Günter Grass Waffen-SS

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  • #5263689  | PERMALINK

    mick67

    Registriert seit: 15.10.2003

    Beiträge: 76,902

    Herr Rossi….Da ist ein sehr wichtiger Gedankengang. Das Gebaren des Günter Grass ist nicht zu entschuldigen, aber die Sache an sich – schonungslose Offenheit im Umgang mit der NS-Zeit, kein Schlussstrich – kann dadurch nicht an Gültigkeit verlieren. Weil sie moralisch, historisch und politisch richtig ist.

    Nee nee, das sehe ich etwas anders. So einfach kann man es sich auch nicht machen. Das gibt es noch so was wie Glaubwürdigkeit der Person. Grass hat richtigerweise schonungsloses Abrechnen mit dem Naziregime von allen anderen gefordert, nur es bei sich selbst vermissen lassen. In der Sache an sich hat er natürlich recht, nur er als Übersender ist unglaubwürdig geworden. Botschaft und Überbringer von Botschaften lassen sich nicht so einfach trennen.

    Im übrigen wird Grass nicht nur von Konservativen kritisiert, umgekehrt haben Konservative wie Arnulf Baring für Grass Verständnis geäußert.

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    #5263691  | PERMALINK

    krautathaus

    Registriert seit: 18.09.2004

    Beiträge: 25,971

    @ Dick: Danke für den Zeitartikel. Der war sehr lesenswert.

    Er selbst hat für ein Höchstmaß an Dramatik gesorgt, indem er in kalkuliertem Abstand zum Erscheinen der Autobiografie sein Geständnis als Aufschrei einer gequälten Seele in maximaler Lautstärke inszenierte. Mit anderen Worten, Grass hat sich nicht nur Asche aufs Haupt gestreut, er hat die Werbetrommel gerührt, man könnte auch sagen, er hat Geständnis und Selbstanklage zu einem verkaufsfördernden Instrument gemacht.“

    Diese Inszenierung war kalkuliert und fast alle Medien sind darauf reingefallen.

    --

    “It's much harder to be a liberal than a conservative. Why? Because it is easier to give someone the finger than a helping hand.” — Mike Royko
    #5263693  | PERMALINK

    sonic-juice
    Moderator

    Registriert seit: 14.09.2005

    Beiträge: 10,983

    Krautathaus
    Diese Inszenierung war kalkuliert und fast alle Medien sind darauf reingefallen.

    Ich bin weiterhin der Ansicht, dass man das nicht einfach als PR abtun kann. Dass ein Autor auf sein Werk, seine Gedanken, seine Veröffentlichung aufmerksam machen will, ist ihm ja sozusagen wesensimmanent. Der Vorwurf klingt aber so, als hätte Grass die SS-Thematik in seine Memoiren extra eingebaut, um ein paar Euro mehr zu machen. Ist ihm wegen des Extra-Euros dann natürlich egal, wenn er öffentlich dafür diskreditiert wird, er den Nobelpreis zurückgeben soll, die Hälfte seiner „Freunde“ und Kollegen sich von ihm abwenden etc., oder wie muss man das verstehen? Ist doch offenkundig, dass Grass auch ein inneres Bedürfnis hatte, diese Tatsache auszusprechen.

    Die Eigenschaft von Autoren, eitel und extrovertiert, ja exhibitionistisch zu sein und die Öffentlichkeit des Intimsten herbeizusehnen, ist doch nicht so neu. Sonst würden sie gar nicht schreiben wollen. Bei Grass ist das nicht anders.
    Sein Entschluss diese Thematik in den Memoiren zu verarbeiten und dann auch für seine literarische Auseinandersetzung die Werbetrommel zu rühren, halte ich nicht für verwerflich. Das ist normal. Kritkwürdig ist es allenfalls, wenn die Darstellung in dem „beworbenen“ Buch misslungen ist.

    Auch Schirrmacher jetzt dafür anzugreifen, dass er das Gespräch mit Grass geführt hat, ist völlig absurd. Gibt doch keine Zeitung und Zeitschrift in Deutschland (inkl. TAZ!), die eine solche Gelegenheit nicht genutzt hätte!

    Das ist ein Thema von öffentlichem Interesse, weil Grass eine Person des öffentlichen Interesses ist, und dieses Thema darf dann natürlich auch lanciert werden, mit allem TamTam, das dazugehört. Das ist schlichtes Medienhandwerk.

    --

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    #5263695  | PERMALINK

    herr-rossi
    Moderator
    -

    Registriert seit: 15.05.2005

    Beiträge: 85,405

    @mick: Als öffentliche Person hat Grass sich selbst erheblich beschädigt, ganz klar. Aber man muss Urheber und Werk schon trennen. Ein literarisches Werk, ein Essay, ein politischer Kommentar, eine Rede usw. – all das muss in sich schlüssig sein, um den Hörer zu überzeugen. Da kommt es auf die persönlichen Fehler des Autors nicht an.
    Genauso ist es doch mit Musik. Alben und Songs, die man liebt, verlieren doch nicht dadurch an Wert, wenn man erfährt, dass der Musiker Dinge gesagt und getan hat, die man nicht gutheißen kann.

    --

    #5263697  | PERMALINK

    krautathaus

    Registriert seit: 18.09.2004

    Beiträge: 25,971

    @ Sonic Juice:

    Dass Grass so kurz vor der Veröffentlichung von Interviewpartner zu Interviewpartner rennt, halte ich schon für kalkuliert.
    Er selbst reagiert ja auch entsprechend betroffen (Unperson!).

    Ich meine schon, daß sich Grass bewußt selbst inszeniert hat. Die Geister die er rief, waren ihm aber nicht immer wohl gesonnen.

    quote v. SonicJuice:
    „Der Vorwurf klingt aber so, als hätte Grass die SS-Thematik in seine Memoiren extra eingebaut, um ein paar Euro mehr zu machen.“

    Geanu das finde ich nicht. Man kann ihm doch nicht vorwerfen, seine Vergangenheit offen darzulegen.

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    #5263699  | PERMALINK

    dario

    Registriert seit: 04.06.2006

    Beiträge: 76

    noch ein Artikel, der die Sache sehr schön auf den Punkt bringt:

    http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,432325,00.html

    Ich werde bei dieser ganzen Geschichte nur das Gefühl nicht los, das er bei dieser PR-Inszenierung irgendwie übers Ohr gehauen wurde. Wie sonst ist so eine Selbstdemontage zu erklären, Senilität? Wer nimmt denn heute noch ein Buch von Grass wertfrei in die Hand?

    --

    #5263701  | PERMALINK

    sonic-juice
    Moderator

    Registriert seit: 14.09.2005

    Beiträge: 10,983

    Krautathaus@ Sonic Juice:

    Dass Grass so kurz vor der Veröffentlichung von Interviewpartner zu Interviewpartner rennt, halte ich schon für kalkuliert.

    Okay, nur was genau ist daran so schlimm, wenn er als Autor die größtmögliche Öffentlichkeit für sein Werk sucht?

    Krautathausquote v. SonicJuice:
    „Der Vorwurf klingt aber so, als hätte Grass die SS-Thematik in seine Memoiren extra eingebaut, um ein paar Euro mehr zu machen.“

    Geanu das finde ich nicht. Man kann ihm doch nicht vorwerfen, seine Vergangenheit offen darzulegen.

    Eben.

    Warum die Medien jetzt aber darauf „reingefallen“ sein sollen, verstehe ich immer noch nicht. Die haben ein auflagensteigerndes Thema, das ihre Leser interessiert, und Grass hat ein Forum, in dem seine Enthüllung diskutiert wird. Genau daran lag ihm ja offenbar, warum auch nicht. Wenn es hilft, dass möglichst viele Leute auf das Buch aufmerksam werden und es kaufen, ist das doch okay. Die sind ja dann auch nicht „reingefallen“, sondern lesen es, weil sie das Thema eben interessiert.

    --

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    #5263703  | PERMALINK

    dario

    Registriert seit: 04.06.2006

    Beiträge: 76

    Herr Rossi@Mick: Als öffentliche Person hat Grass sich selbst erheblich beschädigt, ganz klar. Aber man muss Urheber und Werk schon trennen. Ein literarisches Werk, ein Essay, ein politischer Kommentar, eine Rede usw. – all das muss in sich schlüssig sein, um den Hörer zu überzeugen. Da kommt es auf die persönlichen Fehler des Autors nicht an.
    Genauso ist es doch mit Musik. Alben und Songs, die man liebt, verlieren doch nicht dadurch an Wert, wenn man erfährt, dass der Musiker Dinge gesagt und getan hat, die man nicht gutheißen kann.

    also ich weiss nicht, ich glaube das funktioniert nicht. Kein Mensch hätte es Adolf Hitler abgenommen, wenn er ein vegetarisches Kochbuch geschrieben hätte. Biografie und Werk ist immer untrennbar miteinander verwoben :-)

    --

    #5263705  | PERMALINK

    alex8529

    Registriert seit: 12.03.2005

    Beiträge: 4,753

    Krautathaus@ Dick: Danke für den Zeitartikel. Der war sehr lesenswert.

    Er selbst hat für ein Höchstmaß an Dramatik gesorgt, indem er in kalkuliertem Abstand zum Erscheinen der Autobiografie sein Geständnis als Aufschrei einer gequälten Seele in maximaler Lautstärke inszenierte. Mit anderen Worten, Grass hat sich nicht nur Asche aufs Haupt gestreut, er hat die Werbetrommel gerührt, man könnte auch sagen, er hat Geständnis und Selbstanklage zu einem verkaufsfördernden Instrument gemacht.“

    Diese Inszenierung war kalkuliert und fast alle Medien sind darauf reingefallen.

    na ich denke, er hat eher gedacht, dass der Sonnenschein des Buches den Schatten der Vergangenheit übertönt

    --

    Wenn einem die Argumente ausgehen, sollte man zur Beleidigung greifen (A.Schopenhauer) Hilfe gibbed hier: http://www.amazon.de/beleidigen-Kleines-Brevier-sprachlicher-Grobheiten/dp/3406511252
    #5263707  | PERMALINK

    krautathaus

    Registriert seit: 18.09.2004

    Beiträge: 25,971

    Sonic Juice
    Okay, nur was genau ist daran so schlimm, wenn er als Autor die größtmögliche Öffentlichkeit für sein Werk sucht?

    Man muß doch den Eindruck gewinnen, daß Grass seinen eigenen „Makel“ (der eigentlich keiner ist) der Vergangenheit nutzt, um wirklich seit 1 Woche in fast allen Medien präsent zu sein.
    Das geht doch weit über die üblichen Marketingbemühungen eines bekannten Autors, oder nicht?
    Da können viele Autoren nur „neidisch“ zusehen…

    Mit „reingefallen“ meine ich, daß sich Rundfunk, Fernsehen und oft auch die Presse, die sich sonst nicht für Grass interessieren, jetzt aufwachen und grundlos einen Skandal inszenieren möchten.

    --

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    #5263709  | PERMALINK

    mick67

    Registriert seit: 15.10.2003

    Beiträge: 76,902

    darioalso ich weiss nicht, ich glaube das funktioniert nicht. Kein Mensch hätte es Adolf Hitler abgenommen, wenn er ein vegetarisches Kochbuch geschrieben hätte. Biografie und Werk ist immer untrennbar miteinander verwoben :-)

    ein vegetarisches Kochbuch wäre das einzige Buch gewesen, das ich Hitler abgenommen hätte. Er war ja ein Veggie.;-)

    --

    #5263711  | PERMALINK

    krautathaus

    Registriert seit: 18.09.2004

    Beiträge: 25,971

    alex8529na ich denke, er hat eher gedacht, dass der Sonnenschein des Buches den Schatten der Vergangenheit übertönt

    Das mußte ich aber dreimal lesen, bevor ich es verstanden habe.

    Genau das Gegenteil nehme ich an. Grass kokettiert bewusst mit dem kleinen Abschnitt seiner Vergangenheit und genießt den Rummel um seine Person.

    --

    “It's much harder to be a liberal than a conservative. Why? Because it is easier to give someone the finger than a helping hand.” — Mike Royko
    #5263713  | PERMALINK

    aco-braco

    Registriert seit: 17.08.2005

    Beiträge: 2,127

    Als öffentliche Person hat Grass sich selbst erheblich beschädigt, ganz klar. Aber man muss Urheber und Werk schon trennen. Ein literarisches Werk, ein Essay, ein politischer Kommentar, eine Rede usw. – all das muss in sich schlüssig sein, um den Hörer zu überzeugen. Da kommt es auf die persönlichen Fehler des Autors nicht an.
    Genauso ist es doch mit Musik. Alben und Songs, die man liebt, verlieren doch nicht dadurch an Wert, wenn man erfährt, dass der Musiker Dinge gesagt und getan hat, die man nicht gutheißen kann.

    vollste zustimmung,seh ich absolut genauso!
    als prominentes beispiel aus der weltliteratur fällt mir dostojewski ein,blieb sein schriftstellerleben lang moralische autorität,der auch die schlimmsten ansichten/äusserungen nichts anhaben konnte.

    --

    Alles, was sich hinauswagt, wird am Ende zurückgeholt.
    #5263715  | PERMALINK

    joerg-koenig

    Registriert seit: 09.08.2002

    Beiträge: 4,078

    Und neulich im Föjetong der SZ eine komplette Zusammenfassung der ganzen Aufregung in zwei Worten: „Günter Who?“

    --

    Wenn wir schon alles falsch machen, dann wenigstens richtig.
    #5263717  | PERMALINK

    alex8529

    Registriert seit: 12.03.2005

    Beiträge: 4,753

    neue interessante Fakten…..

    http://www.spiegel.de/kultur/literatur/0,1518,433608,00.html

    Der Hinweis auf die Waffen-SS fehlt bei dem Eintrag im Krankenbuch; als Dienstgrad ist „Schtz.“ („Schütze“) verzeichnet, obwohl an dieser Stelle, so der Waffen-SS-Experte Heinz Höhne, ein Hinweis auf die Waffen-SS hätte stehen müssen.

    In dem Buch „Beim Häuten der Zwiebel“ berichtet Grass, er habe sich im Chaos hinter der Front eine Uniform der Wehrmacht und neue Papiere verschafft, weil er fürchtete, als Soldat der Waffen-SS bei einer Gefangennahme getötet zu werden.

    Grass wusste also ganz genau um die Unterschiede der SS und der Wehrmacht.

    Damit hat er doch nun selber ganz klar die Mär vom unschuldigen 17-jährigen Jüngling widerlegt.

    Gruß Frank

    --

    Wenn einem die Argumente ausgehen, sollte man zur Beleidigung greifen (A.Schopenhauer) Hilfe gibbed hier: http://www.amazon.de/beleidigen-Kleines-Brevier-sprachlicher-Grobheiten/dp/3406511252
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