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AutorBeiträge
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Zum Thema 90er habe ich vor kurzem ein sehr interessantes Gespräch geführt.
Ich schwärmte meinem Gesprächspartner, der die Neunziger, im Gegensatz zu mir, vollständig aktiv miterlebt hat, von dem Video zu „No Rain“ von Blind Melon vor. Er erwiderte, das Lied sei zwar nicht schlecht, er könne sich jedoch noch daran erinnern, dass das Video in seiner aktuellen Zeit etwa zwanzig Mal täglich auf MTV gespielt wurde. Gerade als ich ihm für diese Antipathie innerlich Verständnis entgegenbrachte, fügte er noch schnell hinzu, dass aber „dieses What’s Up von den schrecklichen Four None Blondes mit der Frau mit der Taucherbrille“ ein richtig schlechtes Lied gewesen sei. Nun wollte ich aber Partei für dieses von mir schon so oft nebenbei geträllerte Liedchen ergreifen, als er seine Aussage noch um ein „noch schlimmer waren nur noch die Spin Doctors mit Two Princes“ erweiterte.
In diesem Moment realisierte ich, dass man wohl Lieder, deren großen Erfolg man aktiv miterlebt hat und die einen zu dessen Zeit schon ein wenig nervten, sein ganzes Leben schlimm finden wird. Leute wie ich hingegen, die erst in den letzten Atemzügen der 80er geboren wurden und nun aus nahezu historischer Sicht zurückblicken, sind wohl viel eher für die Musik der 90er zu begeistern.--
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WerbungSonic JuiceAch, ich würde sagen, dass wir nur durch rethorische Übertreibungen und auf die Spitzetreibungen öffter mal auf einen kleinen formalen Dissens stoßen, der sich inhaltlich aber zumeist bei etwas Wedeln und Pusten verflüchtigt. :bier:
Und zum Thema „80er sind doof“ wollt ich eh grad sagen: Bender, übernehmen Sie!
So, jetzt habe ich mir’s recht kommod gemacht (heut‘ nachmittag musste ich leider noch in eine Besprechung – und mein Brötchengeber hat für stundenlanges Herumgeposte im RS-Forum sicher auch nicht unbedingt so ganz das rechte Verständnis…;-) ).
Höhö, zu Punkt eins: Aber Hallo! Ich denke, wir sollten unsere Diskussionen demnächst in die Kneipe verlegen, damit wir unsere Fingerchen nicht so verrenken müssen…:lach: :bier:
Zu Punkt zwei: Ach, das hast du schon ganz gut alleine hingekriegt! Bravo! Der Herr Mick wurd ja doch recht einsichtig. Auch Bravo! Achtziger-Spezialagent Rodriguez, Bender Rodriguez, Acht-null, erspart sich dadurch ein bisserl Arbeit und kann dadurch etwas relaxter – mit einem Weinchen auf dem Tisch – diesen Thread aufrollen…
Ein paar Kommentare seien mir aber dennoch gestattet…--
I mean, being a robot's great - but we don't have emotions and sometimes that makes me very sadFräuleinWunderZum Thema 90er habe ich vor kurzem ein sehr interessantes Gespräch geführt.
Ich schwärmte meinem Gesprächspartner, der die Neunziger, im Gegensatz zu mir, vollständig aktiv miterlebt hat, von dem Video zu „No Rain“ von Blind Melon vor. Er erwiderte, das Lied sei zwar nicht schlecht, er könne sich jedoch noch daran erinnern, dass das Video in seiner aktuellen Zeit etwa zwanzig Mal täglich auf MTV gespielt wurde. Gerade als ich ihm für diese Antipathie innerlich Verständnis entgegenbrachte, fügte er noch schnell hinzu, dass aber „dieses What’s Up von den schrecklichen Four None Blondes mit der Frau mit der Taucherbrille“ ein richtig schlechtes Lied gewesen sei. Nun wollte ich aber Partei für dieses von mir schon so oft nebenbei geträllerte Liedchen ergreifen, als er seine Aussage noch um ein „noch schlimmer waren nur noch die Spin Doctors mit Two Princes“ erweiterte.
In diesem Moment realisierte ich, dass man wohl Lieder, deren großen Erfolg man aktiv miterlebt hat und die einen zu dessen Zeit schon ein wenig nervten, sein ganzes Leben schlimm finden wird. Leute wie ich hingegen, die erst in den letzten Atemzügen der 80er geboren wurden und nun aus nahezu historischer Sicht zurückblicken, sind wohl viel eher für die Musik der 90er zu begeistern.…du hast noch einen Song vergessen, den ich erwähnt hab. Der furchtbarste von allen. Na, kommt der noch?
tina toledoVerstehst du, was ich meine?
Absolut.
Ich hatte nur diebische Freude, zu Demonstrations- und Skandalisierungtszwecken die Analogie zu Adams / Oasis zu ziehen. Da hast Du mir halt ne Steilvorlage geliefert. Dass Travis „Baby“ versonnen kniend mit flackernden Kerzen auf ihrem Britney-Altar spielen, wäre auch wirklich etwas zu viel verlangt.;-)--
I like to move it, move it Ya like to (move it)Whole Lotta Pete
…du hast noch einen Song vergessen, den ich erwähnt hab. Der furchtbarste von allen. Na, kommt der noch?
„Komm doch mal rüber, Mann, und setz dich zu mir hin,
weil ich ein Mädchen bin, weil ich ein Mädchen bin!
Keine Widerrede, Mann, weil ich doch sowieso gewinn,
weil ich ein Mähähähädchen bin!“*sing*
Ja, das ist auch toll!
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Sonic JuiceAbsolut.
Ich hatte nur diebische Freude, zu Demonstrations- und Skandalisierungtszwecken die Analogie zu Adams / Oasis zu ziehen. Da hast Du mir halt ne Steilvorlage geliefert. Dass Travis „Baby“ versonnen kniend mit flackernden Kerzen auf ihrem Britney-Altar spielen, wäre auch wirklich etwas zu viel verlangt.;-)Hihi…aber ne lustig Vorstellung ist´s schon….:-)
Gut, diese diebische Freude sei dir gegönnt gewesen- wieder Frieden?:bier:--
Sir, I'm going to have to ask you to exit the donut!@Fräulein: Ich kenn das Phänomen mit Lieblingsliedern meiner Kindheit, bei denen etwas Ältere auch „kann ich nicht mehr hören“ sagen. Geht mir selbst mit ein paar Sachen auch so. Das Lucilectric-Lied hab ich aber schon ewig nicht mehr gehört, da hätte ich sogar mal wieder Lust drauf.
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Siehste, Pete, sogar Rossi findet’s gut!
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Sonic Juice
Ansonsten gabs in den 80ern soviel harte Gitarre, wie in keinem Jahrzehnt davor! Stichwort Heavy Metal. Das Bedürfnis nach Iron Maiden, Metallica, Anthrax etc. ist sicherlich auch als stimmiger, jedenfalls aber höchst effektiver Gegenentwurf zum Plastikpop dieser Jahre zu sehen.Die „harte Gitarre“ wie in keinem Jahrzehnt davor dürfte allerdings primär auf das Härteposing der „Immerschnellerlauterhärter“-Mentalität der HM-Szene zurückzuführen sein (tatsächlich wurds doch in den Neunzigern mit dem Einfluss von z.B. Industrial noch deftiger, oder?). Am Rande vielleicht nur eine von vielen Reaktionen auf die „Popper“. Aber HM war doch in den Achtzigern nie wirklich richtig „hip“, oder? Den wahren Gegenentwurf schufen doch meines Erachtens andere „typische“ Achtziger-Phänomene, wie Industrial (SPK, Throbbing Gristle, Neubauten), knochentrockner E.B.M. (Nitzer Ebb, Front 242, Skinny Puppy), Independent-Dandys (The Smiths, Bauhaus, Nick Cave) und Totalverweigerer (Die Tödliche Doris, Laibach, Current 93). Sowohl fest verwurzelt in den Achtzigern und von ihnen nicht wegzudenken, taten sie das genaue Gegenteil des Zeitgeistes um ihm auf eine seltsam verschrobene Art trotzdem dienlich zu sein. Dies erklärt sich wohl aus den vielzähligen subkulturellen Strömungen dieses Jahrzehnts, die zum einen eine große künstlerische Stärke innehatten, zum anderen durch ihre Zerrissenheit auch schädlich wirken konnten (absoluter Underground blieb auch solcher durch strikte Selbstlimitierung).
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I mean, being a robot's great - but we don't have emotions and sometimes that makes me very sadtina toledoHihi…aber ne lustig Vorstellung ist´s schon….:-)
Gut, diese diebische Freude sei dir gegönnt gewesen- wieder Frieden?:bier:Türlich türlich. :bier:
PS: Ich habe übrigens neulich meine Schuld bei Ryan Adams abgetragen, indem ich voll der Buße und Demut endlich Cold Roses im Original erwarb.
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I like to move it, move it Ya like to (move it)FräuleinWunderSiehste, Pete, sogar Rossi findet’s gut!
Um Pete die Pointe zu klauen: Weil ich ein Mä-ä-ä-dchen bin. :angel:
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Bender RodriguezDie „harte Gitarre“ wie in keinem Jahrzehnt davor dürfte allerdings primär auf das Härteposing der „Immerschnellerlauterhärter“-Mentalität der HM-Szene zurückzuführen sein (tatsächlich wurds doch in den Neunzigern mit dem Einfluss von z.B. Industrial noch deftiger, oder?). Am Rande vielleicht nur eine von vielen Reaktionen auf die „Popper“. Aber HM war doch in den Achtzigern nie wirklich richtig „hip“, oder?
Naja, hip oder cool oder besonders clever war der klassische HM sicherlich nie. Die Immerschneller-Du-spielst-auf-10?-Ich-spiele-auf-11!-Mentalität hat aber immerhin zu einer wahnsinnig flotten Stildiversifizierung geführt, die sehr inspirierend für die Szene war. Und es war auch nicht immer nur die „schneller und krasser“-Nummer. Das führte an manchen Enden des Stilstroms sogar zu solchen erstaunlichen Paarungen wie Anthrax/Public Enemy „Bring The Noise“ oder John Zorn mit dem Napalm Death-Drummer (Freegrind!). Dann gabs ja auch immer Berührungspunkte zu Punk, Harcore und Industrial. Das war das spannende an der Musik. in den 80ern kamen die Stilbezeichnungen mit der musikalischen Entwicklung ja kaum mehr nach.
Ach ja, noch zu Deiner Frage bezüglich HM als Reaktion auf den Synthiepop: Ich kann das nur persönlich so sagen, dass HM für mich ganz klar ein Geschenk des Himmels war, der mir die Flucht in ein Land ermöglichte, das von dem ganzen fiesen 80er-Chart-Pop völlig unberührt war. Mit Indiemusik habe ich mich dann erst später beschäftigt.
Ein großer Verdienst von HM ist es aber jedenfalls (da spreche ich wiederum aus persönlicher Erfahrung), dass er einem den Zugang zu komplexen Strukturen und nicht sofort eingängigen Melodieführungen eröffnet jenseits von Strophe-Refrain-Strophe-Refrain-Solo-Ausblenden. Über Metallicas frühe Alben kann man tatsächlich auch zu Klassik geführt werden, so seltsam es klingt.--
I like to move it, move it Ya like to (move it)Mick67
Eigentlich ist die Diskussion, welches Jahrzehnt besser war, sowieso nichtssagend. Warum teilen wir eigentlich die Musik in Jahrzehnte ein? Bei vielen Gruppen ist das ohnehin Quatsch. Sind U2 oder R.E.M. 80er, 90 er oder 2000er?
Ganz richtig!
Nicht „wir“ haben damit angefangen, Musik in Jahrzehnte einzuteilen, sondern diejenigen, die Geld damit verdienen, uns diese einzuteilen.
Und „wir“ machten bereitwillig mit, so daß gewisse Journalisten ihrem Klientel in den Neunzigern so lange weismachten, jetzt sei der Rock’n’Roll wieder gerettet und in trockenen Tüchern – und dabei mit spitzen Fingern auf die Achziger zeigten, bis daraus eine seltsame Mode wurde. Und solche unqualifizierten Äusserungen (Entschuldige bitte, ist aber so…) wie die deinen („handgemachte Musik“, „Atari-Programmierer aus den Studios gejagt“) heraufprovozierten.
Handwerkliches Können mag eine gewisse Qualität aufweisen – Kreativität entsteht aber aus dem Experiment, dem Fortschritt. Und wenn dieser in elektronischer Musik liegen mag, dann ist das mehr als nur o.k.
Da bringen (einseitige) Grabenkriege a la „Gitarre vs. Elektronik“ gar nichts – vor allem, wenn mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird. D.h., kein ernstzunehmender Fan reiner elektronischer Musik stellt die Bedeutung gitarrenorientierter Rockmusik in Frage (aber im umgekehrten Fall extrem viele…)!
Persönliche Vorlieben mal aussen vor, verstehst du was ich meine?--
I mean, being a robot's great - but we don't have emotions and sometimes that makes me very sadBender RodriguezDie „harte Gitarre“ wie in keinem Jahrzehnt davor dürfte allerdings primär auf das Härteposing der „Immerschnellerlauterhärter“-Mentalität der HM-Szene zurückzuführen sein (tatsächlich wurds doch in den Neunzigern mit dem Einfluss von z.B. Industrial noch deftiger, oder?).
Klar, aber deshalb schrieb ich auch „wie in keinem Jahrzehnt davor„.
Wobei die Tempo-, Brutalitäts- und Verzerrungsrekorde des Grindcore und Death Metal eigentlich schon Ende der 80er nicht mehr zu toppen waren.--
I like to move it, move it Ya like to (move it)Sonic JuiceTürlich türlich. :bier:
PS: Ich habe übrigens neulich meine Schuld bei Ryan Adams abgetragen, indem ich voll der Buße und Demut endlich Cold Roses im Original erwarb.
Brav, brav!!;-)
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Sir, I'm going to have to ask you to exit the donut! -
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