da braucht man sich nur die „Bravos“ jener Jahre ansehen. Damit ging es zwar schon seit den späten 70ern rapide bergab, aber die kommerziell erfolgreiche NDW hat dann 1981/82 dem klassischen Schlager den Rest gegeben, zumindest, was das Interesse der „Bravo-Leser“-Generation anging.
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Reino
Zum zweiten halte ich „Heißer Sand“ für sprachlich unter aller Sau. Ein paar vollständige, grammatisch richtige Sätze hätten es für mich schon sein können. Ich mag z.B. Verben. Und bin auch kein Kreuzworträtselfan:
Schwarzer Tino, deine Nina
War dem Rocco schon im Wort
Weil den Rocco sie nun fanden
Schwarzer Tino, mußt du fort.Aber mit meinen Ansprüchen bin ich beim Schlager eh falsch. Obwohl es doch ein paar schön gereimte gibt. Oder gilt „O Donna Clara“ hier nicht als Schlager?
Deine Ansprüche in Ehren, aber „Heißer Sand“ lebt für mich von dieser Grammatik. So wie die Worte gesetzt sind, unterstreichen sie das „Exotische“, das „Geheimnisvolle“ an dem Stück. Ich denke, gute Grammatik kann ein Stück auch kaputt machen.
Das ist für Regelkunde-Reino (siehe Fußballthreads) aber nur schwer zu ertragen. Das mußt Du schon verstehen.
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DJ@RSODeine Ansprüche in Ehren, aber „Heißer Sand“ lebt für mich von dieser Grammatik. So wie die Worte gesetzt sind, unterstreichen sie das „Exotische“, das „Geheimnisvolle“ an dem Stück.
Zum Geheimnis des Liedes gehört auch die offenbleibende Frage: Warum muß das jemand dem Schwarzen Rocco erzählen? Weiß er doch eh.
Typisch Schlager an dem Lied ist auf jeden Fall diese Exotik-Tümelei. Das läßt sich seit den 1930er Jahren (da kenn ich allerdings nur die Parodie auf Hawaii-Romantik) durchgängig im Schlager finden. Die 50er Jahre waren ja zerrissen zwischen Heim- und Fernweh, in den 60er Jahren machte sich die Exotik in der besungenen Mode bemerkbar, in den 70er Jahren wimmelte es von spanischen Gitarren, mexikanischen Stränden und Fiestas und „Inseln, wie aus Träumen geboren“ (Roland Kaiser hat ja selber erzählt, daß der Text bis an die Grenze zur Parodie getrieben wurde).
Mick67Das ist für Regelkunde-Reino (siehe Fußballthreads) aber nur schwer zu ertragen. Das mußt Du schon verstehen.
Ich fordere nicht das Einhalten von Regeln, sondern ihre Kenntnis (insbesonders beim Fußball).
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Noch mehr Comics für alle! Jetzt PDF herunterladen!@ Reino: Ist doch aufregend, dass noch Fragen offen bleiben!
Genau wie saubere Grammatik ein Stück kaputt machen kann, kann ein Stück meiner Meinung nach auch entzaubert werden, indem es zu sehr analysiert und auf die Frage abgeklopft wird, ob der Inhalt logisch oder in der Realität so möglich sein könnte. Dies trifft aber nicht nur auf Schlager zu.
Reinoin den 60er Jahren machte sich die Exotik in der besungenen Mode bemerkbar
A Banda ist aber eher ein ironischer Kommentar auf den Wandel der Mode. Insgesamt ist der Exotismus natürlich ein Charakteristikum des Schlagers.
Ach so, für alle Freunde des Innovativen – der wohl erste Song über Computer überhaupt floss natürlich nicht aus anglo-amerikanischer Feder, sondern aus der von Christian Bruhn:
(Der Auftritt ist auch legendär wegen der verstörten Blicke des Saalpublikums. Schlager kann also auch wehtun.;-))
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Kann es übrigens sein, daß in den späten 60ern und in den 70er Jahren die Spannbreite von witzig bis melodramatisch lang nicht so sehr ausgelotet wurde wie in den 50ern, und der Mainstream sich im belanglosen Tralala traf.
Ich bin verliebt in die Liebe,
sie ist okayhay für mich.
Ich bin verliebt in die Liebe
und vielleicht auch in dich.ist weder komisch noch ein wirkliches Liebesbekenntnis.
Wobei man ja einräumen muß, daß den komischen Part die Liedermacher und Blödelbarden (und später den sinnlos dadaistischen Teile der NDW) eingenommen haben.
Hymnen wurden eigentlich nur noch für den Grand Prix komponiert. Erst „Wie Flammen im Wind“ knüpft wieder an diese Tradition an (mit Dudelsack 100% ESC!).
Oder hab ich die großen Melodramen der 70 Jahre verpaßt (mal abgesehen von „Connie Kramer“ und „Blue Johnny Blue“ – letzteres ja auch eine ESC-Hymne – sowie der Schmalspurversion von Bernd Clüver)?
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Noch mehr Comics für alle! Jetzt PDF herunterladen!Reinoist weder komisch noch ein wirkliches Liebesbekenntnis.
Naja, Chris Roberts halt, den fand ich als Kind schon langweilig. Wenn auch nicht so nervtötend wie die „Stimmungskanonen“ Tony, Roberto & Co.
Oder hab ich die großen Melodramen der 70 Jahre verpaßt (mal abgesehen von „Connie Kramer“ und „Blue Johnny Blue“ – letzteres ja auch eine ESC-Hymne – sowie der Schmalspurversion von Bernd Clüver)?
Ach, da gab es schon einiges an Drama & Melodrama – „Ich hab die Liebe verspielt“ von Gitte, „Du lebst in Deiner Welt“ von Daisy Door (für Schlagerverhältnisse auch recht funky arrangiert), „Es fährt ein Zug nach Nirgendwo“ vom dem Christan, dem Anders, natürlich „Tränen lügen nicht“ (wobei ich Michael Holms Uptempo-Nummern wie „Barfuß im Regen“, „Nachts scheint die Sonne“ und „Ein verrückter Tag“ lieber mag), „Fremder Mann“ und „Marleen“ von Marianne Rosenberg, „Oh wann kommst Du“ von Daliah Lavi, „Griechischer Wein“ … man könnte lange so weitermachen. Und der große Peter „ich bin ein Rocker“ Maffay – „Einer muss gehen“, „Josie“, „Und es war Sommer“ und das nun wirklich tolle „Komm doch heute nacht zu mir“.
Achja, und nicht zu vergessen Bernd Clüvers enigmatischer „Junge mit der Mundharmonika“ – Todesvisionen und Transzendenz im ZDF-Studio Berlin, das hatte schon was.
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DJ@RSO
Der Bernd, der Clüver, damals wie heute unerträglich, diese Heulsuse, das Grauen…Ja, ich kann das auch nicht gut hören, aber der Text ist wirklich … strange.
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Jaja, die Barke, mit der gläsernen Fracht und so weiter, ich weiß. Strange ist da noch milde.
EDIT (und letztmalig Off Topic)
Ich habe davon eine Parodie, die sich „Der Junge, mit dem Hund von Monika“ nennt. Die ist noch grauenhafter, wenn das überhaupt geht.
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Schlagwörter: Schlager
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