Ich höre gerade … Jazz!

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  • #8467071  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Wenn ich schon bei den Jam Sessions mit multiplen und anderen Tenören bin … die hier übertrifft in mancher Hinsicht wohl alles, ist in Sachen Hardbop gewiss eine der besten Jam Sessions überhaupt (die „Wheelin‘ and Dealin'“ ist unaufgeregter und gelassener, stilistisch mit Quinichette und Wess ein gutes Stück weniger modern, weniger hektisch).

    Griffin ist unglaublich im öffnenden „The Way You Look Tonight“, hat von Beginn an das Szepter in der Hand. Auf ihn folgt Lee Morgan, achtzehn Jahre alt und in bester Laune, kein Anzeichen, dass er eingeschüchtert wäre von der doch ziemlich beeindruckenden Band (Paul Chambers, * 1935 war der nächst jüngere, aber auch er war damals – durch die Arbeit mit Miles – wohl schon bestens bekannt). Mobley spielt nur einen Chorus, dann folgt Coltrane mit zweien – spielt zwar durchaus überzeugend, aber (wir sind hier erst im April 1957, er wurde demnächst von Miles gefeuert, war noch ein Junkie und Monk stand erst bevor) noch ohne die rhythmische Sicherheit, die er in den kommenden Monaten gewinnen sollte. Griffin und Blakey spielen dann einiger Runden „fours“, bevor Griffin wieder das Thema präsentiert.

    „Ball Bearing“ ist das erste von zwei Griffin Originals. Coltrane spielt das erste Solo und holt aus den interessanten Changes viel heraus. Es folgt wieder Morgan an zweiter Stelle, dann Griffn und zuletzt Mobley – der Groove ist wunderbar! Die gleiche Rhythmusgruppe nahm 1960 mit Mobley die Blue Note-Klassiker „Soul Station“ und „Roll Call“ auf, zudem mit Morgan „Here’s Lee Morgan“ (Vee Jay) – gibt es noch mehr mit ihnen? Sie sind phantastisch! Die Kombination mit Philly Joe ist ebensogut, aber Blakey bringt einen grossartigen, wuchtigen Beat mit.

    Die zweite Hälfte beginnt mit einem grossen Bebop-Klassiker, „All the Things You Are“. Die Solisten sind: Griffin, Coltrane, Morgan, Mobley, Kelly, Chambers, dann kurz Fours von Griffin mit Blakey und aus. Kelly spielt im Thema über Blakeys Latin-Beat in der Bridge einen Montuno, während Griffin mit seinem immensen Sound Jerome Kerns Melodie mit minimalen Verzierungen präsentiert. Spätestens hier hätte ich mir dann doch ein paar Fours der Saxophonisten gewünscht, allerdings ist es wohl gerade die Abwesenheit von Konkurrenz-Denken (zum Glück stand Sonny Stitt nicht auch noch am Strassenrand auf dem Weg zum Van Gelder Studio!), die dieses Album so toll macht.

    Den Abschluss macht das zweite Griffin Original, „Smoke Stack“, ein Blues. Kelly eröffnet, Griffin, Morgan, Mobley, Coltrane, Kelly, Chambers und dann wieder Griffin/Blakey. Das Stück ist auf der CD in zwei Takes zu hören (nur deer RVG-CD, soweit ich weiss, wenigstens nicht der alten US/Euro-Ausgabe). Die Soli von Morgan und Mobley sind vertauscht und Coltrane scheint in viel besserer Stimmung zu sein als auf dem Master, auf dem er … wie übersetzt man das, „going through the motions“? Jedenfalls scheint er auf dem Master genau das zu tun und nicht mehr).

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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    #8467073  | PERMALINK

    newk

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    #8467075  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Noch eine Jam Session mit Coltrane – eine der kurioseren, nicht nur wegen des Line-Ups mit den beiden Baritonsaxophonisten Pepper Adams und Cecil Payne (Sahib Shihab war ja auf Coltranes Debut zu hören – für mich sind die drei eine Art Triumvirat jenseits von Chaloff, Mulligan und Übervater Carney), sondern auch, weil die erste Veröffentlichung auf der einen Seite einer 16 rpm-LP erfolgte (Prestige 16-6 – unten das Originalcover, die zweite enthaltene Session ist besser bekannt als „Curtis Fuller And Hampton Hawes With French Horns“, erschienen als Status ST 8305).

    Adams ist derjenige mit dem schneidenden Ton, der leicht aggressiven Spielweise (das Adjektiv wurde damals ja jedem Hardbopper verpasst, aber bei Adams finde ich es nicht unpassend), Payne klingt runder, deutlich sanfter.

    Der Solo-Chart:

    DAKAR: Payne, Coltrane (2:18), Adams (3:51)
    MARY’S BLUES: Intro: Adams (4), Payne; Solos: Adams, Coltrane (1:53), Payne (3:10); Fours in gleicher Reihenfolge
    ROUTE 4: Payne, Coltrane (3:19), Adams (4:39)
    VELVET SCENE: Thema: Coltrane; Solos: Adams, Coltrane (3:12)
    WITCHES‘ PIT: Thema: Coltrane; Solos: Coltrane, Adams (1:55), Payne (nach Piano, 4:13); Fours: Coltrane/d/Adams/d/Payne/d
    CAT WALK: Adams, Coltrane (2:24), Payne (3:35)

    Teddy Charles war diesmal der zuständige Mann, obwohl er selber gar nicht mitspielt. Er hat das Titelstück, „Route 4“ und „Cat Walk“ beigesteuert, von Adams stammen „Mary’s Blues“ und „Witches‘ Pit“, von Waldron „Velvet Scene“. Die drei Bläser werden von Mal Waldron, Doug Watkins und Art Taylor begleitet.

    Bei aller Liebe für Adams: Balladenspielen konnte er damals nicht (ob er’s später lernte, müsste ich gelegentlich mal auf anderen Aufnahmen überprüfen). Er spielt auch in „Velvet Scene“ recht agressiv und oft ziemlich schnell, scheint überhaupt nicht so recht zur Ruhe zu kommen … aber sein Ton ist phantastisch und in schnellen Stücken mag ich ihn sehr. Die Ballade hätte man aber besser an Payne delegiert – Coltrane macht seinen Job allerdings unbeirrt gut.

    Waldron öffnet „Route 4“ mit einem seiner tollen Telegramm-Soli, bleibt lange Momente bei einem Ton oder einem ganz einfachen Motiv und variiert diese über längere Zeit, was einen ganz besonderen Groove entwickelt (eins seiner allertollsten Soli gibt’s auf Mingus‘ „Blues & Roots“ – wo Adams auch dabei ist).

    Eine schöne Session auf jeden Fall, in meiner Wertschätzung ähnlich wie „Interplay“ – kein Klassiker, aber auf jeden Fall hörenswert (diese Fazit wird allerdings wohl von keinem einzigen Album von und mit Coltrane untertroffen).

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    #8467077  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Coltrane goes Detroit … und nimmt Idrees Sulieman mit auf die Reise, den viel zu selten zu hörenden Bebop-Pionier. Eine wunderbare Session, bei der alles stimmt. Flanagan zeichnet fürs musikalische verantwortlich, es gibt einen Opener in moll, was Coltrane natürlich entgegenkam, einen Calypso (die Soli werden wie üblich in 4/4 gespielt), noch ein Stück in moll (mit schlauem „Besame Mucho“-Zitat in Flanagans Klaviersolo) und zum Abschluss einen tollen Blues … alles von Flanagan, der auch ein Trio-Feature bekommt und eine wunderschöne Version von „How Long Has This Been Going On?“, einem selten gehörten Gershwin-Song, präsentiert. Mit Doug Watkins und Louis Hayes läuft alles rund hier, keine Unsicherheiten oder Temposchwankungen, sondern unprätentiöses, solides Handwerk (bei dem so viel mehr dahintersteckt, als man denkt). Burrell bringt auch mit seinem comping eine zusätzliche Note in den Mix und steuert schöne Soli bei, und Coltrane ist für die Zeit (April 1957) in sehr guter Form. Idrees Sulieman tauchte in der Zeit auf ein paar weiteren Prestige All Star Jam-Alben auf, aber ich glaube, er gefällt mir nirgends so gut wie hier, er spielt mit Zuversicht, blechernem Ton, wie ihn Monk so mochte (Sulieman und Ray Copeland!) und mit grosser Wärme, die eher von Fats Navarro und jüngst von Clifford Brown kommt als von Dizzy Gillespie. Und: dig Doug Watkins!

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    #8467079  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Hellyeah! Es ist länger her, dass ich diese Scheibe hörte … (zuletzt wohl in den Chrono-Trane-Tagen? Es kommt mir viel länger vor). Sie ist wirklich verdammt toll! Das fängt schon bei der Instrumentierung mit Posaune an, aber zentral ist natürlich, wer die Instrumente spielt. Morgan war schon bei der Griffin-Session dabei, Chambers sowieso immer wieder, aber Curtis Fuller ist ein neues Gesicht. Kenny Drew war der Pianist der Quartett-Platte, die Chambers und Coltrane im Vorjahr mit Philly Joe Jones eingespielt hatten … man kannte sich, aber in genau dieser Besetzung gab’s eben sonst keine Aufnahmen. Philly Joe macht einen riesigen Unterschied, ist lebendiger als Taylor, kickt die Band und harmoniert natürlich bestens mit Chambers. Ich hatte mir – bei aller Liebe zu den Prestige-Alben – schon immer gewünscht, dass ein paar der Alben mit Philly Joe statt A.T. eingespielt worden wären … aber Philly Joe war ein Junkie und unzuverlässig, taugte nicht zum Hausdrummer bei Prestige (bei Riverside hingegen kam er wenig später dann regelmässig zum Zug und trug viel zum Gelingen manch toller Scheibe bei).

    Man merkt hier – wie bei den Prestige-Sessions, die im selben Monat, dem September des Jahres 1957, stattfanden – welche Fortschritte Coltrane in wenigen Monaten gemacht hat. Sein Ton war ja schon Ende 1956 auf der Dameron-Session zum Niederknien, aber zwischendurch war er nicht immer so fest, seine Phrasierung legte wohl kontinuierlich zu, aber der Sprung vom April, Mai bis zum September 1957 ist doch evident: Coltrane phrasiert selbst in den schnellsten Passagen mit schlafwandlerischer Sicherheit, scheint jede verdammte Aufteilung des Beats perfekt sauber hinzukriegen.

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    #8467081  | PERMALINK

    redbeansandrice

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    einen track davon haben wir letztes Jahr in köln gehört…

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    #8467083  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    In dieser seltsamen Retro-Russen-Bar, wo all die gute Musik lief?

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    #8467085  | PERMALINK

    redbeansandrice

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    ja!

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    #8467087  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    redbeansandriceja!

    Kannst Du von dem Abend mal die Playlist posten? Ich erinnere mich an kein einziges Stück mehr! :-)

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    #8467089  | PERMALINK

    redbeansandrice

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    :-) so sehr mich das ständige kleinreden der prestigealben stört – ich kann mich auch nur noch daran erinnern, dass was von Blue Train kam (ich hab dich gefragt, was das nochmal ist…)

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    #8467091  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    redbeansandrice :-) so sehr mich das ständige kleinreden der prestigealben stört – ich kann mich auch nur noch daran erinnern, dass was von Blue Train kam (ich hab dich gefragt, was das nochmal ist…)

    Jetzt wo Du’s sagst, ja, daran erinnere ich mich! Es wahr wohl „Moment’s Notice“ oder aber die Dameron-Hommage, jedenfalls nicht die Ballade und nicht das Titelstück (das hättest Du auch gleich erkannt, nehme ich an?).

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    #8467093  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    #8467095  | PERMALINK

    asdfjkloe

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    noch einmal David S. Ware, d.h. David S. Ware String Ensemble, mit „Threads“, eine kompositorische Ausgestaltung mit Streichern, sehr ungewöhnlich, ich finde es hervorragend und recht einmalig auf diese Art…

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    #8467097  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    In der Nacht schon, und jetzt gleich nochmal: Red Garland’s Piano – die öffnende Version von „Please Send Me Someone to Love“ ist umwerfend!

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    #8467099  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    sehr cool, wie er im Titelstück „I Don’t Wanna Be Kissed By Anyone But You“ zitiert! :sonne:

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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