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Johnny & The Hurricanes waren Ende der 50s und Anfang der 60s eine der erfolgreichsten Instrumentalbands weltweit. Ihr No.1-Hit Red River Rock führte vielerorts die Charts an und wurde weltweit millionenfach verkauft. Weitere Hits folgten.
Oft basierten ihre Aufnahmen auf bekannten Melodien, denen sie ein fetziges Rock’n Roll-Outfit verpassten. Das mag für heutige Ohren da und dort vielleicht etwas bieder klingen, anderes dagegen kommt auch heute noch ausgesprochen cool und modern rüber, wie Crossfire, Rockin T, Sheba, Time Bomb …Bandleader war der junge Saxophonist Johnny Paris, ein Sax-Player, der vor kurzem verstorben ist. Die Meldung in unserem Dead&Gone Thread veranlasste seine Witwe, Sonja, mit uns, bzw. mit Thomas, der die Meldung gebracht hatte, in Verbindung zu treten, da die weltweit verbreitete Todesursache wohl nicht korrekt ist. Dafür schon einmal ganz lieben Dank, Sonja.
Seit gestern Abend schrieb Sonja mir nun zwei Mails, die ich hier gern mit ihrer Erlaubnis veröffentlichen möchte.
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WerbungIch hatte Sonja gefragt, ob sie etwas über das Leben ihres Mannes schreiben möchte, das ist ihre Antwort:
Oh boy, wo soll ich da anfangen, ueber 17 Jahre war ich mit John zusammen, fast 10 davon verheiratet und 6 davon vorher in „wilder Ehe“ und ein Jahr davor dating natuerlich. Er hatte das charmanteste Laecheln, dass ich je gesehen habe, ein Mann, der sich erst oeffnete, wenn er einen Menschen gut kannte, und so komplex war wie kaum kein anderer. John wurde nie langweilig, egal, wie gut man ihn nun kannte, ein warmherziger Mensch, der aber nach aussen hin oft eine Mauer zog, zumindest solange, bis er mit jemanden warm wurde – und das konnte dauern.
Er liebte Musik und Tiere ueber alles, besonders Hunde. Er liebte die Fliegerei, gutes Essen (ja, man mag es kaum glauben, denn er war ja nicht gerade ein Mensch, der unter Gewichtsproblemen litt). Und er war ein Mensch, der sein Privatleben und sein Leben als Musiker ziemlich streng trennte.
Er war fuer Jazz genauso zu begeistern wie fuer Funk und Rock ’n Roll, selbst in die Oper liess er sich ohne Widerwillen schleppen, wenn es um Musik ging, war John stets voellig offen.
Er war ein fuersorglicher Mann, aber selbst seine Kinder bezeichnen ihn als einen „alpha wolf“ – das war er in der Ehe genauso wie als Musiker (aber darueber koennen seine Musiker mehr erzaehlen als ich). Er war auf jeden Fall mein Fels in der Brandung, ein starker Mann mit eigener Meinung, eben „alte Schule“.
Ich durfte ihn bei Konzerten sehen, aber ich habe ihn nicht ein einziges Mal bei einer Probe erlebt, o-ton-John :“Da siehst du dann eine Seite von mir, die ich nicht will, dass du sie kennst!“ Ich habe aber vernommen, dass er ziemlich streng war bei den Proben, ein Perfektionist, der das beste von sich als auch von seinen Musikern verlangte. Ich erinnere mich an ein Konzert in Deutschland, wo John mir in der Pause sagte: „Die Jungs spielen heute schrecklich, wenn das jetzt die Proben waeren, wuerde ich toben, aber das geht nicht jetzt, dann werden sie in der naechsten Session nur nervoes, ich muss dieses Konzert einfach als verpatzt abhaken!“ Aber ich bin mir sicher, dass der Drill bei den naechsten Proben dann wieder schaerfer wurde.
So schnell wie John oft mit Menschen die Geduld verlor (er sagte immer, er koennte niemandem das Saxofonspielen beibringen, er habe dazu nie die Geduld), so geduldig und liebevoll war er zu seinen Hunden. Die durften alles, selbst im Bett schlafen – aber auch die wussten, er ist der Boss. Einmal ist ein Welpe von uns in einen Teich geplatscht und John ist hinterhergesprungen, um ihn aus dem Wasser zu fischen. Wir haben Bullmastiffs gezuechtet, aber die Zucht werde ich jetzt aufgeben, denn ohne John ganz allein ist es zu viel Arbeit. Wir nahmen oft 4 Hunde auf einmal mit in den Park, fuer John war das nie zuviel. Ich liebte sein weiches Herz fuer Tiere, kleine Voegelchen wurden wieder aufgepaeppelt.
Das war John Pocisk, mein Mann – Johnny Paris, der Musiker kann bestimmt besser von anderen Musikern beschrieben werden. Ich war halt seine Frau, nicht sein Geschaeftspartner oder Bandmitglied. Als ich ihn kennenlernte, wusste ich nur, dass er ein US Saxofonist war, der Name seiner Band sagte mir noch nicht einmal etwas, als Jahrgang 1964 hatte ich ganz andere Idole. Aber gerade DAS war es, was John an mir liebte.
Wir waren ziemlich neu zusammen und gingen in Hamburg in eine Musikerkneipe, wo von allen Seiten Leute ankamen, nach Autogrammen baten etc. Ich sah wohl ziemlich verwundert aus, denn John sagte zu mir „Du weisst nicht wer ich richtig bin, oder?“ Ich schuettelte den Kopf, und seine Antwort war: „Und dafuer liebe ich dich!“ Spaeter, als wir dann schon verheiratet waren, sagte John immer lachend: “ Ne, meine Frau ist kein Fan von meiner Musik. Muss sie ja aber auch nicht sein, die fetzt sich lieber Mother’s Finest rein“. Er wusste halt, ich habe mich in John Pocisk, den Mann , verliebt und nicht in Johnny Paris, den Musiker – obwohl ich immer stolz auf ihn war und auf sein musikalisches Koennen und mich gluecklich schaetze, seine Lebenspartnerin sein zu duerfen. Ich werde sein Erbe antreten und sein Vermaechtnis verwalten, hoffentlich im Sinne meines Mannes. Die Realitaet, dass er wirklich NIE wieder zu mir nach Hause kommt, ist noch gar nicht ganz eingesunken, fuer mich ist er noch so lebendig, dass ich kaum fassen kann, dass ich ihn nie wieder in meinen Leben sehen werde, nie mehr mit ihm sprechen kann – ich vermisse ihn so sehr und werde ihn ewig lieben. Es geht kein Tag vorbei, da ich nicht um den Verlust dieses Menschen weine, er war mein John, meine Liebe…
Sonja Reuter (Witwe von John Pocisk/Johnny Paris)
(Ich habe kein Passwort fuer Rollingstone, aber ihr koennt gern meine Worte dort drucken, fuer alle, die mehr ueber Johnny Paris als Privatmann wissen moechten…)
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FAVOURITESNach der obigen Antwort hatte ich Sonja noch ein paar Fragen dazu gestellt, was Johnny musikalisch in den letzten Jahr(zehnt)en gemacht hat. Auch darauf gab sie mir sehr schnell eine Antwort.
Ich denke es sind genügend Leser hier, die Sonjas sehr persönliche, oft berührende, dabei stets aufrichtige Erinnerungen zu würdigen wissen, auch wenn sie die Musik von Johnny And The Hurricanes nicht oder kaum kennen. Vielleicht interessiert sich ja nun der eine oder andere dafür.
John hatte im November noch eine Schweden-Tour, letztes Jahr auch Skandinavien und London (Palladium) – sehr gut besucht!!!
Als ich ihn in den 80er Jahren kennenlernte, war er viel im deutschen und skandinavischem Raum bechaeftigt, er hatte eine Zweitwohnung in Hamburg und gondelte zwischen USA und Hamburg hin und her, oft alle 6-8 Wochen, manchmal sogar alle 2-3 Wochen. Das blieb dann auch so, als er bei mir einzog, sonst haette die Beziehung gar nicht funktioniert. Er gab auch einige Konzerte in den USA, mit Background Saengerinnen etc, ja, Johnny and the Hurricanes tunes, aber ganz anders aufgepeppt. Er hatte auch andere Kuenstler unter Vertrag unter seinem Record Label Atila records, das noch bis DATO exisitiert, auch die trademark Rechte dazu, wie auch fuer seine Songs, sein Bandname, sein Kuenstlername. Unter seiner Music Publishing Firm Sirius I Music schrieb er Songs auch fuer andere Bands mit copyright und auch er selbst schrieb neue Lieder mit Text fuer Johnny Paris wie „Sax Man“. Er war Produzent fuer andere Bands. Er arbeitete an einer Johnny Paris-Platte, die er aber nur halb fertiggestellt hatte.Als ich ihn kennenlernte, lebte er wieder Vollzeit von der Musik und hatte bereits erfolgreich die Rechte an seinen Liedern eingeklagt (ich will nicht luegen, aber ich glaube das war so um 1983). Das Geld kam mit dem Urteilsspruch leider nicht mit rueber, weil sein damaliger Produzent schon laengst verstorben war und die Nachkommen sagten, die Millionen aus seinen Plattenverkaeufen waeren laengst verprasst. John konnte nun nicht beweisen, dass die „Fellgeschaefte“ der Nachkommen auf seinen Tantiemen aufgebaut wurden. Also, obwohl er den Prozess gewonnen hatte, reich ist er nie geworden. Wie er mir sagte, war er noch unter US Gesetzt minderjaehrig, als er die Vertraege abschloss, seine Eltern hatten fuer ihn nicht unterschrieben, und so haben die Gerichte in seinem Sinne entschieden, da man mit Minderjaehrigen keine legalen Vertraege machen darf – aber wo nichts ist kann man nichts kriegen…
John hatte sich in den Jahren zu einem fantastischen Jazz-Saxofonisten entwickelt, sein schwedischer Agent Hans Edler sagte mir erst jetzt nach seinem Tod, dass er einer der besten war: „Man konnte schon in den fruehen Songs hoeren, was aus ihm einmal werden wuerde, er hatte unheimliches Potential.“ Fuer die Konzerte musste er sich oft zuruecknehmen, weil die Fans halt die Musik moeglichst nah am Original hoeren wollten. John fand das oft langweilig, aber wenn er mal auf der Buehne zu kompliziert wurde, dann war die Euphorie der Fans gemildert, sie wollten den alten Rock ’n Roll hoeren, den sie aus Jugendtagen kannten und nicht ihre Musik verjazzt hoeren – John fand das schade, beugte sich aber der Tatsache, und gejazzt wurde fortan nur noch unter Freunden und Bekannten.So blieb den meisten Fans verschlossen, wie gut er ueber die Jahre wirklich wurde…
Auf einem Konzert in Schweden kam ein Journalist an und fragte ihn: „Was sagen Sie denn dazu, dass Sie der Erfinder des sprechenden Saxofons sind?“ John zu mir :“Sonja, wusstest du, dass ich der Erfinder des sprechenden Saxofons bin?“ Ich: „Noe“ und seine Antwort daraufhin zum Reporter: „Cool, wo haben sie denn das gelesen?“ Der Reporter:“ In einem Musiklexikon“
Na und wie jeder weiss:“John liebte die Frauen“ Viele meiner Vorgaengerinnen hatte er erwaehnt, viele aber auch nicht, und die „Unerwaehnten“ finde ich jetzt so durch alte Liebesbriefe (an ihn!) und Fotos. Er hatte viele behalten, alles vor meiner Zeit, nicht eine Sache gefunden, seit ich ihn kenne oder gar seine Ehefrau bin, und falls er sie hatte, hat er sie tunlichst vernichtet, aber es ist ganz klar, dass er die Trophaeen seiner Sturm und Drang Zeit behielt und bewahrte…und genoss….
Bis dann,
Sonja
Liebe Sonja, ich möchte ich dir für deine beiden Mails auch von dieser Stelle aus noch mal ganz herzlich danken. Wir werden Johnny hier in guter Erinnerung und in Ehren halten. Danke.
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FAVOURITES@sonja: Vielen Dank für diese persönlichen Erinnerungen (und dank auch an Otis, es hier zu veröffentlichen). Ich kenne auch noch nicht viel von Johnny, aber das wird sich sicher ändern. Red River Rock gehört natürlich zur DNA der Popmusik.
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wow! ich bin sehr gerührt von den unverblümten worten sonjas.
und finde es bemerkenswert, dass sie dies hier preisgibt.
>hut zieh< und vielen dank dafür!r.i.p. – Johnny Paris
Johnny and The Hurricanes waren für mich der Einstieg in die Rockmusik, und ich kannte den Namen Johnny Paris noch bevor ich Chuck Berry oder Buddy Holly kannte. Ich war acht oder neun und JaTH waren so ziemlich meine erste Lieblingsband und Red River Rock war das erste Stück, das ich rauf und runter hörte. Die LP kam von meinem Onkel, der mir dann später auch die ganzen Stones- und Dylan-Sachen gab. Das waren meine 80er (seufz).
Was mich aber mal wirklich interessieren würde: Red River Rock ist doch eigentlich ein Volkslied, oder? Wie heißt das ursprünglich und gibt es dazu einen Text?
Ich habe hier noch eine ebenfalls instrumentale Version vom Penguin Cafe Orchestra, da heißt das „Discover America“ und läuft als Traditional.
AMG und google sind nicht sehr ergiebig. Weiß jemand was?--
There is a crack in everything; that's how the light gets in. (Leonard Cohen)Das Original heißt Red River Valley. Ein Text:
From this valley they say you are going
We will miss your bright eyes and sweet smile
For they say you are taking the sunshine
That has brightened our path for a whileCome and sit by my side if you love me
Do not hasten to bid me adieu
But remember the Red River Valley
And the cowboy who loved you so trueWon’t you think of the valley you’re leaving
Oh how lonely, how sad it will be?
Oh think of the fond heart you’re breaking
And the grief you are causing to meAs you go to your home by the ocean
May you never forget those sweet hours
That we spent in the Red River Valley
And the love we exchanged mid the flowersEs gab auch eine eingedeutschte Gesangsversion: Komm zurück in das Tal meiner Träume… (oder so ähnlich, ich hatte die Single mal), aber natürlich nicht von Johnny, sondern von den „Fellows“.
Obwohl er auch deutsches Liedgut verarbeitete: Oh, du lieber Augustin und Du, du liegst mir am Herzen gibt es mit diesen Titeln als Singles von ihm.--
FAVOURITESDas Lied ist ein altes Traditional ( „Red river valley; wie schon geschrieben ). Eddy Arnold hat 1955 eine aufnahme davon gemacht. Hab bei amazon.com folgenden snippet gefunden:
Ist von Johnny Bond & his red river valley boys. Weiss aber nicht aus welchem jahr. So in etwas muss sich der song im „Original“ angehört haben.
@ Sonja: Schön, das du etwas über DEINEN Johnny geschrieben hast, hat mich sehr! berührt :) Liebe grüsse auch an deine Kinder !
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otisEs gab auch eine eingedeutschte Gesangsversion: Komm zurück in das Tal meiner Träume… (oder so ähnlich, ich hatte die Single mal), aber natürlich nicht von Johnny, sondern von den „Fellows“.
Ja, die Version ist lustig, klingt so ein bißchen wie ein Lied aus der „Mundorgel“ mit ’nem „fetzigen“ Rhythmus.
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@ otis, thomas: Ihr seid wirklich gut!! Ihr habt meine Ehrfurcht und vielen Dank!
:band:--
There is a crack in everything; that's how the light gets in. (Leonard Cohen)Ah Um@ otis, thomas: Ihr seid wirklich gut!! Ihr habt meine Ehrfurcht und vielen Dank!
:band:ach watt, das waren nur 3min. google-zeit :)
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Eine sehr berührender Thread! Danke an Sonja, otis und thomas
Leider muß ich getehen, das ich nur so eine Best of von Johnny & the hurricanes besitze. Welche Werke würdet ihr empfehlen?
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Der Teufel ist ein Optimist, wenn er glaubt, dass er die Menschen schlechter machen kann. "Fackel" - Karl KrausNatürlich die Singles.
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FAVOURITES@otis: Da will mich wohl einer zum Singlekäufer (siehe auch James Carr) bekehren…
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Der Teufel ist ein Optimist, wenn er glaubt, dass er die Menschen schlechter machen kann. "Fackel" - Karl KrausJa, es geht kein Weg daran vorbei. Denn man hört Singles anders als LPs. Bei Carr mögen die LPs vielleicht noch reichen, bei Johnny &The Hurricanes und so vielen anderen aus den 50s, 60s und End-70s aber ganz gewiss nicht.
Singles-Sammlen bereitet zudem große Freude.--
FAVOURITES -
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